Strafrecht
BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.
Diebstahl (§ 242 StGB)
Implantate (3) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
Implantate (3) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Arzt T entwendet den entnommenen Herzschrittmacher dem bereits toten Patienten O. Zu Lebzeiten hatte O das Gerät des Pharmaunternehmens P unter Eigentumsvorbehalt erworben und nie abbezahlt.
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Einordnung des Falls
Implantate (3) | mit Körper verbunden / Herzschrittmacher
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Frage, wann Implantate bzw. Hilfsmittel als (diebstahlsfähige) Sachen und wann als Teil des Körpers anzusehen sind, ist unumstritten.
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Teil der Literatur differenziert bei Implantaten danach, ob die Implantate als Ersatz eines Körperteils oder bloß zur Unterstützung dienen.
Ja!
3. Geht man davon aus, dass ein Implantat bei dauerhafter Verbindung seine Sachqualität verliert (h.M.), dann ist der Herzschrittmacher für O fremd.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Differenziert man bei der Sachqualität von dauerhaften Implantaten nach der Wirkweise (a.A.), hat O durch Implementierung des Herzschrittmachers Eigentum an diesem erlangt.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Differenziert man bei der Sachqualität von dauerhaften Implantaten nach der Wirkweise (a.A.), war der Herzschrittmacher für T fremd (§ 242 Abs. 1 StGB).
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Skinnynorris
11.5.2021, 22:43:40
Wie ist es mit Unterschlagung ? Oder wäre Arzt T dann hier straflos ?
Tigerwitsch
12.5.2021, 01:00:40
Ich hätte an Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB gedacht.
Tigerwitsch
12.5.2021, 01:01:36
Ich hätte an Strafbarkeit nach § 246 Abs. 1 StGB gedacht.
Lukas_Mengestu
17.5.2021, 17:54:20
Richtig, da es sich nicht um eine herrenlose Sache handelt, ist aufgrund des fehlenden
Gewahrsamsbruchs zwar kein Diebstahl, aber jedenfalls eine Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB einschlägig. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Melanie 🐝
24.5.2021, 09:47:55
Ist das mit dem Übergang auf die Erben bei Goldzähnen denn genauso? Erinnere mich daran, gelernt zu haben, dass das Eigentum nicht auf die Erben übergeht, weil der Goldzahn Bestandteil der Leiche sind. Warum ist das dann hier anders?
Tigerwitsch
24.5.2021, 12:58:58
Grundsätzlich sind künstliche mit dem menschlichen Körper fest eingefügte Bestandteile keine Sachen, solange sie mit dem Körper verbunden sind. Das gilt in einer ganzheitlichen Betrachtung des menschlichen Körpers sowohl für ersetzende Bestandteile (zB künstliche Gelenke, Organspende) als auch für unterstützende Implantate (zB wie der vorliegende Herzschrittmacher). Werden die Bestandteile jedoch vom Körper abgetrennt, werden sie zu selbstständigen Sachen, die regelmäßig automatisch in das Eigentum ihres bisherigen Trägers fallen (vgl. nur Kretschmer, in: Leipold/Tsambikakis/Zöller [Hrsg.], Anwaltskommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 242 Rn. 16). Zum Zahngold hat das OLG Hamburg (B. v. 19.12.2011 - AZ.: 2 Ws 123/11) ausgeführt: „die mit dem Leichnam fest verbundenen künstlichen Körperteile des Zahngoldes, die in Form und Funktion defekte Körperteile ersetzen, sog. Substitutiv-Implantate […], gehören zur Leiche und teilen während der Verbindung deren Schicksal […]. […] Als Folge der Einäscherung steht das Zahngold nicht mehr in fester Verbindung zu den menschlichen Rückständen und ist es folglich ab diesem Zeitpunkt eine bewegliche, eigentumsfähige Sache.“ Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Zahngold - anders als der Herzschrittmacher - zunächst herrenlos ist. Hintergrund ist, dass das Zahngold nicht im Eigentum des Verstorbenen steht, weswegen es nicht an die Erben übergehen kann. Das Zahngold erlangt nämlich erst mit der Trennung vom Körper damit erst deutlich nach dem Tode des Erblassers über Hauptsache Qualität. § 1922 Abs. 1 BGB stellt jedoch gerade auf den Zeitpunkt des Todes ab. OLG Hamburg: „ nach Einäscherung eines Leichnams ist kremiertes Zahngold eine herrenlose Sache. Den Hinterbliebenen bzw. den Erben steht daran ein vorrangiges Aneignungsrecht zu.“ Im vorliegenden Fall hat der Verstorbene den Herzschrittmacher gekauft und vollständig (mit der letzten Rate) bezahlt. Da es sich um eine wiederverwendbares Supportiv-Implantat handelt, konnte er daran Eigentum erwerben. Solche Zusatzimplantate gehen nach § 1922 BGB in das Eigentum der Erben über, wenn sie der Verstorbene zu Eigentum erworben hatte (vgl. Busch, in: MüKo StGB, 30. Aufl. 2019, § 242 Rn. 21).
