Strafrecht
BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.
Mord, § 211 StGB
Straftat vs. Ordnungswidrigkeit
Straftat vs. Ordnungswidrigkeit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T wird vom Polizeibeamten P in einer 30er Zone mit 61km/h nach Abzug der Toleranz erwischt. P hält den T an. T hat Angst um seinen Führerschein und tötet den P, um das Bußgeld, die Punkte und das Fahrverbot zu vermeiden.
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Einordnung des Falls
Straftat vs. Ordnungswidrigkeit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat zur Verdeckung einer "anderen Straftat" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Var. 2 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
S3tr
11.7.2020, 17:14:59
Wäre hier der Irrtum über die Ordnungswidrigkeit als Straftat gegeben ?
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 12:45:16
Hallo S3tr, die bloße Vorstellung des Täters sich strafbar zu machen, stellt einen umgekehrten Verbotsirrtum bzw.
Wahndeliktdar (also das Gegenteil von
§ 17 StGB, wo der Täter glaubt, sein Verhalten sei rechtmäßig). Grundsätzlich gilt in unserem Strafrecht aber der Grundsatz keine Strafe ohne Gesetz (nulla poena sine lege). Bloß weil ich mir also vorstelle mich strafbar zu machen, begründet dies noch keine Strafbarkeit. Achtung: Der Irrtum über die rechtliche Würdigung meines Verhaltens stellt ein strafloses
Wahndeliktdar. Irre ich mich dagegen über TATSÄCHLICHE Umstände, bei deren Vorliegen eine Straftat vorliegt, dann mache ich mich wegen eines untauglichen Versuchs strafbar (sog. "
umgekehrter Tatbestandsirrtum"). Vorliegend hat Ts Irrtum keine Auswirkung, da zumindest ein anderes Tatbestandsmerkmal (niedrige Beweggründe) verwirklicht worden ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Anna TK
9.10.2020, 20:26:38
Hallo, käme hier nicht als Vortat
315dI Nr.3 StGB in Betracht? Er ist mit relativer Höchstgeschwindigkeit gefahren und er kennt die
Tatumstände? LG Anna
Hamburger Michel
28.10.2020, 13:06:31
Hallo Anna, die Voraussetzungen des §
315dI Nr. 3 StGB sind m.E. in diesem Fall nicht erfüllt. Zudem ist die
Verdeckungsabsichtein subjektives Merkmal und T stellt sich hier nur die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit vor. Zum relativ neuen §
315d StGBkann ich die neueren Fälle in der App empfehlen. LG :)
Tr(u)mpeltier junior
3.1.2021, 13:24:41
Hi Anna, ich finde deinen Gedanken eigl. durchaus andenkbar. In einem Kaiserseminar wurde als grobe Faustregel das doppelte der zulässigen Höchstgeschwindigkeit genannt. Da dies hier erfüllt ist, könnte man sicher vertretbar §315 d I Nr. 3 StGB bejahen.
Lukas_Mengestu
28.10.2021, 12:58:21
Hallo ihr Lieben, in der vorliegenden Einheit geht es spezifisch um die verschiedenen Mordmerkmale, weswegen wir auch auf andere Straftatbestände nicht eingehen. Zudem ist der Sachverhalt an dieser Stelle nicht ganz eindeutig. Nach meinem Verständnis fährt T zu schnell, dann wird er von P angehalten (steht also) und dann tötet er P (auf uns nicht bekannte Weise). In diesem Fall scheidet eine Strafbarkeit nach §
315dAbs. 1 Nr. 3 StGB aus. Versucht P dagegen den T anzuhalten und rast dieser sodann mit unverminderter Geschwindigkeit auf P zu, um ihn zu töten, so kommt zunächst einmal §§ 113, 114 StGB oder § 315b StGB in Betracht. §
315dAbs. 1 Nr. 3 StGB würde ich dann aber daran scheitern lassen, dass die hier geforderte
überschießende Innentendenz(die Absicht zur relativ höchstmöglichen Geschwindigkeit) nicht vorliegt. Denn in dieser Situation dürfte T nicht die Absicht haben, die relativ höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, sondern es ginge ihm allein um die Tötung des P. Dies passt nicht auf den Gesetzeszweck, das Rasen zu pönalisieren (aA vertretbar). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Elisa
31.1.2023, 21:51:46
Aber ist es nicht auch so, dass
Verdeckungsabsichtauch dann in Frage kommt, wenn man die Konsequenzen durch die Gesellschaft fürchtet, nicht unbedingt durch die Justiz? Warum zählt das dann schon, aber die Verdeckung von Ordnungswidrigkeiten nicht? Und warum kommt hier nicht in Betracht, dass er sich die Straftat nur vorgestellt hat?
Hanna
23.4.2024, 11:14:32
Man kann das ruhig restriktiv auslegen, da man durch niedrige Beweggründe trotzdem zum Mord kommt. Zudem: Im Gesetzeswortlaut steht „Straftat“, und da durch das Analogieverbot keine Analogie zulasten des Täters möglich ist, kann man hier nicht einfach auch Ordnungswidrigkeiten annehmen. Die vorgestellte Straftat kann mit angenommen werden, weil es um die
VerdeckungsABSICHTgeht. Also um den vorgestellten Zweck der Tat. Das gibt der Sachverhalt hier aber nicht unbedingt her.
sy
6.10.2024, 10:31:00
Liebes Team, leider habe ich gerade ein Problem damit, den ersten Fall und diesen Fall auseinanderzuhalten. Wieso wurde beim erstem Fall trotzdem eine Straftat angenommen, obwohl eine owi keine ist und hier wird dies jedoch anders gehandhabt ?
HannahML
7.10.2024, 10:14:41
Weil sich bei dem vorherigen Fall der Täter subjektiv vorstellt, dass er eine Straftat begeht. Es kommt demnach hauptsächlich auf die Vorstellung des Täters an. In dem jetzigen Fall ist dem Täter bewusst, dass er nur eine Ordnungswidrigkeit begeht. Hoffe das hilft.