Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Subjektiver Tatbestand

Strafrecht AT | Vorsatz | Sachgedankliches Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen (Körperverletzung im Amt, § 340 Abs. 1 StGB)

Strafrecht AT | Vorsatz | Sachgedankliches Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen (Körperverletzung im Amt, § 340 Abs. 1 StGB)

13. Februar 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B ist Bediensteter der Ordnungsbehörde. Er schlägt im Dienst den O. Die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) räumt B ein. Da er im Tatzeitpunkt nicht daran gedacht hätte, im Dienst gewesen zu sein, habe ihm für die Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) der Vorsatz gefehlt.

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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hatte Vorsatz bzgl. einer Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB).

Ja!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Zum Vorsatzwissen ist kein die Tathandlung ständig begleitendes „Daran-Denken“ im Sinne eines voll reflektierten Bewusstseins erforderlich. Es genügt, dass der Täter das Wissen jederzeit aus dem Stand reproduzieren kann (sachgedankliches Mitbewusstsein).B war ständig bewusst, dass er als Amtsträger in Ausübung seines Dienstes handelt (sachgedankliches Mitbewusstsein). Dass er im konkreten Augenblick nicht daran dachte (voll reflektiertes Bewusstsein), spielt keine Rolle.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EL

Elisabeth

3.11.2020, 19:32:40

Hi, ich habe folgende - allein theoretische- Frage.

Sachgedankliches Mitbewusstsein

ist in meinem Verständnis das Niveau nach welcher Intensität der Täter Kenntnis um alle

Tatumstände

haben muss. Sofern richtig? Macht es in Bezug auf das sachgedankliche Mitbewusstsein dann einen Unterschied ob es Kenntnis über ein deskriptives oder

normatives Tatbestandsmerkmal

(wie z.b. Amsträger) ist ? Eigentlich macht es gerade keinen Unterschied, oder?

JURA

Juranus

4.12.2020, 18:40:11

Hi, das sachgedankliche Mitbewusstsein bestimmt eher das „ob“ des

Vorsatz

es bzgl. eines bestimmten

Tatumstand

es. Am Beispiel mit dem Polizisten: Er denkt nicht die ganze Zeit „Ich habe eine Waffe dabei“, kann sich diese

Tatsache

aber jederzeit wieder vergegenwärtigen (sie potenziell also auch einsetzen). Er hat also sach. Mitbew. Hingegen hat jemand, der seit 3 Jahren ein Taschenmesser im Rucksack hat und das komplett vergessen hat, kein sachg. Mitb. weil er sich diesen Umstand nicht vergegenwärtigen kann.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.10.2021, 15:57:11

Hallo Elisabeth, wie Juranus schon ausgeführt hat, spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein in erster Linie für die Frage eine Rolle, ob der

Vorsatz

bejaht werden kann. Insoweit macht es dabei auch keinen Unterschied, ob es sich um ein deskriptives Merkmal (zB die Waffe) oder ein

normativ

es Merkmal (Amtsträger) handelt (vgl. Joecks/Kulhanek, in: MüKo-StrGB, 4.A. 2020, § 16 RdNr. 79; Sternberg-Lieben/Schuster, in: SchSch-StGB, 30.A.2019, § 15 RdNr. 52). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

B.H.

B.H.

15.9.2024, 12:36:34

Wo liegt der Unterschied zwischen dem „paraten Wissen“ in der Aufgabe zuvor (Polizist denkt nicht an die Waffe im Holster) und zum hier gelagerten Fall des „sachgedanklichen Mitbewusstseins“?

LS2024

LS2024

20.10.2024, 09:43:33

Was ist der Unterschied zwischen sachgedanklichem Mitbewusstsein und paratem Wissen? Oder liegt bei paratem Wissen

sachgedankliches Mitbewusstsein

vor?

Kai

Kai

25.10.2024, 11:17:42

Diese Frage hatte ich mir auch gestellt. In diesem Fall und dem Fall mit dem Polizisten, der Müsliriegel klaut, ist die Fallkonstellation und der Erklärungstext aber im Grunde identisch, lediglich in Klammern steht einmal "parates Wissen" und einmal "

sachgedankliches Mitbewusstsein

". Ich glaube, dass die Begriffe synonym zu verwenden sind. So verstehe ich auch Kudlich, in: BeckOK StGB, § 15, Rn. 15 ff., der das sachgedankliche Mitbewusstsein unter Bezug auf Fischer als „Parathaben unterhalb der aktuellen Bewusstseinsschwelle“ beschreibt und den Begriff in Rn. 15.1 auch auf einen Fall anwendet, wo es darum geht, dass der Täter sich des Mitführens einer Waffe nicht bewusst ist (wie es hier im Fall mit dem Polizisten ist, wo der Begriff parates Wissen genutzt wird).

LS2024

LS2024

27.10.2024, 10:27:10

Super, danke Dir @[Kai](223579)

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

28.10.2024, 08:46:44

Hallo @[LS2024](144077), @Kai hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet, die beiden Begriffe werden üblicherweise synonym verwendet. Leider ist die Terminologie hier nicht besonders einheitlich, manche sprechen auch von "Bewusstsein am Rande" oder "tatbegleitendem Mitbewusstsein" (zitiert nach MüKoStGB/Kulhanek, 5. Auflage 2024, § 16 Rn 88 mwN). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

WAYA

WayanMajere

10.1.2025, 13:21:44

Ist vermutlich fürs Erlernen egal, gerade wenn man den subj.

Tatbestand

prüfen soll, aber

Amtsdelikte

sind objektiv nur erfüllt, wenn sie auch eine Beziehung zum Amt haben. Zumindest in Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster StGB § 15 Rn. 51-52 (für den Fall zitierte Stelle) hab ich nichts zu

Amtsdelikte

n gefunden. Dafür habe ich in MüKoStGB/Voßen-MacCormaic StGB § 340 Rn. 9, 10 folgendes gefunden: "Nach ganz hM mit Modifikationen im Einzelnen begeht der Amtsträger die Körperverletzung nur dann „während der Ausübung seines Dienstes“ (Abs. 1 S. 1 Alt. 1), wenn zwischen beiden

Tatbestandsmerkmale

n ein „innerer“ Zusammenhang besteht." Wenn sich der Mitarbeiter also gar nicht bewusst war, dass er im Amt ist, sondern "privat" zuschlägt, dann fehlt eben dieser innere Zusammenhang und es ist schon objektiv keine KV im Amt gegeben. Jedenfalls kann ich mir keine Konstellation vorstellen, in der jemand in Ausübung seines Dienstes schlägt ohne dabei zumindest das Bewusstsein zu haben, im Dienst zu sein.


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