Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO)

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Allgemeine Leistungsklage (Regelungsanordnung)

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Allgemeine Leistungsklage (Regelungsanordnung)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Landwirtin L hat einen Subventionsbescheid von der Gemeinde G erhalten. Als die Zahlungen fällig werden, zahlt G nicht. L hat mit Blick auf die anstehenden Zahlungen einige Investitionen getätigt. Sie benötigt die Auszahlung daher dringend.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit § 123 VwGO: Allgemeine Leistungsklage (Regelungsanordnung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nachdem sich L erfolglos an die Behörde gewendet hat, klagt sie. Statthafte Rechtsschutzform in der Hauptsache ist die allgemeine Leistungsklage.

Genau, so ist das!

Die allgemeine Leistungsklage (vorausgesetzt in §§ 43 Abs. 2, 111, 113 Abs. 4, 169 Abs. 2, 170 VwGO) ist statthaft, wenn der Kläger schlichtes Verwaltungshandeln (= Leistungsvornahmeklage) oder Unterlassen (= allgemeine Unterlassungsklage) der Behörde begehrt. L begehrt die tatsächliche Auszahlung der Subvention durch die Behörde auf Grundlage des bereits erlassenen Subventionsbescheids. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage.
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2. In Betracht kommt zudem vorläufiger Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO.

Nein, das trifft nicht zu!

Begehrt der Kläger die vorläufige Sicherung seiner Rechte, muss der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO von der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO abgegrenzt werden. Gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ist zunächst zu prüfen, ob §§ 80, 80a VwGO einschlägig sind. Nur wenn dies nicht der Fall ist, kommt eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht. Ist in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft, kommt ein Antrag nach §§ 80, 80a VwGO in Betracht. In den restlichen Fällen ist § 123 Abs. 1 VwGO einschlägig. In der Hauptsache ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. Ein Antrag nach §§ 80, 80a VwGO kommt nicht in Betracht.

3. Neben der Leistungsklage in der Hauptsache kommt für L zur Sicherung ihrer Rechte ein Antrag auf Sicherung des bestehenden Zustands nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO in Betracht.

Nein!

Ist in der Hauptsache nicht die Anfechtungsklage statthaft, kommt im vorläufigen Rechtsschutz eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO in Betracht (§ 123 Abs. 5 VwGO). Diese kennt zwei Varianten: Die Sicherungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 1 VwGO) und die Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Sicherungsanordnung dient vor allem der Abwehr eines behördlichen Verhaltens. Begehrt der Kläger dagegen die Erweiterung seiner Rechtsposition, kommt die Regelungsanordnung in Betracht. L will erreichen, dass die G die Subventionen an sie auszahlt. In Betracht kommt ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO.

4. Eine vorläufige Regelung erscheint im Falle der L nötig, um wesentliche Nachteile von ihr abzuwenden.

Genau, so ist das!

Eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ergeht zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden, drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. L hat mit den Subventionen gerechnet und deswegen bereits Investitionen getätigt. Wenn L das Urteil in der Hauptsache abwarten müsste, könnte das zu ihrem finanziellen Ruin führen. Sie ist daher auf eine vorläufige Regelung der Streitfrage angewiesen. Statthaft ist ein Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO. Im Aufbau unterscheidest Du bei allen Fällen von § 123 Abs. 1 VwGO zwischen dem Anordnungsanspruch - das ist der materielle Anspruch, um den es in der Sache geht, hier der Zahlungsanspruch auf Grundlage des Bescheids - und dem Anordnungsgrund - das ist die besondere Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten des Rechtsschutzes in der Hauptsache ausschließt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BE

Bioshock Energy

26.6.2024, 10:14:13

Hallo, Meiner Meinung nach ist hier eher die Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO einschlägig, da der Leistungsanspruch bereits besteht und sogar fällig ist. Es wird daher keine Erweiterung des Rechtskreises begehrt, sondern die Erfüllung und somit die Sicherung eines bestehenden Anspruchs. Ich habe gelernt, dass bei bereits unstreitig bestehenden Zahlungsansprüchen die Sicherungsanordnung einschlägig ist. Falls ich komplett falsch liege und meine Ansicht unvertretbar ist, würde ich mich über Aufklärung und Argumente für die Regelungsanordnung freuen. Liebe Grüße

PP2

Pp2

14.7.2024, 12:17:03

Meiner Meinung nach ist die Sicherungsanordnung bei Zahlungsansprüchen dann einschlägig, wenn dieser Gefahr läuft vereitelt zu werden. Als Rechtsfolge kann aber nicht die Auszahlung verlangt werden. Daher die Regelungsanordnung (bei dann ausnahmsweiser Vorwegnahme der Hauptsache)

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

12.8.2024, 15:55:01

Hallo ihr zwei. Danke für Eure Hinweise. Tatsächlich kommt es hier ganz auf das konkrete Rechtsschutzbegehren an. Liegt der Grund für einen Antrag nach § 123 Abs.1 VwGO darin, dass der Inhaber des Zahlungsanspruchs befürchtet, dieser würde vereitelt werden, so kommt in der Tat die Sicherungsanordnung in Betracht. Sie ist quasi das öffentlich-rechtliche Gegenstück zum Arrest (§§ 916ff. ZPO). Diese Falllkonstellation ist aber – zumindest für die Prüfungssituation – eher irrelevant. Denn wegen der allgemeinen Leistungsfähigkeit des Staates wird die Begründetheit des Anspruchs i.d.R. an dem glaubhaft zu machenden Anordnungsgrund scheitern. Anders als im Zivilrecht besteht hier nämlich grundsätzlich nicht die Gefahr, dass die

Geld

forderung des Bürgers vereitelt wird, weil der Staat zeitnah zahlungsunfähig wird. Siehe hierzu auch: Schoch/Schneider/Schoch, VwGO, 45. EL Januar 2024, § 123 Rn. 55. Das Rechtsschutzbegehren in dem hier abgebildeten Fall liegt dagegen darin, dass die Anspruchsinhaberin auf eine zeitnahe Erfüllung des Zahlungsanspruchs angewiesen ist. Der Anordnungsgrund liegt damit nicht in einer befürchteten Vereitelung des Zahlungsanspruchs, sondern in einem befürchteten finanziellen Ruin der Anspruchsinhaberin. Dies kann nur dadurch vermieden werden, dass sie das

Geld

tatsächlich (vorläufig) erhält. Dafür ist eine Regelungsanordnung (§ 123 Abs. 1 S. 2 VwGO) notwendig. Die einstweilige Sicherung des Anspruchs würde nämlich gerade nicht dazu führen, dass L das

Geld

tatsächlich erhält und würde ihr also in dieser Situation nicht weiterhelfen. Ein ähnliches Beispiel aus der Praxis ist die einstweilige Gewährung von Ausbildungsförderung. Siehe hierzu auch: Schoch/Schneider/Schoch, VwGO, 45. EL Januar 2024, § 123 Rn. 57. In solchen Fällen ist dann noch zu prüfen, ob die Vorwegnahme der Hauptsache durch die Auszahlung des

Geld

es ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Das kann dann angenommen werden, wenn ansonsten irreparable Schäden eintreten würden. Ein glaubhaft gemachter finanzieller Ruin wird hierfür wohl genügen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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