Anspruchsgrenze: Unmöglichkeit der Wiederherstellung

10. Februar 2025

4 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Baubehörde B lässt aufgrund einer Abrissverfügung das Häuschen der kleinen Hexe H abreißen. Nach dem Abriss stellt sich heraus, dass die Abrissverfügung nichtig ist. H tobt vor Wut und fragt sich, was sie von B fordern kann.

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Einordnung des Falls

Anspruchsgrenze: Unmöglichkeit der Wiederherstellung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs gegen B scheitert schon auf tatbestandlicher Ebene.

Nein!

Der Tatbestand des Folgenbeseitigungsanspruchs liegt vor, wenn die (1) Betroffenheit eines subjektiven öffentlichen Rechts durch einen (2) hoheitlichen (3) Eingriff gegeben ist und das hoheitliche Handeln zu einem (4) rechtswidrigen Zustand geführt hat, der (5) noch andauert. Durch den Vollzug der Abrissverfügung (= hoheitliches Handeln) wurde Hs Eigentum zerstört (= Eingriff in das subjektive Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG). H muss die andauernde Eigentumsentziehung mangels wirksamer Abrissverfügung von H nicht dulden. Die Folge ist B auch zurechenbar.
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2. Grundsätzlich ist der Folgenbeseitigungsanspruch auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gerichtet.

Genau, so ist das!

Als Rechtsfolge sieht der Folgenbeseitigungsanspruch die tatsächliche Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands oder eines vergleichbaren Zustands vor. Eine Entschädigung für die Beeinträchtigung ist im Normalfall gerade nicht vorgesehen. Voraussetzung für den Wiederherstellungsanspruch ist, dass die Wiederherstellung (1) tatsächlich möglich, (2) rechtlich zulässig und dem Hoheitsträger (3) zumutbar ist. H kann von B grundsätzlich die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen, sofern dies möglich, rechtlich zulässig und der B zumutbar ist.

3. B ist es möglich, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Wiederherstllung des ursprünglichen Zustands (vor der Vornahme des hoheitlichen Eingriffs) muss tatsächlich und rechtlich möglich (= rechtlich zulässig) sein. Fehlt es an einer dieser Voraussetzungen, kann die Wiederherstellung nicht vom Hoheitsträger verlangt werden. Die Wiederherstellung des konkreten, abgerissenen Hauses der H ist bereits aus tatsächlichen Gründen unmöglich. H hat keinen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands gegen B. Denkbar wäre höchstens noch die Wiederherstellung eines vergleichbaren Zustands dadurch, dass B ein anderes Haus für H errichtet.

4. Aufgrund der Unmöglichkeit kommen keinerlei andere Ansprüche der H gegen B in Betracht.

Nein!

Ist eine Naturalrestitution unmöglich, kommt ausnahmsweise eine Billigkeitsentschädigung in Geld in Betracht. Für diesen Folgenentschädigungsanspruch spricht der allgemeine Rechtsgedanke des § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG und des § 48 Abs. 3 VwVfG, wonach eine angemessene Geldentschädigung für die öffentlich-rechtliche Unrechtslage zumindest dann angemessen erscheint, wenn die Beseitigung des Unrechts unmöglich ist. Die Rspr. lehnt diese in der Literatur vertretene Auffassung teilweise ab. So argumentierte das BVerwG, dass der Folgenbeseitigungsanspruch ansonsten ausufern und die Grenzen zum Amtshaftungsanspruch verwischt würde. In einer neueren Entscheidung des BVerwG finden sich allerdings Anhaltspunkte für die Zulässigkeit der Entschädigung. Nach h.M. in der Lit. kann H eine billige Entschädigung in Geld von B verlangen. Wenn Du die verschiedenen Argumente in der Klausur darstellen kannst, ist irrelevant, für welche Lösung Du Dich im Ergebnis entscheidest.Daneben sind auch Ansprüche auf Entschädigung oder Schadensersatz nach Maßgabe der speziellen staatshaftungsrechtlichen Ansprüche nicht ausgeschlossen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

LUKAA

Lukaas

8.1.2025, 15:44:27

Insofern die Ausführungen auch im Kurs „Materielles ÖR im Assessorexamen“ enthalten sind, fehlt meiner Meinung nach etwas der stärkere Bezug zur Rspr. Was ist nun genau die Auffassung des BVerwG und inwiefern tendiert das BVerwG (scheinbar neuerdings) zu der Ansicht der hL? Diese Entscheidung wäre auch in den Quellennachweisen super. Denn nur das ist für Referendare relevant und nicht das, was die hM in der Lit. dazu sagt - das juckt niemanden mehr. Wäre super, wenn ihr das beantworten könntet (ggf. mit einem Kästchen zum Assessorexamen wie sonst auch häufiger)! :)

simon175

simon175

25.1.2025, 14:40:43

Absolut richtig, der Hinweis nennt Explizit einen Stellungnahme des BVerwG und diese wird in den Quellen nicht vermerkt. Schade.


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