Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
Unwirksame doppelte Schriftformklausel
Unwirksame doppelte Schriftformklausel
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
U hat Mitarbeitern fünf Jahre in Folge Weihnachtsgeld gezahlt. Als Arbeitnehmer A Weihnachtsgeld aufgrund betrieblicher Übung fordert, verweigert U Zahlung. In § 13 des vorformulierten Arbeitsvertrags steht: „Jegliche Vertragsänderungen sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Dies gilt auch für eine Änderung dieser Schriftformklausel.“
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Einordnung des Falls
Unwirksame doppelte Schriftformklausel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Eine einfache Schriftformklausel kann verhindern, dass eine betriebliche Übung entsteht.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine wirksame doppelte Schriftformklausel kann die dauerhafte Übernahme einer Verpflichtung durch eine betriebliche Übung ausschließen.
Ja!
3. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung in § 13 des Arbeitsvertrages stellt eine einfache Schriftformklausel dar.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. § 13 des Arbeitsvertrages unterliegt der AGB-Kontrolle nach §§ 307ff. BGB.
Ja, in der Tat!
5. § 13 des Arbeitsvertrages verstößt gegen ein spezielles Klauselverbot (§§ 309, 308 BGB).
Nein!
6. § 13 des Arbeitsvertrages verstößt aber gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs.1 S.2 BGB).
Genau, so ist das!
7. A hat einen Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes aus § 611a Abs.2 BGB iVm den Grundsätzen der betrieblichen Übung.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Leni
31.10.2023, 11:39:53
Irgendwie fand ich es nicht zwangsläufig gegeben, dass es sich bei dem Arbeitsvertrag um AGB handelt, diesbzgl. waren doch keine Infos im Sachverhalt?
Leo Lee
4.11.2023, 12:32:46
Hallo Leni, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat ging alleine von „§ 13“ nicht deutlich aus, dass es sich beim Arbeitsvertrag um eine AGB handelt. Wir haben nun den Begriff „vorformuliert“ mit aufgenommen, damit künftig Missverständnissen vorgebeugt werden kann :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Dogu
1.2.2024, 15:45:51
S.o.
Leo Lee
3.2.2024, 18:46:43
Hallo Dogu, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man meinen, die Vereinbarung bzgl. der betrieblichen Übung sei abgesehen von den in der Aufgabe genannten Erklärungen aufgrund 309 13b unwirksam. Beachte jedoch, dass Nr. 13 b) nur EINSEITGE Erklärungen oder Anzeigen erfasst. Bei der betrieblichen Übung – und in diesem Fall hingegen – geht es hauptsächlich darum, inwiefern der Arbeitsvertrag (der nicht die betriebliche Übung inkludiert) durch die Übung ergänz/verändert werden kann. Und genau hier setzt der Fall an: Reicht es aus, wenn eine Klausel besagt, dass Änderungen/Ergänzungen des Arbeitsvertrags (um einen Anspruch auf Weihnachtsgeld AUFGRUND betrieblicher Übung) der Schriftform bedürfen (einfach), oder muss es eine
doppelte Schriftformklauselsein? Sprich, 13 Nr. b) meint einen anderen Fall :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Dogu
15.2.2024, 14:48:04
Danke für die Erklärung. Vielleicht wäre dies eine kleine Ergänzung der Musterlösung im Erläuterungstext wert? ;)
FW
4.8.2024, 21:10:46
Wie würde man das dann in diesem Fall im Vertrag richtig formulieren? Hat jemand ein Beispiel?
B.H.
8.10.2024, 15:31:30
Wann wäre die
doppelte Schriftformklauselwirksam? Wenn die
Individualabredeaus § 305 b BGB Vorrang gegenüber den AGBs genießt? Es müsste demnach trotz der doppelten
Schriftformklauseleinen Restbereich geben, in welchem auch mündliche Abreden möglich sind?
Leo Lee
13.10.2024, 06:28:23
Hallo B.H., vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Bei den AGB - die eben formularhaft formuliert sind - greift (allen voran aus den Gedanken des Verbraucherschutzes) der 305b, weshalb diese Abrede dann zurücktritt. Eine solche qualifizierte Klausel ist aber bei Individualverträgen - also KEINE AGB - dann wirksam. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Einsele § 125 Rn. 71 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo