Cassis de Dijon

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Rewe beantragt die Genehmigung für die Einfuhr französischen Likörs. Die zuständige Behörde teilt mit, die Einfuhr sei genehmigungsfrei. Allerdings sei der Verkauf verboten, weil der Likör einen Alkoholgehalt von nur 20 % hat. Nach deutschem Recht können nur Branntweine mit min. 32 % in den Verkehr gebracht werden.

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Einordnung des Falls

Cassis de Dijon

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 AEUV ist in gegenständlicher Hinsicht eröffnet.

Ja!

Die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 34 ff. AEUV schützt in gegenständlicher Hinsicht die Ein- und Ausfuhr von Unionswaren. Waren sind alle beweglichen, körperlichen Güter, die einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können. Unionsware ist gemäß Art. 28 Abs. 2, 29 AEUV aus einem Mitgliedstaat stammende oder rechtmäßig eingeführte und verzollte „Drittware“, die sich im freien Verkehr befindet. Der Cassis Likör ist eine körperliche Ware mit Geldwert, welche aus dem Mitgliedstaat Frankreich stammt. Es handelt sich bei dem Cassis Likör um Unionsware.
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2. Der Anwendungsbereich ist auch in räumlicher Hinsicht eröffnet.

Genau, so ist das!

Alle Grundfreiheiten setzen ein besonderes transnationales Element voraus. Die Warenverkehrsfreiheit ist daher nur anwendbar, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Voraussetzung ist, dass grenzüberschreitende Warenströme zwischen den Mitgliedstaaten betroffen sind. Der Likör soll von Frankreich nach Deutschland importiert werden, sodass ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.

3. Die deutsche Rechtslage, wonach französischer Likör nicht verkauft werden darf, stellt eine Maßnahme gleicher Wirkung dar.

Ja, in der Tat!

Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handeln unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, ist eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung (sog. Dassonville-Formel). Maßnahmen gleicher Wirkung sind auch produktbezogene Regelungen , die den Verkauf einer Ware, welche in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und vertrieben wird, an bestimmte Vorgaben knüpfen. Dies gilt auch dann, wenn die Vorgaben für alle Waren unterschiedslos gelten. In dieser Entscheidung kommt das Herkunftslandprinzip zum Ausdruck. Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebrachte wurden, sollen in allen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Bekannt ist die Cassis-de-Dijon-Entscheidung für Aspekte der Rechtfertigung von Beschränkungen der Warenverkehrsfreiheit - dazu später!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NUT

NutzerAnton

1.12.2021, 15:36:47

Mir ist nicht ganz klar, warum auf eine

Maßnahme gleicher Wirkung

zurückgegriffen wird, obwohl im SV ja ausdrücklich steht, dass der Antrag auf die Erteilung einer Einfuhr (!) -genehmigung abgelehnt wurde. Demzufolge sollte es sich doch um eine Einfuhrbeschränkung handeln, da die Einfuhr ohne Genehmigung rechtlich unmöglich ist. Im Originalfall (Cassis-de-Dijon) wurde gerade nicht die Einfuhr als solche (sie war nämlich genehmigungsfrei), sondern erst der Vertrieb verboten. VG.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.12.2021, 13:14:01

Hallo Nutzer Anton, hier war der Sachverhalt nicht ganz präzise. Wir haben das entsprechend angepasst. Tatsächlich hatte Rewe in dem Originalfall zunächst bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein eine Genehmigung beantragt, die Branntweine aus Frankreich einzuführen. Wie Du aber zurecht eingewendet hast, war die Einfuhr genehmigungsfrei. Dies teilte die Bundesmonopolverwaltung Rewe dann auch mit. Im gleichen Atemzug gab sie Rewe aber die Auskunft, dass in Deutschland der Verkauf des Likörs nicht zulässig sei. Gegen diesen feststellenden Verwaltungsakt wendete sich Rewe und die Sache landete sodann vor dem EuGH. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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