Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Die Rechtsverordnung
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG)
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG)
7. Juli 2025
10 Kommentare
4,8 ★ (20.720 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die bayerische Landesregierung erlässt im Sommer 2021 eine Verordnung zum Corona-Infektionsschutz, wonach sich - trotz stark gesunkener Infektionszahlen - nur zwei Haushalte gleichzeitig treffen dürfen. L zweifelt an, dass die Verordnung aufgrund einer hinreichend bestimmten Verordnungsermächtigung ergangen ist.
Diesen Fall lösen 87,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ls Bedenken betreffen die Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung.
Genau, so ist das!
2. Die Verordnung beruht auf der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG i.V.m. §§ 28, 28a IfSG. Diese müsste rechtmäßig sein.
Ja, in der Tat!
3. Ist die Verordnungsermächtigung formell rechtswidrig?
Nein!
4. Die Verordnungsermächtigung müsste in materieller Hinsicht vor allem den Vorgaben aus Art. 80 Abs. 1 GG genügen.
Genau, so ist das!
5. Die § 32 IfSG i.V.m. §§ 28, 28a Abs. 1 Nr. 4 IfSG genügen den Anforderungen an den Bestimmtheitsgrundsatz und sind auch im Übrigen materiell verfassungskonform. Die Verordnungsermächtigung ist rechtmäßig.
Ja, in der Tat!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
InDubioProsecco
15.5.2023, 16:14:56
Zu diesem Thema habe ich mich immer gefragt: Liegt hier nicht ein evidenter Verstoß gegen den Wesentlich-/Parlamentsvorbehalt vor? Mag ja sein, dass den formellen Anforderungen und auch den materiellen Anforderungen von Art. 80 GG genügt ist. Trotzdem wird der Exekutive die Regelung von für die Grundrechtsausübung wesentlichen Fragen überlassen; darüber hinaus sind überragend wichtige Grundrechte betroffen. M. E sollte die Verordnungsermächtigung daher wegen eines Verstoßes gegen das Demokratieprinzip materiell verfassungswidrig sein.

lennart20
29.5.2023, 18:28:30
Gute Überlegung

CR7
11.8.2024, 16:51:23
Das war ja das, was die FDP, insbesondere Lindner immer in den Regierungserklärungen gemeint haben, nämlich, dass diese Entscheidungen (die aufgrund der Verordnungsermächtigung getroffen wurden) wieder ins Parlament gehören würden.

Lexpecto Patronum
29.5.2025, 17:48:51
@[InDubioProsecco](1641) Dieser Kritikpunkt wird in Teilen der Literatur vertreten. Es wird kritisiert, dass die
Generalklauseldes § 28 I IfSG zu weit gefasst sei und zu tiefgreifende Grundrechtseingriffe ermögliche, die der Gesetzgeber in Form von formellen Gesetzen selbst zu klären habe. Das OVG Münster sagt dazu: Selbst wenn dies zutrifft, ergäbe sich daraus „derzeit“ nicht die Unanwendbarkeit der VO. Es sei anerkannt, dass es bei unvorhergesehenen Entwicklungen aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls geboten sein kann, gravierende Regelungslücken für einen Übergangszeitraum auf der Grundlage von
Generalklauseln zu schließen und damit auch eingriffsintensive Maßnahmen, die an sich einer besonderen Regelung bedürfen, vorübergehend zu ermöglichen. Ich würde also mit der besonderen
Gefahrenlagein derartigen Extremsituationen argumentieren und darauf hinweise, dass die Exekutiv schneller und effizienter auf dynamische
Gefahren reagieren kann (auch im Sinne eines dynamischen Grundrechtsschutzes) und auch örtliche Besonderheiten (besonders relevant in Pandemien) besser einbeziehen kann.

Johannes Nebe
5.9.2023, 10:19:24
Ihr erwähnt hier das Zitiergebot gem. Art. 19 I 2 GG zur Nennung der Grundrechtseinschränkung. Didaktisch wäre es vielleicht sinnvoll, auch (oder zur Abgrenzung) auf das andere Zitiergebot gem. Art. 80 I 3 GG hinzuweisen.

Sassun
29.10.2024, 11:07:27
Inwiefern sind die Landesverfassungen in die Prüfung einzubauen? Am Beispiel von Art. 107 Hessische Verfassung, wäre ich von einer Zuständigkeitsregelung im Rahmen der formellen RMK ausgegangen.

Sebastian Schmitt
25.11.2024, 17:28:59
Hallo @[Sassun](247789), das ist natürlich eine sehr allgemein gehaltene Frage. Nach unserer Fragestellung kommt es darauf ohnehin nicht an, weil die Verordnungsermächtigung aus dem IfSG als Bundesgesetz folgt und wir dementsprechend insoweit nur auf die Bundesebene schauen. Auf Normen wie Art 107 Verf Hessen kann in landesrechtlichen Fällen aber selbstverständlich einmal näher einzugehen sein. BeckOK-Verfassung Hessen/Pauly, 2. Ed, Stand 15.10.2024, Art 107 Rn 5 hält die praktische Bedeutung der Norm allerdings für gering, weil die entsprechenden Landesgesetze oft schon eine spezielle Verordnungsermächtigung enthalten, sofern das für erforderlich gehalten wird. Weil Klausurfälle häufig auf Fällen aus der Praxis beruhen, dürfte sich das auch in der Klausurpraxis widerspiegeln. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team