Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis

Zession – Abtretung einer nicht existenten Forderung I

Zession – Abtretung einer nicht existenten Forderung I

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A hat eine seiner Lagerhallen bei V gegen Feuer versichert. Als die Halle tatsächlich abbrennt, tritt A den Anspruch auf Zahlung der Versicherungssumme gegen V an B ab. V zahlt diese an B aus. Später stellt sich heraus, dass A das Feuer tatsächlich selbst gelegt hat. V will ihr Geld wieder.

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Einordnung des Falls

Zession – Abtretung einer nicht existenten Forderung I

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat etwas erlangt (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jedwede Verbesserung der Vermögenslage. C hat Eigentum und Besitz an der Versicherungssumme erlangt.
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2. Hat V nach hM an B geleistet, sodass sie von B die Versicherungssumme im Wege der Leistungskondiktion zurückverlangen kann (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?

Nein!

Leistung ist die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Maßstab für die Bestimmung des Leistungsverhältnisses ist dabei grundsätzlich der Horizont eines objektiven Zuwendungsempfängers.Die Mitteilung über die Abtretung der vermeintlichen Forderung ist nach hM vergleichbar mit einer Anweisung des A an V, den geschuldeten Betrag B zuzuwenden (anweisungsähnliche Lage). Deshalb stellt diese Zuwendung an B nach hM keine Leistung der V an B dar. Vielmehr handele es sich hierbei bei objektiver Betrachtung um eine Leistung der Schuldnerin V an ihren Versicherungsnehmer A und gleichzeitig um eine Leistung des A (Zedent) an B (Zessionarin) („Leistung übers Eck“). Damit scheidet ein Anspruch aus Leistungskondiktion der V gegen B aus.

3. Kann V die Versicherungssumme über die Nichtleistungskondiktion von B zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Rückabwicklung fehlgeschlagener Leistungsbeziehungen geschieht grundsätzlich zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger (Vorrang der Leistungskondiktion). Da V durch die Zuwendung an B eine Leistung an A erbracht hat, kann sie die zu Unrecht erfolgte Leistung auch nur von A zurückverlangen. Besondere Gründe, die eine Direktkondiktion (außerhalb der Leistungsverhältnisse) ausnahmsweise rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

4. Besteht im Verhältnis V-B für die gezahlte Summe ein Rechtsgrund (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

In Betracht kommt allein die an B (vermeintlich) abgetretene Forderung aus dem Versicherungsvertrag zwischen V-A. Diese Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungssumme bestand tatsächlich aber nicht, da A das Feuer selbst gelegt hat (vgl. § 81 Abs. 1 VVG). Demnach kann der Versicherungsvertrag in diesem Fall keinen Rechtsgrund für die Auszahlung darstellen.

5. Zahlt der Schuldner (V) im Falle der Abtretung einer vermeintlich bestehenden Forderung an den Zessionar (B), ist streitig, an wen der Schuldner hierdurch „leistet“ (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

An wen der Schuldner im Falle einer Abtretung der Forderung „geleistet“ hat, ist umstritten: Für eine Leistung direkt an den Zessionar spricht, dass die Abtretung dazu führt, dass der Zessionar an die Stelle des Zedenten tritt (§ 398 S. 2 BGB). Der Zessionar ist also nun ausschließlich für den Empfang der Leistung zuständig. Der Schuldner zahlt also, um sich von seiner Verbindlichkeit gegenüber dem Zessionar zu befreien. Deshalb soll nach einer verbreiteten Meinung im Schrifttum in den Fällen der „Abtretung nicht existenter Forderungen“ eine bereicherungsrechtliche Leistung des Schuldners an den Zessionar vorliegen.Dies entspricht allerdings nicht der herrschenden Meinung!

6. Nach der herrschenden Meinung liegt eine Leistung des Schuldners an den Zedenten vor (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja!

Die herrschende Meinung und insbesondere die Rechtsprechung behandelt Fälle der Abtretung vermeintlicher Forderungen wie Anweisungsfälle. Wirtschaftlich gesehen seien diese Fälle vergleichbar. Weil die Mitteilung der Zession eine Anweisung (im untechnischen Sinne) zur Zahlung an den Zessionar enthalte, liege eine anweisungsähnliche Lage vor. Bei Störungen im Valutaverhältnis bzw. Deckungsverhältnis sei deshalb auch in Fällen der Zession grundsätzlich jeweils innerhalb der entsprechenden Leistungsbeziehung die Rückabwicklung vorzunehmen.
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