Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Subjektiver Tatbestand
Strafrecht AT | Vorsatz | Sachgedankliches Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen (Körperverletzung im Amt, § 340 Abs. 1 StGB)
Strafrecht AT | Vorsatz | Sachgedankliches Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen (Körperverletzung im Amt, § 340 Abs. 1 StGB)
13. Februar 2025
11 Kommentare
4,7 ★ (16.891 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B ist Bediensteter der Ordnungsbehörde. Er schlägt im Dienst den O. Die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) räumt B ein. Da er im Tatzeitpunkt nicht daran gedacht hätte, im Dienst gewesen zu sein, habe ihm für die Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) der Vorsatz gefehlt.
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1. B hatte Vorsatz bzgl. einer Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB).
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Elisabeth
3.11.2020, 19:32:40
Hi, ich habe folgende - allein theoretische- Frage.
Sachgedankliches Mitbewusstseinist in meinem Verständnis das Niveau nach welcher Intensität der Täter Kenntnis um alle
Tatumständehaben muss. Sofern richtig? Macht es in Bezug auf das sachgedankliche Mitbewusstsein dann einen Unterschied ob es Kenntnis über ein deskriptives oder
normatives Tatbestandsmerkmal(wie z.b. Amsträger) ist ? Eigentlich macht es gerade keinen Unterschied, oder?
Juranus
4.12.2020, 18:40:11
Hi, das sachgedankliche Mitbewusstsein bestimmt eher das „ob“ des
Vorsatzes bzgl. eines bestimmten
Tatumstandes. Am Beispiel mit dem Polizisten: Er denkt nicht die ganze Zeit „Ich habe eine Waffe dabei“, kann sich diese
Tatsacheaber jederzeit wieder vergegenwärtigen (sie potenziell also auch einsetzen). Er hat also sach. Mitbew. Hingegen hat jemand, der seit 3 Jahren ein Taschenmesser im Rucksack hat und das komplett vergessen hat, kein sachg. Mitb. weil er sich diesen Umstand nicht vergegenwärtigen kann.

Lukas_Mengestu
23.10.2021, 15:57:11
Hallo Elisabeth, wie Juranus schon ausgeführt hat, spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein in erster Linie für die Frage eine Rolle, ob der
Vorsatzbejaht werden kann. Insoweit macht es dabei auch keinen Unterschied, ob es sich um ein deskriptives Merkmal (zB die Waffe) oder ein
normatives Merkmal (Amtsträger) handelt (vgl. Joecks/Kulhanek, in: MüKo-StrGB, 4.A. 2020, § 16 RdNr. 79; Sternberg-Lieben/Schuster, in: SchSch-StGB, 30.A.2019, § 15 RdNr. 52). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
B.H.
15.9.2024, 12:36:34
Wo liegt der Unterschied zwischen dem „paraten Wissen“ in der Aufgabe zuvor (Polizist denkt nicht an die Waffe im Holster) und zum hier gelagerten Fall des „sachgedanklichen Mitbewusstseins“?

LS2024
20.10.2024, 09:43:33
Was ist der Unterschied zwischen sachgedanklichem Mitbewusstsein und paratem Wissen? Oder liegt bei paratem Wissen
sachgedankliches Mitbewusstseinvor?
Kai
25.10.2024, 11:17:42
Diese Frage hatte ich mir auch gestellt. In diesem Fall und dem Fall mit dem Polizisten, der Müsliriegel klaut, ist die Fallkonstellation und der Erklärungstext aber im Grunde identisch, lediglich in Klammern steht einmal "parates Wissen" und einmal "
sachgedankliches Mitbewusstsein". Ich glaube, dass die Begriffe synonym zu verwenden sind. So verstehe ich auch Kudlich, in: BeckOK StGB, § 15, Rn. 15 ff., der das sachgedankliche Mitbewusstsein unter Bezug auf Fischer als „Parathaben unterhalb der aktuellen Bewusstseinsschwelle“ beschreibt und den Begriff in Rn. 15.1 auch auf einen Fall anwendet, wo es darum geht, dass der Täter sich des Mitführens einer Waffe nicht bewusst ist (wie es hier im Fall mit dem Polizisten ist, wo der Begriff parates Wissen genutzt wird).

LS2024
27.10.2024, 10:27:10
Super, danke Dir @[Kai](223579)

Sebastian Schmitt
28.10.2024, 08:46:44
Hallo @[LS2024](144077), @Kai hat Deine Frage schon genau richtig beantwortet, die beiden Begriffe werden üblicherweise synonym verwendet. Leider ist die Terminologie hier nicht besonders einheitlich, manche sprechen auch von "Bewusstsein am Rande" oder "tatbegleitendem Mitbewusstsein" (zitiert nach MüKoStGB/Kulhanek, 5. Auflage 2024, § 16 Rn 88 mwN). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
WayanMajere
10.1.2025, 13:21:44
Ist vermutlich fürs Erlernen egal, gerade wenn man den subj.
Tatbestandprüfen soll, aber
Amtsdeliktesind objektiv nur erfüllt, wenn sie auch eine Beziehung zum Amt haben. Zumindest in Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster StGB § 15 Rn. 51-52 (für den Fall zitierte Stelle) hab ich nichts zu
Amtsdelikten gefunden. Dafür habe ich in MüKoStGB/Voßen-MacCormaic StGB § 340 Rn. 9, 10 folgendes gefunden: "Nach ganz hM mit Modifikationen im Einzelnen begeht der Amtsträger die Körperverletzung nur dann „während der Ausübung seines Dienstes“ (Abs. 1 S. 1 Alt. 1), wenn zwischen beiden
Tatbestandsmerkmalen ein „innerer“ Zusammenhang besteht." Wenn sich der Mitarbeiter also gar nicht bewusst war, dass er im Amt ist, sondern "privat" zuschlägt, dann fehlt eben dieser innere Zusammenhang und es ist schon objektiv keine KV im Amt gegeben. Jedenfalls kann ich mir keine Konstellation vorstellen, in der jemand in Ausübung seines Dienstes schlägt ohne dabei zumindest das Bewusstsein zu haben, im Dienst zu sein.