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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T wird vom Polizeibeamten P in einer 30er Zone mit 61km/h nach Abzug der Toleranz erwischt. P hält den T an. T hat Angst um seinen Führerschein und tötet den P, um das Bußgeld, die Punkte und das Fahrverbot zu vermeiden.

Einordnung des Falls

Straftat vs. Ordnungswidrigkeit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat zur Verdeckung einer "anderen Straftat" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 3 Var. 2 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Mit Verdeckungsabsicht tötet, wem es darauf ankommt, durch die Tötung entweder die Aufdeckung der Vortat in einem die Strafverfolgung sicherstellenden Umfang oder die Aufdeckung seiner Täterschaft zu verbergen. Nach h.M. kommt nur eine kriminell strafbare Handlung (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB) in Betracht, d.h. Verbrechen oder Vergehen (§ 12 StGB). Bloße Ordnungswidrigkeiten erfüllen das Mordmerkmal dagegen nicht. Bei der Geschwindigkeitsüberschreitung um 31km/h innerorts handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit (§41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 STVO, § 24, 25 StVG). Es kommt jedoch der Auffangtatbestand der "sonst niedrigen Beweggründe" in Betracht.

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S3T

S3tr

11.7.2020, 17:14:59

Wäre hier der Irrtum über die Ordnungswidrigkeit als Straftat gegeben ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 12:45:16

Hallo S3tr, die bloße Vorstellung des Täters sich strafbar zu machen, stellt einen umgekehrten Verbotsirrtum bzw.

Wahndelikt

dar (also das Gegenteil von § 17 StGB, wo der Täter glaubt, sein Verhalten sei rechtmäßig). Grundsätzlich gilt in unserem Strafrecht aber der Grundsatz keine Strafe ohne Gesetz (nulla poena sine lege). Bloß weil ich mir also vorstelle mich strafbar zu machen, begründet dies noch keine Strafbarkeit. Achtung: Der Irrtum über die rechtliche Würdigung meines Verhaltens stellt ein strafloses

Wahndelikt

dar. Irre ich mich dagegen über TATSÄCHLICHE Umstände, bei deren Vorliegen eine Straftat vorliegt, dann mache ich mich wegen eines untauglichen Versuchs strafbar (sog. "umgekehrter Tatbestandsirrtum"). Vorliegend hat Ts Irrtum keine Auswirkung, da zumindest ein anderes Tatbestandsmerkmal (niedrige Beweggründe) verwirklicht worden ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Anna TK

Anna TK

9.10.2020, 20:26:38

Hallo, käme hier nicht als Vortat 315d I Nr.3 StGB in Betracht? Er ist mit relativer Höchstgeschwindigkeit gefahren und er kennt die Tatumstände? LG Anna

Hamburger Michel

Hamburger Michel

28.10.2020, 13:06:31

Hallo Anna, die Voraussetzungen des § 315d I Nr. 3 StGB sind m.E. in diesem Fall nicht erfüllt. Zudem ist die

Verdeckungsabsicht

ein subjektives Merkmal und T stellt sich hier nur die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit vor. Zum relativ neuen § 315d StGB kann ich die neueren Fälle in der App empfehlen. LG :)

TJU

Tr(u)mpeltier junior

3.1.2021, 13:24:41

Hi Anna, ich finde deinen Gedanken eigl. durchaus andenkbar. In einem Kaiserseminar wurde als grobe Faustregel das doppelte der zulässigen Höchstgeschwindigkeit genannt. Da dies hier erfüllt ist, könnte man sicher vertretbar §315 d I Nr. 3 StGB bejahen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.10.2021, 12:58:21

Hallo ihr Lieben, in der vorliegenden Einheit geht es spezifisch um die verschiedenen Mordmerkmale, weswegen wir auch auf andere Straftatbestände nicht eingehen. Zudem ist der Sachverhalt an dieser Stelle nicht ganz eindeutig. Nach meinem Verständnis fährt T zu schnell, dann wird er von P angehalten (steht also) und dann tötet er P (auf uns nicht bekannte Weise). In diesem Fall scheidet eine Strafbarkeit nach §

315d Abs. 1 Nr. 3 StGB

aus. Versucht P dagegen den T anzuhalten und rast dieser sodann mit unverminderter Geschwindigkeit auf P zu, um ihn zu töten, so kommt zunächst einmal §§ 113, 114 StGB oder §

315b StGB

in Betracht. §

315d Abs. 1 Nr. 3 StGB

würde ich dann aber daran scheitern lassen, dass die hier geforderte überschießende Innentendenz (die Absicht zur relativ höchstmöglichen Geschwindigkeit) nicht vorliegt. Denn in dieser Situation dürfte T nicht die Absicht haben, die relativ höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, sondern es ginge ihm allein um die Tötung des P. Dies passt nicht auf den Gesetzeszweck, das Rasen zu pönalisieren (aA vertretbar). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

EL

Elisa

31.1.2023, 21:51:46

Aber ist es nicht auch so, dass

Verdeckungsabsicht

auch dann in Frage kommt, wenn man die Konsequenzen durch die Gesellschaft fürchtet, nicht unbedingt durch die Justiz? Warum zählt das dann schon, aber die Verdeckung von Ordnungswidrigkeiten nicht? Und warum kommt hier nicht in Betracht, dass er sich die Straftat nur vorgestellt hat?

Hanna

Hanna

23.4.2024, 11:14:32

Man kann das ruhig restriktiv auslegen, da man durch niedrige Beweggründe trotzdem zum Mord kommt. Zudem: Im Gesetzeswortlaut steht „Straftat“, und da durch das Analogieverbot keine Analogie zulasten des Täters möglich ist, kann man hier nicht einfach auch Ordnungswidrigkeiten annehmen. Die vorgestellte Straftat kann mit angenommen werden, weil es um die

VerdeckungsABSICHT

geht. Also um den vorgestellten Zweck der Tat. Das gibt der Sachverhalt hier aber nicht unbedingt her.


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