Öffentliches Recht

Europarecht

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Versteckte Diskriminierung („Commerzbank")

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Versteckte Diskriminierung („Commerzbank")

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die deutsche C-Bank hat eine Zweigniederlassung in Litauen. C fordert die dort gezahlten Steuern auf Grundlage eines Abkommens zurück und fordert den bei verspäteter Rückzahlung vorgesehenen Zuschlag. Der Zuschlag wird nicht gewährt, da die C steuerlich nicht in Litauen ansässig ist.

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Einordnung des Falls

Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV – Versteckte Diskriminierung („Commerzbank")

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ist vorliegend eröffnet.

Genau, so ist das!

Der sachliche Anwendungsbereich setzt nach ständiger Rechtsprechung eine Niederlassung voraus, also eine feste Einrichtung oder Infrastruktur, die der tatsächlichen Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit auf unbestimmte Zeit dient oder zu dienen bestimmt ist. Persönliche Begünstigte der Niederlassungsfreiheit sind Unionsbürger und Gesellschaften mit Unionsbezug. In räumlicher Hinsicht ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich. Der Betrieb einer Bank setzt die Beantragung einer entsprechenden Lizenz, das Anmieten von Räumlichkeiten und das Anstellen von Personal voraus. Ferner handelt es sich um eine selbstständige Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert. Eine Niederlassung ist damit gegeben. Bei der deutschen C-Bank handelt es sich ferner um eine Gesellschaft mit Unionsbezug, sodass auch der persönliche Anwendungsbereich eröffnet ist. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug gegeben und es liegt keine Bereichsausnahme vor.
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2. Die Nichtgewährung des Zuschlags stellt eine offen diskriminierende Maßnahme Litauens dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Diskriminierung besteht darin, dass rechtlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich bzw. rechtlich unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden. Eine offene Diskriminierung ist dann gegeben, wenn die Ungleichbehandlung auf dem Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit beruht. Offene Diskriminierungen führen also zu einer Ungleichbehandlung von Inländern und Ausländern, indem sie Personen aufgrund der Staatsangehörigkeit an dem Zugang zum Markt hindern. Vorliegend wird der Zuschlag nicht deshalb verweigert, weil die C-Bank ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland ist (=das Äquivalent zur Staatsbürgerschaft bei natürlichen Personen). Hintergrund der Nichtgewährung der Zuschlags ist vielmehr die Tatsache, dass C-Bank ihren steuerlichen Sitz nicht in Litauen hat. Es handelt sich damit nicht um eine offene Diskriminierung auf Grund der Staatsbürgerschaft bzw. des Gesellschaftssitzes.

3. Die Nichtgewährung des Zuschlags stellt eine versteckt diskriminierende Maßnahme Litauens dar.

Ja!

Das in Art. 49 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot erfasst sowohl offene Diskriminierungen, denen ausdrücklich das Kriterium der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt, als auch versteckte Diskriminierungen. Eine versteckte Diskriminierung liegt vor, wenn die Ungleichbehandlung an ein anderes Differenzierungskriterium als die Staatsangehörigkeit geknüpft wird. Formal liegt bei der versteckten Diskriminierung eine gleiche (unterschiedslose) Behandlung von Inländern und Ausländern vor. Durch die versteckt diskriminierende Maßnahme werden Unionsbürger oder Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten jedoch typischerweise stärker und häufiger betroffen als Inländer. Das Kriterium des steuerlichen Sitzes im Inland für die Gewährung des Zuschlags ist zwar unabhängig vom Sitz des Unternehmens anwendbar. Allerdings droht sich das Kriterium des steuerlichen Sitzes besonders zu Lasten von Gesellschaften auszuwirken, die ihren Sitz in einem anderem Mitgliedstaat haben.
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