Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Der Realakt: Schlichtes Verwaltungshandeln
Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Teilnahme am Straßenverkehr
Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Teilnahme am Straßenverkehr
31. Mai 2025
8 Kommentare
4,8 ★ (23.294 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der verbeamtete Lehrer Langhals (L) will mit seiner Klasse auf Klassenfahrt nach Deppendorf fahren. Auf dem Weg zum Treffpunkt baut L mit seinem privaten PKW einen Auffahrunfall.
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Einordnung des Falls
Abgrenzung öffentlich-rechtliches und privatrechtliches Handeln: Teilnahme am Straßenverkehr
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Es ist fraglich, ob L's Teilnahme am Straßenverkehr öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Nach einer anderen Ansicht (in der Literatur) ist die Teilnahme am Straßenverkehr immer privatrechtlicher Natur.
Ja!
3. Die Teilnahme des Amtsträgers am Straßenverkehr ist nur dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie unmittelbar der Ausführung eines hoheitlichen Geschäfts dient.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Weil L erst zum Treffpunkt der Klassenfahrt fuhr und die Klassenfahrt noch nicht begonnen hatte, ist seine Teilnahme am Straßenverkehr privatrechtlicher Natur.
Nein, das trifft nicht zu!
5. L fuhr mit seinem privaten Auto. Die Fahrt ist deswegen privatrechtlicher Natur, auch wenn ein Zusammenhang zu seiner hoheitlichen Tätigkeit besteht.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
7.3.2022, 09:53:20
Gibt es hier eigentlich einen Gleichlauf zum Themenkomplex "Arbeitsunfall" in privatrechtlichen Verhältnissen?

Lukas_Mengestu
7.3.2022, 15:19:45
Hallo Isabell, hier müsstest Du mir noch etwas auf die Sprünge helfen, worauf Deine Frage im Einzelnen abzielt :-) Gegenüber Dritten (hier der Unfall
beteiligte) haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich erst einmal voll. Dem Arbeitnehmer könnte aber bei betrieblich veranlasster Tätigkeit ein Rückgriffsanspruch gegen den Arbeitgeber bzw. ein
Freistellungsanspruchnach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs zustehen. Bei Autounfällen springt zudem in der Regel die Haftpflichtversicherung ein. Ein unmittelbarer Anspruch des Dritten gegen den Arbeitgeber dürfte daran scheitern, dass zwischen dem Unfall
beteiligten und dem Arbeitgeber idR kein Vertragsverhältnis besteht und eine Zurechnung nach
§ 278 BGBsomit ausscheidet. Trifft das Deine Frage? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell
7.3.2022, 15:31:28
Ich hatte zwar eine andere Konstellation im Kopf, aber die von dir geschilderte gehört da auch zu. Ich habe mich folgendes gefragt: Wenn ich in Zweifelsfällen im ptivatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnis das Arbeitsverhältnis für betroffen halte, ich in der gleichen Situation unter Beteiligung von Beamten dann spiegelbildlich die öffentlich-rechtlichen Normen anwende? Sobald also die Tätigkeit, und nicht die Privatperson, ausschlaggebend ist, immer die spezielleren Normen greifen? Ist es jetzt klarer geworden, was ich meine?

Natze
6.4.2024, 12:55:11
Würde ich auch gerne wissen :)
tigan
28.3.2025, 11:48:25
Liebe Jurafuchs-Community, verstehe ich das richtig, dass demnach eine verbeamtete Person, die sich auf dem Weg zur Arbeit befindet, eigentlich immer öffentlich-rechtlich handelt, weil ja ein enger innerer und äußerer Zusammenhang besteht und die Zielsetzung der Fahrt dann dem Tätig werden in
hoheitlicher Funktion dient und somit die Fahrt dem konkreten Bereich
hoheitlicher Betätigung zuzurechnen ist? Hat jemand vielleicht ein Beispiel dafür, wann kein öffentlich-rechtliches Handeln bei der Fahrt zur Arbeit vorliegt?

K.Attalla
22.4.2025, 15:30:15
Hey, ich hätte jetzt gesagt, der Weg zur Arbeit ist gerade nicht öffentlich-rechtlicher Natur, weil die Fahrt zur Arbeit noch nicht dem Bereich
hoheitlicher Betätigung zuzurechnen ist. Schließlich arbeitet der Beamte zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Fahrt eines Lehrers zur Jugendherberge gehört zu einer konkreten Aufgabe, die er als Lehrer zu erfüllen hat. Ich sehe hier daher einen Unterschied.

Sebastian Schmitt
15.5.2025, 10:48:12
Hallo @[tigan ](296717), Du merkst anhand der ganzen rechtlichen "Gummibegriffe" in unserer Erläuterung der Rspr schon ("enger innerer und äußerer Zusammenhang", "einheitlicher Lebensvorgang" etc), dass das eine sehr einzelfallabhängige Frage ist, die man zwar grob in bestimmte Kategorien einteilen, aber nicht pauschalisieren kann. Inhaltlich hat @[K.Attalla](217236) schon einen wichtigen Hinweis gegeben: Man wird nicht pauschal sagen können, dass der Weg zur Arbeit mit dem privaten Pkw stets öffentlich-rechtlicher Natur iSd Amtshaftung ist. Ebenso wenig wird man es allerdings wohl nur "aufgabenbezogen" sehen können, denn auch die tägliche Arbeit könnte man ja als Aufgabe in diesem Sinn sehen. So kann es insbesondere darauf ankommen, ob der Zielort, an dem die Tätigkeit verrichtet werden soll, mit einem Pkw (deutlich) besser/schneller zu erreichen ist (näher BeckOGK-BGB/Thomas, Stand 1.2.2025, § 839 Rn 118). Beispiele für einen explizit fehlenden Zusammenhang findest Du zB bei BeckOGK-BGB/Thomas, Stand 1.2.2025, § 839 Rn 119: Genehmigt war eine Dienstreise "Eisenbahn", benutzt wurde aber stattdessen der private Pkw, wobei es zu einem Unfall kam. Auch bei Umwegen auf dem Weg zur Arbeit/Aufgabe müssen wir genauer hinschauen (sind sie zB verkehrsbedingt oder persönlicher Natur?). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
okalinkk
18.4.2025, 17:58:19
liegt dies daran, dass im Strassenverkehr sowieso alle sorgfältig handeln müssen und somit Subsidiaritätserwägungen keine Rolle spielen dürfen?