Kombination Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

U hat Mitarbeitern fünf Jahre in Folge €250 Weihnachtsgeld gezahlt. Am schwarzen Brett hängt Aushang, dass Weihnachtsgeldzahlung freiwillig und widerruflich erfolgt. Als Arbeitnehmer A Weihnachtsgeld aufgrund von betrieblicher Übung fordert, verweigert U die Zahlung.

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Einordnung des Falls

Kombination Widerrufs- und Freiwilligkeitsvorbehalt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sowohl Freiwilligkeitsvorbehalt als auch Widerrufsvorbehalt verhindern bereits das Entstehen einer betrieblichen Übung.

Nein, das trifft nicht zu!

Nur ein wirksamer Freiwilligkeitsvorbehalt verhindert das Entstehen einer betrieblicher Übung. Denn damit eine betriebliche Übung überhaupt entsteht, ist insbesondere ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers (§§ 133, 157 BGB) erforderlich. An einem solchen fehlt es, wenn der Arbeitgeber klar und unmissverständlich kundtut, dass aus der Wiederholung seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung nicht entstehen soll. Anders ist es beim Widerrufsvorbehalt, mit dem sich der Arbeitgeber den Widerruf eines Anspruchs aus bereits entstandener betrieblicher Übung vorbehält.
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2. Die Klausel, wonach die Weihnachtsgeldzahlung als freiwillig und widerruflich bezeichnet wird, wahrt das Transparenzgebot nach § 307 Abs.1 S.2 BGB.

Nein!

Nach § 307 Abs.1 S.2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Bei einem Freiwilligkeitsvorbehalt entsteht schon kein Anspruch auf die Leistung, bei einem Widerrufsvorbehalt hingegen hat der Arbeitnehmer einen Anspruch, der Arbeitgeber behält sich nur vor, die versprochene Leistung einseitig zu ändern. Wird eine Leistung in einer Vertragsklausel deshalb als freiwillig und widerruflich bezeichnet, ist die Klausel widersprüchlich und deshalb wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Die Aufrechterhaltung des Freiwilligkeitsvorbehalts kommt hier nicht in Betracht, da die Unwirksamkeit gerade aus der Kombination beider Klauselteile folgt und diese nicht teilbar sind.

3. A hat einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes aus § 611a Abs.2 BGB iVm. den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

Genau, so ist das!

Besteht eine betriebliche Übung so hat der Arbeitnehmer einen verbindlichen Anspruch auf die Gewährung der Leistung.Durch das fünfmal in Folge gewährte Weihnachtsgeld hat U eine betriebliche Übung geschaffen. Da der Freiwilligkeits- bzw. Widerrufsvorbehalt nach § 307 Abs.1 S.2 BGB unwirksam ist, stehen diese Klausel der betrieblichen Übung nicht entgegen. A hat somit auch in diesem Jahr einen Anspruch auf Weihnachtsgeld.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

STE

StellaChiara

30.8.2024, 17:18:05

Habe ich das richtig verstanden, dass hier der Freiwilligkeitsvorbehalt wegfällt, da dieser den AN unangemessen benachteiligt, weil er den Anspruch gar nicht erst entstehen lässt, der

Widerrufsvorbehalt

bleibt aber bestehen? Oder fällt dieser auch weg, und wenn ja, wieso? Danke!

STE

StellaChiara

30.8.2024, 17:20:38

Entschuldigung, habe gerade gelesen, dass der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht alleine bestehen bleiben kann. Das verstehe ich aber wiederum auch nicht. Wieso wird diskutiert ob der Freiwilligkeitsvorbehalt erhalten bleiben sollte? Dieser lässt den Anspruch doch gar nicht erst entstehen und wäre nachteiliger als der

Widerrufsvorbehalt

, oder?

3mon

3mon

18.9.2024, 17:14:06

Ich habe es so verstanden, dass die Klausel der Arbeitgeberin hier an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB scheitert, da sie in sich widersprüchlich ist, weil ein

Widerrufsvorbehalt

und ein Freiwilligkeitsvorbehalt gemeinsam keinen Sinn ergeben und insofern nicht klar und verständlich sind. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt sorgt dafür, dass erst gar keine betriebliche Übung zustande kommt, während der

Widerrufsvorbehalt

eine Existenz gerade dieser vorraussetzen würde - das ist unlogisch und die Klausel daher insgesamt unwirksam.


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