Zurechenbarkeit Handeln privater Dritter

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gemeinde G lässt von Unternehmerin U einen neuen Abwasserkanal errichten. U verrechnet sich und legt versehentlich einen Teil der Rohre über das Grundstück von E, der sich gerade im Urlaub befindet. Als E wieder kommt, verlangt er von G, den Einbau der Rohre rückgängig zu machen.

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Einordnung des Falls

Zurechenbarkeit Handeln privater Dritter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Einbau von Rohren auf Es Grundstück ist ein hoheitlicher Eingriff in subjektive Rechte des E.

Genau, so ist das!

Tatbestandlich setzt der Folgenbeseitigungsanspruch zunächst die (1) Betroffenheit eines subjektiven öffentlichen Rechts durch einen (2) hoheitlichen (3) Eingriff voraus. Durch die Verlegung der Rohre auf Es Grundstück wird seine Freiheit aus Art. 14 Abs. 1 GG (einfachgesetzlich ausgestaltet durch § 903 S. 1 BGB) verkürzt. G errichtet den Abwasserkanal in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Dass G mit U eine private Unternehmerin zur Ausführung der Arbeiten beauftragt hat, ändert an dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Maßnahme erst einmal nichts („Keine Flucht ins Privatrecht!“).
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2. E ist zur Duldung des Zustands auf seinem Grundstück verpflichtet.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Folgenbeseitigungsanspruch ist nur einschlägig, wenn der hoheitliche Eingriff einen rechtswidrigen, noch andauernden Zustand herbeigeführt hat. Der Zustand ist rechtswidrig, wenn für den Betroffenen keine Duldungspflicht besteht.Es ist keine Norm ersichtlich, die E zur Duldung der versehentlich auf seinem Privatgrundstück verlegten Rohre verpflichtet. Der Zustand ist rechtswidrig. Weiterhin liegen die Rohre aktuell noch auf Es Grundstück, sodass der Zustand auch noch andauert.

3. Der Anspruch scheitert daran, dass der rechtswidrige Zustand nur eine mittelbare Folge des hoheitlichen Handelns der G ist, weil die private Unternehmerin U den Zustand herbeigeführt hat.

Nein!

Der rechtswidrige Zustand muss unmittelbar auf das hoheitliche Handeln zurückzuführen sein, dem Hoheitsträger also zurechenbar sein. Der Zustand ist dann unmittelbare Folge des hoheitlichen Handelns, wenn sich in ihr die spezifischen Gefahren des konkreten hoheitlichen Handelns verwirklichen. Ob eine Folge zurechenbar ist, ist eine wertende Entscheidung. Die Zurechenbarkeit der Folge zum Hoheitsträger wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie von einem privaten Dritten verursacht worden ist, den der Hoheitsträger aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrags zur Durchführung einer hoheitlichen Maßnahme eingeschaltet hat. Die Kanalarbeiten erfolgen zur Erfüllung eines öffentlichen Zwecks. G hat hierzu U beauftragt. Dadurch ist G die Folge von Us Handeln zurechenbar. Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs ist erfüllt. Eine parallele Problematik findet sich beim Amtshaftungsanspruch.
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