Öffentliches Recht
Grundrechte
Freizügigkeit (Art. 11 GG)
Sachlicher Schutzbereich: Keine Ausreisefreiheit – "Elfes-Entscheidung"
Sachlicher Schutzbereich: Keine Ausreisefreiheit – "Elfes-Entscheidung"
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der deutsche Politiker Wilhelm Elfes (E) will aus politischen Gründen aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Die zuständige Behörde verwehrt E die Verlängerung seines Reisepasses. E kann damit Deutschland nicht verlassen.
Diesen Fall lösen 82,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Sachlicher Schutzbereich: Keine Ausreisefreiheit – "Elfes-Entscheidung"
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Das Recht auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) gewährt deutschen Staatsangehörigen das Recht, Aufenthalt und Wohnsitz im gesamten Bundesgebiet frei zu wählen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Das Recht auf Freizügigkeit gewährt auch das Recht auf Ausreise. Durch die Passversagung ist E in seinem Recht aus Art. 11 Abs. 1 GG betroffen.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Die Ausreisefreiheit wird von Art. 11 Abs. 1 GG nicht geschützt. Kann E sich für die Ausreisefreiheit auf ein anderes Grundrecht berufen?
Ja!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
15.3.2022, 21:18:44
Welche historischen Gründen sprechen denn gegen die Ausreisefreiheit?
Vincent
16.3.2022, 13:41:42
Früher gab es Art. 112 WRV, der dies ausdrücklich ermöglicht hat. Dass diese Regelung nicht ins GG übernommen wurde, spricht historisch gehen die Ausreisefreiheit. Außerdem, so laut text, war dies früher auch nicht gewollt, aufgrund der Nachbarschaft zur sowjetischen Besatzungszone. JuS 2019, 549
hagenhubl
2.9.2024, 10:50:08
Aber gerade wegen der Zustände in der ehemaligen DDR wäre es doch wichtig auch ein Recht auf Ausreise im Grundgesetz zu verankern. Dort wurden Menschen, die das Land verlassen wollten, erschossen. Davon will sich die Bundesrepublik Deutschland ja wohl distanzieren. Dies sollte sie auch tun.
Wendelin Neubert
1.10.2024, 12:28:16
Danke für Deine Anmerkung @[hagenhubl](233869). Es ist unbestritten, dass verfassungsrechtlich ein Recht auf Ausreise aus Art. 2 Abs. 1 GG besteht (auch wenn es im
Einzelfallaus gesetzlich normierten Gründen eingeschränkt werden kann, z.B. die zu erwartende Begehung bestimmter Straftaten im Ausland zu verhindern). Die von Dir benannten fürchterlichen und menschenverachtenden Umstände im Grenzregime der ehemaligen DDR sind verbrecherisch gewesen und wurden vom Bundesverfassungsgericht in der „
Mauerschützen“-Entscheidung (von uns hier aufbereitet: https://applink.jurafuchs.de/6PFuAuRYkNb) auch überaus deutlich benannt und mit konkreten Rechtsfolgen versehen. Allerdings folgt daraus nicht, dass Art. 11 Abs. 1 GG auch die Ausreisefreiheit schützt. Auch ist deshalb allein nicht erforderlich, dass Deutschland das Recht auf Ausreise im Verfassungstext schützt oder schützen sollte. Es ist wichtig, politische Einschätzungen und Forderungen von rechtlichen Bewertungen sauber zu trennen. Ich hoffe, meine Ausführungen helfen Dir dabei. Beste Grüße - Wendelin für das Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
15.7.2022, 10:59:44
Kann man hier auch noch
Art 21 AEUVund Art 45 EUGRC anführen? Regelt ja auch die Ein-und Ausreise von Unionsbürgern und wäre hier ja auch durchaus möglich dich darauf zu berufen oder? 🤔
Nora Mommsen
19.7.2022, 12:57:04
Hallo Der Weingärtner, nach allgemeiner Ansicht schützen die Rechte aus der AEUV nicht vor Inländerdiskriminierung. Desweiteren hat
Art. 21 AEUVin Deutschland Umsetzung durch das Gesetz über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern erfahren, welches gem. Art. 21 Abs. 2 AEUV ausnahmsweise vorrangig zu prüfen ist. Zudem ist bzgl. der EuGrCh der Prüfungsmaßstab fraglich - das BVerfG prüft diese nur in Fällen der Durchführung von Unionsrecht durch die Mitgliedsstaaten, also wenn das einschlägige Recht unionsrechtlich determiniert ist. Nur dann könnte sich der
Beschwerdeführer auch erfolgreich auf die europäischen Grundrechte berufen. Dann würde aber keine Prüfung der deutschen Grundrechte mehr erfolgen. Dies ist hier nicht der Fall. Auch im Rahmen der Solange-Rechtsprechung kommt es hier nicht ausnahsweise zu einem Rückgriff auf die europäischen Grundrechte, da ein gleichrangiges Schutzniveau über Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet werden kann. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team