Umfang der Prokura, Grundstücksgeschäfte, § 49 Abs. 2 HGB


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Prokurist P vertritt die XYZ-AG beim Erwerb eines Grundstücks von V zum Preis von €800.000. €500.000 bezahlt er aus dem Barvermögen des Unternehmens. Über die restlichen €300.000 nimmt P bei der Bank B ein Darlehen auf, zu dessen Sicherung er eine Grundschuld am neu erworbenen Grundstück zugunsten B bestellt.

Einordnung des Falls

Umfang der Prokura, Grundstücksgeschäfte, § 49 Abs. 2 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. P hat die XYZ-AG bei Kaufvertrag und Auflassung mit V (§§ 873, 925 BGB) wirksam vertreten (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Ja!

Die Veräußerung und Belastung von Grundstücken (und grundstücksgleichen Rechten) ist nicht vom gesetzlichen Umfang der Prokura umfasst (§ 49 Abs. 2 HGB). Sinn und Zweck des § 49 Abs. 2 HGB ist die Erhaltung des Grundstücksvermögens des Kaufmanns. Keine Belastung in diesem Sinne sind daher schuldrechtliche grundstücksbezogene Geschäfte, die das Grundstück nur wirtschaftlich belasten. Auch der Erwerb von Grundstücken oder die Verfügung über bereits bestehende Grundpfandrechte sind von Prokura umfasst. Der Abschluss des Kaufvertrags (§ 433 BGB) und des Übereignungsvertrags (§§ 873, 925 BGB) sind von P’s Prokura umfasst.

2. P hat die XYZ-AG beim Abschluss des Darlehensvertrags mit B (§ 488 BGB) wirksam vertreten (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Genau, so ist das!

Prokura umfasst alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen, die zum Betrieb (irgend-) eines Handelsgewerbes gehören (§ 49 Abs. 1 HGB). Sie umfasst auch außergewöhnliche, für den konkreten Gewerbebetrieb untypische Geschäfte. Die Geschäfte müssen den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen. Solche, die das Organisationsrecht betreffen (=Grundlagengeschäfte) oder per Gesetz ausdrücklich dem Inhaber vorbehalten sind (=Inhabergeschäfte), sind nicht umfasst. Die Aufnahme eines Darlehens ist ein gewöhnliches Geschäft, das der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt und deshalb von P’s Prokura umfasst.

3. P hat die XYZ-AG bei der Bestellung der Grundschuld (§§ 873, 1191 ff. BGB) zugunsten B wirksam vertreten (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Ja, in der Tat!

Die Belastung eines Grundstücks des Kaufmanns mit einem Grundpfandrecht ist nicht von der Prokura umfasst (§ 49 Abs. 2 HGB). Wird das Grundpfandrecht aber zur Sicherung des Restkaufpreises eines neu erworbenen Grundstücks oder eines zu dessen Finanzierung aufgenommenen Darlehens bestellt, findet § 49 Abs. 2 HGB keine Anwendung (teleologische Reduktion). Der Kaufmann erleidet hier nicht den Verlust eines Grundstücks. Er gewinnt vielmehr ein weiteres – belastetes – Grundstück hinzu, sodass der Schutz des § 49 Abs. 2 HGB gewahrt bleibt. P hat die Grundschuld zur Sicherung des Darlehens von B bestellt, das P zum Zwecke der Finanzierung des neu erworbenen Grundstücks aufgenommen hat. Dies ist vom Umfang seiner Prokura erfasst.

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