Zivilrecht

Sachenrecht

Sicherungsrechte an beweglichen Sachen

Steht dem Anwartschaftsberechtigten ein Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer bei Beschädigung der Sache zu?

Steht dem Anwartschaftsberechtigten ein Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer bei Beschädigung der Sache zu?

29. Mai 2025

12 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K erwirbt bei A am 07.03. eine Sonderanfertigung eines gebrauchten Cabrios (Wert: €20.000) zu einem Kaufpreis von €15.000 unter Eigentumsvorbehalt. Bis zur vollständigen Zahlung soll es bei A verbleiben. Am 18.03. kommt es durch As Fahrlässigkeit zu einem Unfall, bei dem das Cabrio vollständig zerstört wird. Am 01.04. bezahlt K die letzte Rate.

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Einordnung des Falls

Steht dem Anwartschaftsberechtigten ein Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer bei Beschädigung der Sache zu?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat am 07.03. ein Anwartschaftsrecht an dem Cabrio erworben.

Ja, in der Tat!

Ein Anwartschaftsrecht erwirbt, wer bei einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtsgeschäfts schon so viele Erfordernisse für den Erwerb erfüllt, dass die andere Partei den Rechtserwerb nicht mehr einseitig verhindern kann. Der typische Fall für die Entstehung eines Anwartschaftsrechts ist dabei der Erwerb unter Eigentumsvorbehalt.Bei der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts wird das Eigentum unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung übertragen. Es hängt also rein von K ab, wann sie den Kaufpreis bezahlt und Eigentum erwirbt.
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2. Kann K nach dem Untergang des Cabrios die Lieferung eines neuen Cabrios verlangen (§433 Abs. 1 BGB)?

Nein!

Der Verkäufer ist grundsätzlich verpflichtet, dem Käufer Eigentum und Besitz an der Kaufsache zu verschaffen. Diese Pflicht scheidet aus, wenn die Erfüllung unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB) ist.Bei einem Gebrauchtwagen liegt nach h.M. jedenfalls dann eine Stückschuld vor, wenn es dem Käufer erkennbar auf das individuelle Fahrzeug ankommt. A ist also nur verpflichtet, K Eigentum und Besitz an dem gebrauchten Cabrio zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Durch die Zerstörung des Cabrios ist eine Übereignung unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 BGB).

3. K kann stattdessen Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB verlangen.

Genau, so ist das!

Der Anspruch auf Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB setzt voraus: (1) Schuldverhältnis, (2) Leistungsbefreiung des Schuldners nach § 275 BGB (=Pflichtverletzung), (3) Verschulden der Unmöglichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs beim Kaufvertrag mit Übergabe der Sache auf den Käufer übergeht (§ 446 S. 1 BGB). Zufällig ist der Untergang aber nur dann, wenn er von keiner der beiden Parteien zu vertreten ist.A braucht den Kaufvertrag wegen Unmöglichkeit nicht mehr zu erfüllen und die Unmöglichkeit beruht auf seinem Verschulden. Es liegt damit kein „zufälliger“ Untergang i.S.v. § 446 S. 1 BGB vor.

4. Am 01.04. kann K zudem Schadensersatz nach § 160 Abs. 1 BGB verlangen.

Ja, in der Tat!

Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 160 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Anspruchsteller ist unter aufschiebender Bedingung berechtigt, (2) Beeinträchtigung bzw. Vereitelung des Rechtserwerbs durch andere Partei, (3) Verschulden, (4) Bedingungseintritt.K ist als Vorbehaltskäuferin unter einer aufschiebenden Bedingung berechtigt. Durch die vollständige Zerstörung des Cabrios kann K aber kein Eigentum mehr an dem Cabrio erwerben. Die Zerstörung beruht auch auf dem Verschulden der A. Am 01.04. tritt auch die Bedingung ein.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Johannes Nebe

Johannes Nebe

1.3.2023, 08:20:55

Der Eigentumsvorbehalt stellt doch eine dingliche Vereinbarung bei Übergabe dar. Auch das

Anwartschaftsrecht

entsteht erst mit Übergabe, also nicht bereits am 07.03. (Andernfalls wäre das

Anwartschaftsrecht

in dem früheren Fall mit dem Wohnmobil auch schon beim Kaufvertrag entstanden.) Die weiteren (

schuld

rechtlichen) Fragen dieses Falles würden sich auch stellen, wenn kein Eigentumsvorbehalt vereinbart worden wäre.

