Fall: Rechtsreferendare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rechtsreferendarin A verbringt ihre Wahlstation in einer Kanzlei in Paris. Aufgrund der höheren Lebenskosten beantragt sie einen sog. Kaufkraftausgleich. In Euro-Ländern wird der Kaufkraftausgleich nicht mehr gewährt, damit mehr Referendare Stationen in Deutschland absolvieren.

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Einordnung des Falls

Fall: Rechtsreferendare

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der sachliche, persönliche und räumliche Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind eröffnet.

Ja!

Arbeitnehmer i.S.d. Art. 45 AEUV ist jeder Unionsbürger, der während einer bestimmten Zeit weisungsgebunden Leistungen von einem wirtschaftlichen Wert für einen anderen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Der Anwendungsbereich des Art. 45 AEUV setzt zudem einen grenzüberschreitenden Bezug voraus. Als Rechtsreferendarin ist A weisungsgebunden. Auch wenn ihre Leistungen einem Ausbildungsverhältnis zuzuordnen sind, erbringt sie in der Kanzlei Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert, für die sie vergütet wird. A ist Unionsbürgerin und der grenzüberschreitende Bezug ist gegeben. Der Anwendungsbereich ist damit eröffnet.
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2. Der Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit setzt weiterhin voraus, dass keine Bereichsausnahme vorliegt.

Genau, so ist das!

Art. 45 Abs. 4 AEUV regelt, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht auf Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung anwendbar ist. Damit ist eine Bereichsausnahme für den Bereich der öffentliche Verwaltung vorgesehen.Hintergrund dieser Regelung ist, dass sich die Mitgliedstaaten für bestimmte Tätigkeiten, die in engem Zusammenhang mit der Ausübung von Hoheitsgewalt stehen, durch die Beschäftigung eigener Staatsbürger eine größere Loyalität erhoffen.

3. Der Begriff der öffentlichen Verwaltung ist grundsätzlich weit auszulegen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Tätigkeit ist dann als Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung i.S.d. Art. 45 Abs. 4 AEUV anzusehen, wenn sie mittelbar oder unmittelbar mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbunden ist und der Wahrung der Allgemeininteressen des Staates dient.Der EuGH legt den Begriff der öffentlichen Verwaltung unionsrechtsautonom und als Ausnahme von der Arbeitnehmerfreizügigkeit grundsätzlich eng aus.Es ist empfehlenswert in der Klausur zu erläutern, ob ein Begriff eng oder weit ausgelegt wird, um darauf in der Subsumtion Bezug nehmen zu können.

4. A befindet sich als Rechtsreferendarin in einem Ausbildungsverhältnis mit dem Land. Ihre Tätigkeit ist daher der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen.

Nein!

A ist als Rechtsreferendarin zwar dem Land als Hoheitsträger unterstellt. Ihre Tätigkeit fällt allerdings nicht schon deshalb in den Kernbereich der Ausübung von Hoheitsgewalt, weil ihr Ausbildungsvertrag öffentlich-rechtlicher Natur ist. Vielmehr ist die Staatsangehörigkeit bei der Begründung des Ausbildungsverhältnisses ohne Belang. Eine Beschäftigung ist also nicht schon deshalb der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen, weil ein Arbeitsverhältnis mit dem Bund oder Land besteht.

5. Der Beruf des Richters und des Staatsanwalts fällt unter die Bereichsausnahme der öffentlichen Verwaltung.

Genau, so ist das!

Eine Tätigkeit ist dann als Tätigkeit in der öffentlichen Verwaltung i.S.d. Art. 45 Abs. 4 AEUV anzusehen, wenn sie mittelbar oder unmittelbar mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbunden ist und der Wahrung der Allgemeininteressen des Staates dient. Die Tätigkeit von Richtern und Staatsanwälten ist unmittelbar mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbunden und dient der Wahrung der Allgemeininteressen des Staates. Für Richter und Staatsanwälte ist die Bereichsausnahme daher einschlägig.

6. A nimmt als Referendarin Aufgaben wahr, die in den Aufgabenbereich von Richtern und Staatsanwälten fallen. Da diese Tätigkeiten in den Kernbereich öffentlicher Verwaltung fallen, gilt die Bereichsausnahme auch für Referendare.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar nimmt A im Referendariat auch Aufgaben wahr, die in den Tätigkeitsbereich von Richtern und Staatsanwälten fallen. Jedoch unterliegt sie dabei den Weisungen der ausbildenden Richter , weshalb ihre Tätigkeit nicht unmittelbar mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbunden ist. Darüber hinaus ist das Referendariat nicht nur Voraussetzung für die Berufe des Richters und des Staatsanwaltes, sondern auch für Berufe, bei denen es auf die Staatsangehörigkeit nicht ankommt.Referendare unterfallen daher nicht der Bereichsausnahme der öffentlichen Verwaltung. Denkt daran: Der Begriff der öffentlichen Verwaltung wird eng ausgelegt!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

14.7.2023, 18:01:20

Ist es irgendwie von Belang, dass der A für eine privatrechtliche Kanzlei arbeitet?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

16.7.2023, 15:45:53

Hallo Sniter, nein es macht keinen Unterschied. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Dogu

Dogu

18.5.2024, 09:47:36

Dieses Kriterium überzeugt nicht. Sowohl Staatsanwälte als auch Polizisten oder andere Beamte der

Eingriffsverwaltung

handeln weisungsgebunden.

L.G

L.Goldstyn

29.8.2024, 18:03:28

In der Subsumtion zu Frage 4 und 6 findet sich der Hinweis, dass es auf die Staatsangehörigkeit nicht ankommt. Was ist damit gemeint?

LELEE

Leo Lee

1.9.2024, 17:33:55

Hallo L.Goldstyn, vielen Dank für die sehr gute Frage! Die Subsumtionen bzgl. der Unerheblichkeit der Staatsangehörigkeit ist gewissermaßen eine Weiterführung der Subsumtion für Frage 2, in der festgestellt wird, dass einer der Gründe für die Ausnahme für die öff. Verwaltung die Hoffnung der Staaten auf "loyale" Beschäftigte (Beamte) sind. Dies ist insofern für den Fall wichtig, als Referendare gerade NICHT nach Staatsangehörigkeit sortiert werden (Richter und Staatsanwälte hingegen schon), weshalb die Referendare nicht von dieser Bereichsausnahme (wo es eben auch auf die Staatsangehörigkeit ankommt) erfasst werden :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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