Strafrecht AT | Vorsatz | Sachgedankliches Mitbewusstsein als ständig verfügbares Begleitwissen (Körperverletzung im Amt, § 340 Abs. 1 StGB)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B ist Bediensteter der Ordnungsbehörde. Er schlägt im Dienst den O. Die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) räumt B ein. Da er im Tatzeitpunkt nicht daran gedacht hätte, im Dienst gewesen zu sein, habe ihm für die Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB) der Vorsatz gefehlt.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hatte Vorsatz bzgl. einer Körperverletzung im Amt (§ 340 Abs. 1 StGB).

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Ja!

Der Täter hat Vorsatz, wenn er mit dem Willen zur Verwirklichung des Tatbestands (voluntatives Element) in Kenntnis aller objektiven Tatumstände (kognitives Element) handelt. Zum Vorsatzwissen ist kein die Tathandlung ständig begleitendes „Daran-Denken“ im Sinne eines voll reflektierten Bewusstseins erforderlich. Es genügt, dass der Täter das Wissen jederzeit aus dem Stand reproduzieren kann (sachgedankliches Mitbewusstsein).B war ständig bewusst, dass er als Amtsträger in Ausübung seines Dienstes handelt (sachgedankliches Mitbewusstsein). Dass er im konkreten Augenblick nicht daran dachte (voll reflektiertes Bewusstsein), spielt keine Rolle.

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EL

Elisabeth

3.11.2020, 19:32:40

Hi, ich habe folgende - allein theoretische- Frage. Sachgedankliches Mitbewusstsein ist in meinem Verständnis das Niveau nach welcher Intensität der Täter Kenntnis um alle Tatumstände haben muss. Sofern richtig? Macht es in Bezug auf das sachgedankliche Mitbewusstsein dann einen Unterschied ob es Kenntnis über ein deskriptives oder normatives Tatbestandsmerkmal (wie z.b. Amsträger) ist ? Eigentlich macht es gerade keinen Unterschied, oder?

JU

Juranus

4.12.2020, 18:40:11

Hi, das sachgedankliche Mitbewusstsein bestimmt eher das „ob“ des Vorsatzes bzgl. eines bestimmten Tatumstandes. Am Beispiel mit dem Polizisten: Er denkt nicht die ganze Zeit „Ich habe eine Waffe dabei“, kann sich diese Tatsache aber jederzeit wieder vergegenwärtigen (sie potenziell also auch einsetzen). Er hat also sach. Mitbew. Hingegen hat jemand, der seit 3 Jahren ein Taschenmesser im Rucksack hat und das komplett vergessen hat, kein sachg. Mitb. weil er sich diesen Umstand nicht vergegenwärtigen kann.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.10.2021, 15:57:11

Hallo Elisabeth, wie Juranus schon ausgeführt hat, spielt das sachgedankliche Mitbewusstsein in erster Linie für die Frage eine Rolle, ob der Vorsatz bejaht werden kann. Insoweit macht es dabei auch keinen Unterschied, ob es sich um ein deskriptives Merkmal (zB die Waffe) oder ein normatives Merkmal (Amtsträger) handelt (vgl. Joecks/Kulhanek, in: MüKo-StrGB, 4.A. 2020, § 16 RdNr. 79; Sternberg-Lieben/Schuster, in: SchSch-StGB, 30.A.2019, § 15 RdNr. 52). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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