iustus
25.7.2021, 22:37:48
Danke bzgl der Antwort. Ich meine mich an einen Fall zu erinnern, bei dem die Stadt München (?) das Zahngold benutzt hatte, um den Friedhof zu finanzieren. Nun weiss ich endlich auch, warum die das konnten, bzw. warum sie meinten das zu dürfen.
Jacob
8.11.2022, 08:53:18
Wieso haben die Erben hier ein Aneignungsrecht? Nach dem h.M. verliert der Herzschrittmacher seine Sachqualität und A kann § 958 BGB Eigentum erwerben.
Pilea
2.12.2022, 09:26:07
Ist das Aneignungsrecht der Erben irgendwie rechtlich geschützt?
Lukas_Mengestu
2.12.2022, 18:12:41
Hallo Pilea, diejenigen mit dem Aneignungsrecht (Erben bzw. nahe Angehörige) können zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. So steht ihnen zB ein
Herausgabeanspruchanalog § 985 BGB zustehen (vgl. LG Mainz Urt. v. 6.1.1984 – 7 O 170/83, BeckRS 1984, 04259) und das Aneignungsrecht ist als sonstiges Recht auch über § 823 Abs. 1 BGB geschützt (BeckOGK/Spindler, 1.11.2022, BGB § 823 Rn. 177). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Nickname
29.9.2023, 15:06:51
Wie kann die Sache denn herrenlos sein, wenn sie unter Eigentumsvorbehalt stand und die Raten nie vollständig abbezahlt wurden? Dann ist doch ganz allgemein und nach beiden Ansichten der Eigentümer P, da kein Eigentumsübergang auf O und damit ist die Sache auch nicht herrenlos. Sie hat dem O ja nie gehört und deshalb haben auch die Erben bei der ersten Ansicht und wohl h.M. kein Aneignungsrecht auf die Sache.
Leo Lee
1.10.2023, 11:52:32
Hallo Nickname, Es stimmt zwar völlig, dass es etwas komisch klingt, dass trotz Eigentumsvorbehalts auf einmal die Sache herrenlos sein soll. Beachte allerdings, dass sich die h.M. gerade dadurch auszeichnet, dass ungeachtet der Eigentumsverhältnisse Implantate schlechthin Teil der Person werden und mithin nicht mehr eigentumsfähig sind (weil ein menschlicher Körper nicht eigentumsfähig ist). Somit war das Pharmaunternehmen zwar Eigentümer, jedoch verlor es das Eigentum mit der Implementierung. Beachte noch, dass wir uns hier im Strafrecht befinden; im Zivilrecht würde das Pharmaunternehmen natürlich – vor allem vertraglich – noch Rechte haben :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
lexspecialia
12.7.2024, 15:07:08
Die Literatur differenziert ja bzgl. der Sachqualität von Implantate danach, ob es Substituiv- Implantate oder Supportiv-Implantate sind. Während beim letztern die Sachqualität nicht verloren geht, sofern wiederverwendbar, was ist dann bei dem Substitutiv Implantat? Verlieren eben diese ihre Sacheigenschaft und werden Teil des Körper? Hab das nicht so richtig herauslesen können. Danke im Voraus :)
David S.
17.7.2024, 13:10:50
Genau so verstehe ich das auch. Nach dem Teil der Literatur, welcher vertritt, dass zwischen Substitutiv-Implantaten und Supportive-Implantaten zu differenzieren ist, verlieren Substitutive-Implantate ihre Sacheigenschaft, sobald diese mit dem Körper verbunden wurden und aus diesem Grund sind diese ab diesem Zeitpunkt nicht (mehr) eigentumsfähig. Eigentumsfähigkeit entsteht erst wieder, wenn die feste Verbindung mit dem Körper gelöst wird. Strittig ist dann allerdings, wer das Eigentum an den vom Körper gelösten Substitutiv-Implantaten erwirbt.