Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Die Rechtsverordnung

Einführungsfall: Erlass einer Rechtsverordnung

Einführungsfall: Erlass einer Rechtsverordnung

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist Ausbilderin von Assistenzhunden zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Sie bekommt mit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den Minister eine Rechtsverordnung zum Inhalt der Ausbildung erlassen will. Sie fragt sich, wieso ein Minister sowas kann.

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Einordnung des Falls

Einführungsfall: Erlass einer Rechtsverordnung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist Teil der gesetzgebenden Gewalt.

Nein!

Die Gewaltenteilung ist als tragender Grundsatz der Demokratie in der Verfassung verankert (Art. 20 Abs. 2 GG). Danach ist die staatliche Gewalt in drei Gewalten aufgeteilt: Die legislative (gesetzgebende), die exekutive (vollziehende) und die judikative (Recht sprechende) Gewalt. Die drei Gewalten sollen sich gegenseitig kontrollieren und staatliche Macht begrenzen. Verwaltungsbehörden sind Teil der exekutiven Gewalt (= Exekutive). Die Bundesministerien gehören zur Exekutive des Bundes. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist als oberste Bundesbehörde kein Teil der Legislative, sondern Teil der Exekutive. Die Bundesgesetzgebung erfolgt durch den Deutschen Bundestag. Die Landesgesetze werden von den jeweiligen Landesparlamenten erlassen.
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2. Der Minister kann dennoch formelle Gesetze erlassen, wenn der Bundestag diesen dazu ermächtigt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gesetze im formellen Sinn sind alle und nur solche Gesetze, die durch das Gesetzgebungsverfahren, das die Verfassung vorschreibt, vom Parlament - dem Bundestag oder einem Landesparlament - verabschiedet werden. Die Verfassung enthält keine Möglichkeit, die Exekutive zum Erlass von formellen Gesetzen zu ermächtigen. Es gibt keine Möglichkeit, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch den Minister formelle Gesetze erlassen könnte.

3. Die Exekutive kann aber Rechtsnormen unterhalb des Ranges eines formellen Gesetzes erlassen, wenn sie dazu durch ein formelles Gesetz ermächtigt ist.

Ja, in der Tat!

Die Verfassungsordnung des GG geht davon aus, dass es aus Effektivitätsgründen sinnvoll sein kann, dass auch die Exekutive abstrakt-generelle Rechtsnormen erlässt. Handlungsform ist die Rechtsverordnung (= materielles Gesetz). Die Rechtsverordnung wird nicht vom Bundestag als Gesetzgeber, sondern von der Exekutive, also der Bundesregierung, einer Landesregierung, einer Bundesbehörde, oder einer Landesbehörde erlassen. Weil dies eine Durchbrechung des Gewaltenteilungsgrundsatz bedeutet, können Rechtsverordnungen nur erlassen werden, wenn die Exekutive hierzu durch den parlamentarischen Gesetzgeber ermächtigt wird (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG). Der Bundesminister für Arbeit und Soziales - eine Bundesbehörde - kann eine Rechtsverordnung erlassen, wenn er hierzu durch ein formelles Gesetz ermächtigt ist. Ein Vorteil von Rechtsverordnungen ist darin zu sehen, dass sie flexibler sind als formelle Gesetze, weil sie schneller erlassen und geändert werden können. Außerdem werden in Rechtsverordnungen oft viele Detailregelungen für ganz spezifische Bereiche getroffen, die ein formelles Gesetz überfrachten würden.

4. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist nach § 12l Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) dazu ermächtigt, näheres zur Ausbildung der Assistenzhunde durch eine Verordnung zu regeln.

Ja!

Der Erlass von Rechtsverordnungen wird verfassungsrechtlich in Art. 80 GG sowie Art. 82 GG geregelt. Insbesondere ist eine Rechtsverordnung nur rechtmäßig, wenn die Exekutive zum Erlass durch ein formelles Gesetz ermächtigt wird (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG). Das gewährleistet die Rückbindung der durch die Exekutive erlassenen Rechtsnorm an den demokratisch legitimierten Gesetzgeber. Ohne diese Rückbindung wäre der Erlass von Rechtsnormen durch die Exekutive unvereinbar mit dem Gewaltenteilungs- und Demokratieprinzip. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist durch § 12l Nr. 4 BGG (= formelles Gesetz) dazu ermächtigt, nähere Regelungen zum Inhalt der Ausbildung von Assistenzhunden zu treffen. § 12l BGG ist eine Verordnungsermächtigung im Sinne von Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

2.1.2023, 12:31:29

Wenn in der Fragestellung ein Link zum BGG sein soll, dann funktioniert dieser nicht. Ist etwas blöd wenn man nicht weiß was drin steht. Wäre super wenn das in irgendeiner Form ergänzt werden könnte Lg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.1.2023, 16:13:14

Lieben Dank für den Hinweis, Blotgrim! Das haben wir korrigiert :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JALUD

Jan Ludwig

8.9.2024, 13:42:52

Im Zweifel kann man die Norm aber sonst auch bei Google suchen! Musst du sonst ja auch machen, wenn du außerhalb von Jurafuchs lernst :D

Philipp M.

Philipp M.

13.11.2024, 23:03:38

Das Einvernehmen des BM für Ernährung und Landwirtschaft wird vermutet und das der Bundesrat nicht involviert werden muss ist hier mangels Ersichtlichkeit nicht zu prüfen? Das sind immerhin Grundvoraussetzungen unmittelbar aus § 12l BGG um die Rechtsnorm erlassen zu können.


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