Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Die Rechtsverordnung
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG) nicht erfüllt
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG) nicht erfüllt
13. Juli 2025
3 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der Bundestag beschließt ein Gesetz zur Energiewende, wonach Deutschland aus der Kohleförderung aussteigen soll. Das Gesetz ermächtigt den Bundeswirtschaftsminister, eine Verordnung zum Ausstieg zu einem von ihm für richtig gehaltenen Zeitpunkt zu erlassen. Das Gesetz regelt, dass durch die Verordnung Rechte aus Art. 12 und 14 GG eingeschränkt werden dürfen.
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Einordnung des Falls
Fall 2: Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage (Art. 80 GG) nicht erfüllt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Bundeswirtschaftsminister kann aufgrund des Gesetzes nur eine rechtmäßige Verordnung erlassen, wenn das Ermächtigungsgesetz selbst rechtmäßig ist.
Ja!
2. Ist ein formeller Fehler des Ermächtigungsgesetzes erkennbar?
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Die Verordnungsermächtigung müsste in materieller Hinsicht vor allem den Vorgaben aus Art. 80 Abs. 1 GG genügen.
Ja, in der Tat!
4. Der Bundesminister erhält hier die Entscheidungsmacht darüber, ob und wann ein Braunkohleausstieg erfolgt. Ist das Ausmaß der Ermächtigung hinreichend bestimmt?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sniter
17.6.2023, 09:51:20
Hi, ihr schreibt dass das
Ermessenzulässig ist, wenn es sich darauf bezieht, ob der Verordnungsgeber von der Ermächtigung Gebrauch macht.
Ermessensei unzulässig, wenn es so weit geht, dass der Verordnungsgeber darüber entscheidet, ob das Gesetz überhaupt zur Anwendung kommt. Ich frage mich, wo der Unterschied liegt? Wenn der VO-Geber die Möglichkeit des Gebrauchmachens entscheiden darf, dann folgt daraus doch automatisch, dass er auch bestimmt, ob die VO überhaupt zur Anwendung kommt? Oder hab ich gerade einen Denkfehler... Danke und BG
Lt. Maverick
16.4.2025, 15:02:00
Die Verordnungsermächtigung ist nur eine gesetzliche Grundlage zum
Erlass von Rechtsverordnungen. Diese ist nicht verpflichtend, sondern berechtigt lediglich. Demnach kann der Verordnungsgeber nach
Ermessenentscheiden, ob er hiervon überhaupt Gebrauch macht. Regelmäßig nur dann, wenn Regelungsbedarf besteht. Die Verordnungsermächtigung darf aber nicht so ausgestaltet sein, dass das ganze Gesetz mit einer Rechtsverordnung steht und fällt. So im vorliegenden Fall: Das Gesetz zum Ausstieg aus der Kohleförderung enthält eine Verordnungsermächtigung, wonach mittels Rechtsverordnung der Bundeswirtschaftsminister den Zeitpunkt des Ausstiegs festlegen kann. Der gesamte Anwendungsbereich des Gesetzes zum Ausstieg aus der Kohleförderung hängt somit vom
Ermessendes Bundeswirtschaftsministers ab, er entscheidet also faktisch mittels Rechtsverordnung ob das Gesetz zur Anwendung kommt. Es geht also nicht darum, ob die Verordnung zur Anwendung kommt, denn das liegt wirklich im
Ermessendes Verordnungsgebers, sondern ob das Gesetz, dem die Verordnungsermächtigung angehört, überhaupt zur Anwendung kommt. Ohne Rechtsverordnung des Bundeswirtschaftsminister, kein Ausstieg. Ohne Ausstieg, keine Anwendung des Gesetzes. Die Rechtsverordnung würde sozusagen den Anwendungsbereich des Gesetzes „ausfüllen“.
denipe
24.4.2025, 17:57:00
Nur ein kleiner Hinweis in Bezug auf teilweise ungenaue Begrifflichkeiten, die hier teils verwendet werden und auf die einige Prüfende allergisch reagieren: „
Verfassungsmäßigkeit“ ist der passende Begriff bei der Prüfung formeller (Bundes-)Gesetze, weil sie grds. nur an der Verfassung gemessen werden (oder an Europarecht, dann Europarechtskonformität oder ähnliches). „Rechtmäßigkeit“ ist der passende Begriff bei der Prüfung aller nachrangigen Normen und Akte, weil sie, je nachdem auf welchem Normenhierarchierang wir uns befinden, meist an formellen/materiellen Gesetzen und nicht direkt an der Verfassung gemessen werden. Bsp. Rechtsverordnung, Verwaltungsakt oder auch eine Satzung. Ja, sehr pingelig aber gerne in mündlichen Prüfungen abgefragt (bei mir im ersten Examen die Normenhierarchie+Fachbegrifflichkeiten rauf und runter 🙃.