Umfang der Prokura, Beschränkung des Umfangs, § 50 Abs. 1, 2 HGB


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A ist alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der AM-Gastro GmbH. A erteilt ihrer Mitarbeiterin P Prokura. Weil P etwas chaotisch ist, erklärt A ihr, sie solle nicht mehr als 200.000 € ausgeben. P wittert eine unglaubliche Geschäftschance für A und erwirbt von V zum Preis von €2 Mio. eine Beach-Bar.

Einordnung des Falls

Umfang der Prokura, Beschränkung des Umfangs, § 50 Abs. 1, 2 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Umfang der Prokura ist durch Parteivereinbarung außenwirksam frei beschränkbar (§ 49 Abs. 1 HGB).

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Nein!

Die Prokura ist eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht mit gesetzlich geregeltem Umfang: Sie umfasst alle Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb (irgend-)eines Handelsgewerbes mit sich bringt (§ 49 Abs. 1 HGB). Ihr Umfang ist im Außenverhältnis grundsätzlich nicht beschränkbar (§ 50 Abs. 1 HGB). Nur ausnahmsweise ist eine Beschränkung auf eine oder mehrere Niederlassungen möglich (§ 50 Abs. 3 HGB).

2. P hat beim Kauf der Beach-Bar im Rahmen ihrer Vertretungsmacht gehandelt (§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB).

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Genau, so ist das!

Prokura umfasst alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte und Rechtshandlungen, die zum Betrieb (irgend-) eines Handelsgewerbes gehören (§ 49 Abs. 1 HGB). Sie umfasst auch außergewöhnliche Geschäfte. Die Geschäfte müssen den Betrieb des Handelsgewerbes betreffen. Eine Beschränkung des Umfangs der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB). Der Kauf eines Etablissements kann ein Geschäft sein, das der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Die Beschränkung der Prokura auf Geschäfte bis zu €200.000 ist im Außenverhältnis unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB) und führt nicht zu einer Überschreitung der Vertretungsmacht.

3. Kann der Verkäufer der Beach-Bar von P direkt die Zahlung des Kaufpreises in Höhe von €2 Mio. verlangen?

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Haftung des P wäre in Betracht gekommen wenn P ohne Vertretungsmacht gehandelt hätte (§§ 177 Abs. 1, 179 Abs. 1 BGB). P hat A bei Abschluss des Kaufvertrages jedoch wirksam vertreten, sodass die AM-Gastro GmbH Vertragspartnerin des V ist. V kann nur diese aus dem Kaufvertrag in Anspruch nehmen (§ 433 Abs. 2 BGB). Die Beschränkung der Prokura auf Geschäfte bis zu €200.000 ist im Außenverhältnis unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB) und führt nicht zu einer Überschreitung der Vertretungsmacht durch P. Daher kommen insbesondere § 177 Abs. 1 BGB und § 179 Abs. 1 BGB nicht zur Anwendung.

4. P hat ihre Pflichten gegenüber der AM-Gastro GmbH im Innenverhältnis verletzt.

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Ja!

Das Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem wird durch das der Vollmacht zugrundeliegende Rechtsverhältnis geregelt. Dieses ist maßgeblich für das rechtliche Dürfen. Die Vollmacht betrifft das Außenverhältnis und ist maßgeblich für das rechtliche Können. Die Rechtsverhältnisse sind getrennt zu betrachten. Zwar ist eine Beschränkung der Prokura nach außen unwirksam (§ 50 Abs. 1 HGB). Eine vertragliche Beschränkung des rechtlichen Dürfens im Innenverhältnis ist jedoch möglich. An diese Vereinbarung ist der Prokurist gegenüber dem Kaufmann gebunden. P’s Prokura liegt ein Arbeitsvertrag zugrunde. In diesem Rahmen ist P gegenüber der AM-Gastro GmbH verpflichtet, keine Geschäfte über €200.000 vorzunehmen.

5. P’s Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten gegenüber der AM-Gastro GmbH bleibt für sie folgenlos, da sie im Außenverhältnis mit Vertretungsmacht gehandelt hat.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Das rechtliche Innenverhältnis zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem und das rechtliche Außenverhältnis sind streng getrennt voneinander zu betrachten. Beachtet der Prokurist eine Beschränkung im Innenverhältnis nicht, liegt darin eine Pflichtverletzung im Grundverhältnis. Diese Pflichtverletzung kann einen Schadenersatzanspruch des Kaufmanns gegen den Prokuristen auslösen (beispielsweise aus §§ 280 Abs. 1 iVm § 611a, 241 Abs. 2 BGB) oder zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen (etwa § 626 Abs. 1 BGB).

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