Öffentliches Recht

VwGO

Verpflichtungsklage

Abgrenzung Verpflichtungsklage - Leistungsklage: Standardfall

Abgrenzung Verpflichtungsklage - Leistungsklage: Standardfall

16. Februar 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B muss ein Bußgeld zahlen. Beim Ausfüllen des Überweisungsträgers trägt er aus Versehen €100 statt €10 ein. Die zuständige Behörde weigert sich, B das Geld zurückzuerstatten. B lässt sich das nicht bieten und geht zum Verwaltungsgericht. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung Verpflichtungsklage - Leistungsklage: Standardfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage, wenn B den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO).

Ja, in der Tat!

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts (Versagungsklage) oder eines unterlassenen Verwaltungsakts (Untätigkeitsklage). Sie ist damit eine besondere Form der Leistungsklage. Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung (§ 35 S. 1 VwVfG).
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2. Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren.

Ja!

Zu prüfen ist, mit welcher Klageart der Kläger sein Vorhaben (= sein Klagebegehren) verfolgen will. Als verwaltungsgerichtliche Klagearten kommen in Betracht: (1) Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO), (2) Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO), (3) Feststellungsklage (§ 43 VwGO), (4) Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 S. 4 VwGO), (5) allgemeine Leistungsklage, (6) Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO). Daneben treten Anträge des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 Abs. 1, 47 Abs. 6 VwGO). Formulierungsbeispiel: „Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO).“

3. Die schlichte Rückzahlung des Geldes ist ein Verwaltungsakt (§ 35 S. 1 VwVfG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Verwaltungsakt ist eine (1) hoheitliche Maßnahme einer (2) Behörde auf dem (3) Gebiet des öffentlichen Rechts (4) zur Regelung (5) eines Einzelfalls (6) mit Außenwirkung (§ 35 S. 1 VwVfG). Die von B begehrte Rückzahlung des Geldes ist eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Es fehlt ihr jedoch an der Regelungswirkung, denn die Rückzahlung hat nicht die Begründung, Änderung oder Feststellung von Rechten und Pflichten zum Gegenstand. Die begehrte Rückzahlung des Geldes ist daher kein Verwaltungsakt, sondern rein tatsächliches Handeln (Realakt). An dieser Stelle ist es besonders wichtig, dass Du Gegenstand des Klagebegehrens sauber bestimmst. Denn wäre zunächst der Erlass eines Bescheids nötig, der die begehrte Auszahlung festsetzt, so wäre die Klage auf Erlass dieses Verwaltungsakts zu richten. Hier gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, sodass auf die schlichte Auszahlung abzustellen ist. Mehr zur Abgrenzung des Verwaltungsakts vom schlichten Realhandeln findest Du in unserem Kurs zum Verwaltungsrecht-AT .

4. Bs Klagebegehren betrifft nicht den Erlass eines Verwaltungsakts. Ist damit die Verpflichtungsklage statthaft?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist statthaft, wenn das Klagebegehren des Klägers gerichtet ist auf den Erlass eines abgelehnten Verwaltungsakts (Versagungsklage) oder eines unterlassenen Verwaltungsakts (Untätigkeitsklage). Die schlichte Auszahlung des Geldes ist ein reines Realhandeln. Mangels begehrtem Verwaltungsakt ist die Verpflichtungsklage nicht statthaft. Vielmehr ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. Diese schauen wir uns später im Detail an!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

frausummer

frausummer

19.2.2022, 11:13:38

Könnte man hier auch an einen öfftl-rechtl. Erstattungsanspruch denken? Einen Rechtsgrund für die Zahlung von eben 100€ gab es ja nicht.

VIC

Victor

19.2.2022, 20:21:45

Wurde ein Rückerstattungsanspruch überhaupt angesprochen? Ich hätte das aber auch als den klassischen Fall angesehen, da mM keine speziellere AGL greift. Ein Teil der Zahlung ist ja immerhin rechtmäßig.

Juraluchs

Juraluchs

1.9.2022, 13:44:28

Ja, aber dieser wird ja dann mit der allg.

Leistungsklage

geltend gemacht.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

12.12.2024, 12:46:52

Hier noch eine kleine Ergänzung dazu: @[frausummer](134011), Du hast Recht, hier ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Betracht kommt. Dies ist im Rahmen dieser Aufgabe allerdings nicht relevant, weswegen Victor mit der Beobachtung Recht hat, dass wir diesen Anspruch hier nicht erwähnen. In dieser Aufgabe geht es nur um die prozessuale Geltendmachung (irgend)eines Anspruchs auf Realhandeln der Behörde. I.R.d. statthaften Klageart kommt es erst einmal nur auf die Frage an, welches Handeln der Behörde gewollt ist (vgl. § 88 VwGO). Konkret wird in dieser Aufgabe die Weiche zwischen der

Verpflichtungsklage

und der allgemeinen

Leistungsklage

gestellt. Es kommt nur darauf an: Begehrt der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts oder ein Realhandeln? An dieser Stelle ist es nicht entscheidend, auf welche konkrete Anspruchsgrundlage der Kläger sein Begehren stützt. Dies wird erst im Rahmen der

Begründetheit

relevant und Du solltest es daher in der Regel auch erst dort ansprechen. So machst Du deutlich, dass Du den Unterschied zwischen eines materiellen Anspruchs und seiner prozessualen Geltendmachung kennst. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

HGWrepresent

HGWrepresent

26.10.2024, 18:31:38

Müsste die Behörde nicht eine Auszahlung verfügen?

LUC1502

luc1502

15.11.2024, 16:38:05

Hi @[HGWrepresent](149544), so wie ich es verstehe, geht es dem Kläger hier nur darum, die Auszahlung des Geldes zu erwirken (und die Auszahlung ist schlicht-

hoheitliches Handeln

); anders wäre es m.E., wenn die Behörde zuerst eine Leistung festsetzen muss, bevor sie die entsprechende Leistung dann auszahlen kann. Dann wäre die Festsetzung der Leistung ein VA iSd §35 S.1 VwVfG. Schoch/Schneider/Pietzcker/Marsch VwGO § 42 Abs. 1 Rn. 152 sieht in dem reinen Auszahlen von Geld auch nur ein schlicht-

hoheitliches Handeln

. Ich hoffe, das hilft dir weiter!


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