SH

Showstehler

30.8.2023, 19:17:31

So sehe ich das auch. Eine Entstehung des

Anwartschaftsrecht

s ohne Übergabe halte ich nicht für möglich.

JUS

Just4law

4.9.2023, 16:56:09

Vorliegend hat wohl eine

Übereignung

nach §§ 929,

930 BGB

(unter aufschiebender Bedingung gem. § 449 I BGB) stattgefunden. Hierfür ist keine Übergabe

erforderlich

. Da der Verkäufer die Kaufsache verwahren sollte, besteht in der Vereinbarung eines Verwahrungsvertrags (oder evtl. in der

Sicherungsabrede

) die Vereinbarung eines

Besitzmittlungsverhältnis

ses. Demnach entsteht das AWR bereits am 07.03.

ajboby90

ajboby90

2.12.2023, 18:45:44

Genau darüber bin ich auch gestolpert

Kind als Schaden

Kind als Schaden

24.6.2024, 17:01:04

Hier fehlt auf jeden Fall in der Lösung eine genauere Angabe zum Erwerbstatbestand. @[Just4law](201054) überzeugt mich bisher am meisten.

OI

Omnimodo facturus I

2.9.2024, 09:55:21

Habe mir genau das gleiche gedacht, allein nach der Definition "ein mehraktiger Erwerbsvorgang bei dem schon so viele Akte erfüllt sind, dass der Eigentumserwerb nicht mehr einseitig durch den Veräußerer vereitelt werden kann"- das geht ja nur, wenn die Übergabe schon erfolgt ist, ansonsten könnte ja der Verkäufer jederzeit den Erwerb vereiteln, indem er die Sache zB nicht herausgibt... ich bezweifle stark, dass hier ein AnwR entstanden ist; von einer

Übereignung

nach §§ 929,930 kann nicht einfach ausgegangen sein, weil dafür braucht man ein BMV was insbesondere Besitzmittlungswillen voraussetzt, finde ich ist hier nicht ersichtlich.

CR7

CR7

17.1.2025, 10:30:50

@[Sebastian Schmitt](263562)

BEN

benjaminmeister

26.2.2025, 16:06:57

@[

Omnimodo facturus

I](247769) aus "Bis zur vollständigen Zahlung soll es bei A verbleiben." kann man mMn. ein

Besitzmittlungsverhältnis

(Verwahrungsvertrag) schon ableiten. Ich vermisse aber auch Ausführungen zu § 930 im ersten Antworttext.

DIAA

Diaa

9.10.2023, 19:50:23

Also BGH schließt nicht die Möglichkeit einer Nach

erfüllung

im Falle von Gebrauchtwagen aus. Unter bestimmten Kriterien ist dies möglich.

Außenbereichsinsel

Außenbereichsinsel

30.1.2024, 14:53:16

Es geht hier aber nicht lediglich um einen Gebrauchtwagen, sondern ausdrücklich um eine Sonderanfertigunng, d.h. ein Unikat. In diesem Zusammenhang muss die Möglichkeit einer Nach

erfüllung

nach dem Parteiwillen regelmäßig ausgeschlossen sein, sofern nicht ausdrücklich etwtas anderes vereinbart wurde.

FER

Ferigan030

17.11.2024, 11:40:32

Ich fände es sinnvoll, den Sachverhalt hier so zu ergänzen oder klarzustellen, dass es zwischen Veräußerer und Erwerber auch zur Vereinbarung eines

Besitzmittlungsverhältnis

ses kam. Ansonsten erscheint es eher fernliegend, von einem

Anwartschaftsrecht

bei Eigentumsvorbehalt, aber fehlendem Besitzübergang auszugehen.

Kathi

Kathi

4.4.2025, 19:31:07

Oh danke! Ich hatte gerade einen Knoten im Kopf, aber jetzt ergibt es natürlich Sinn.


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