Öffentliches Recht

Europarecht

Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV

Verpflichtung intermediärer Gewalten zur Wahrung der Grundfreiheiten („Walrave“)

Verpflichtung intermediärer Gewalten zur Wahrung der Grundfreiheiten („Walrave“)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

F ist Französin und bei Radrennen auf Motorrädern als Schrittmacher für Radrennfahrer tätig und erhält dafür ein Entgelt. Die Vereinssatzung sieht vor, dass bei Weltmeisterschaften der Schrittmacher und Rennfahrer derselben Nationalität angehören müssen. F beruft sich auf Art. 45 AEUV.

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Einordnung des Falls

Verpflichtung intermediärer Gewalten zur Wahrung der Grundfreiheiten („Walrave“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 45 AEUV setzt zunächst voraus, dass F als Berufssportlerin Arbeitnehmerin ist.

Genau, so ist das!

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist Arbeitnehmer jeder, der während einer bestimmten Zeit weisungsgebunden Leistungen von einem wirtschaftlichen Wert für einen anderen erbringt und dafür als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Damit können auch Berufssportler Arbeitnehmer sein, sofern die Ausübung des Sports Bedeutung für das Wirtschaftsleben hat. Dies ist bei Berufssportlern grundsätzlich der Fall. F ist Berufssportlerin und enthält für ihre Tätigkeit bei den Sportrennen eine Vergütung. Damit ist sie als Arbeitnehmerin anzusehen. Eine Ausnahme gilt bei Spielen von Nationalmannschaften, bei denen der Sport nicht als Teil des Wirtschaftsleben betrachtet wird.
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2. Art. 45 AEUV verpflichtet in erster Linie die Mitgliedstaaten.

Ja, in der Tat!

Die Grundfreiheiten als transnationale Integrationsnormen verpflichten in erster Linie die Mitgliedstaaten gemäß Art. 52 EUV und ihre Institutionen und Körperschaften. Bei den Grundfreiheiten handelt es sich um unmittelbar anwendbares Primärrecht, sodass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Grundfreiheiten zu gewährleisten.

3. Das in Art. 45 Abs. 2 AEUV festgeschriebene Diskriminierungsgebot richtet sich ausdrücklich nur an die Mitgliedstaaten. Private kommen als Adressaten daher nicht in Betracht.

Nein!

Das Diskriminierungsverbot in Art. 45 Abs. 2 AEUV ist insoweit allgemein formuliert und richtet sich nicht speziell an die Mitgliedstaaten. Der Wortlaut der Norm lässt also offen, ob aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch eine Verpflichtung für Private resultieren kann.

4. Die Gewährleistung der einheitliche Anwendung des Unionsrechts spricht dafür, auch private Verbände als Verpflichtete der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu sehen.

Genau, so ist das!

Die Arbeitsbedingungen werden in den Mitgliedstaaten durch Gesetze und Verordnungen, aber auch durch Verträge und Rechtsetzungsakte von Privatpersonen bestimmt. Eine Beschränkung des Diskriminierungsverbot nur auf staatliche Maßnahmen würde daher zu Ungleichheiten in der Anwendung des Unionsrechts führen.

5. Unter bestimmten Umständen erkennt der EuGH daher auch private Akteure als Verpflichtete der Arbeitnehmerfreizügigkeit an.

Ja, in der Tat!

Private Akteure könne Adressaten der Arbeitnehmerfreizügigkeit sein, wenn sie über staatsähnliche Rechtsetzungsmacht verfügen und kollektive Maßnahmen im Arbeitsbereich treffen (sog. „intermediäre Gewalten“). Hintergrund ist, dass die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern gefährdet wäre, wenn zwar staatliche Schranken beseitigt werden, privatrechtliche Vereinigungen solche Beschränkungen jedoch weiterhin errichten können [effet-utile-Argument]. Der EuGH erkennt insoweit eine unmittelbare Drittwirkung des Diskriminierungs- und Beschränkungsverbots aus Art. 45 AEUV an.
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