Einleitung Gesetzgebungsverfahren

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach dem berüchtigten „Erdnussabend“ in der Jenaer Kneipe „Die Kneipe“ stellt sich Jura-Studentin J auf eine Bierkiste und verkündet eine Vielzahl von spontan erfundenen „Gesetzen“, an die sich alle Menschen in Deutschland fortan halten sollen. Die Gäste stimmen alle zu.

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Einordnung des Falls

Einleitung Gesetzgebungsverfahren

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Parlamentsgesetze sind die wichtigste Handlungsform des Staates im repräsentativ-demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes.

Genau, so ist das!

Der Wille des Volkes in der repräsentativen Demokratie äußert sich vor Allem dadurch, dass der vom Volk gewählte Gesetzgeber Parlamentsgesetze erlässt. Die Verwaltung und die Rechtsprechung sind im Rechtsstaat umfassend an Recht und Gesetz, also insbesondere an diese Parlamentsgesetze, gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Durch diese Bindung wird sichergestellt, dass sich die Ausübung von Staatsgewalt auf den Willen des demokratisch gewählten Gesetzgebers und somit mittelbar auf das Volk zurückführen lässt. Durch Parlamentsgesetze steuert der Gesetzgeber das staatliche Handeln und gestaltet das gesellschaftliche Zusammenleben. Die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren (Art. 76-82 GG) sollen gewährleisten, dass Parlamentsgesetze stets in einem Willensbildungsprozess erlassen werden, der den rechtsstaatlichen Anforderungen an Transparenz und Rechtssicherheit entspricht.
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2. Neben dem Erlass von Parlamentsgesetzen kommt den Volksgesetzen unter dem Grundgesetz eine zentrale Rolle zu. Diese werden vom Volk in individuellen Zusammenkünften beschlossen und verkündet.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Ausübung von Staatsgewalt in der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes erfolgt mediatisiert: Das Volk wählt in regelmäßigen Wahlen das Parlament, und alle weiteren Hoheitsträger in Exekutive und Judikative müssen in persönlicher und sachlicher Hinsicht auf eine ununterbrochene Legitimationskette zurückgehen auf die Wahl des Parlaments durch das Volk. Demgegenüber verzichtet die repräsentative Demokratie des GG weitgehend auf Formen direkter Demokratie. Der Erlass bindenden Rechts ist den staatlichen Einrichtungen vorbehalten, die dadurch durch das GG berufen sind. Diese Struktur der Ausübung von Hoheitsgewalt ist nicht zwingend. Andere Staaten überantworten ihrem Volk weiterreichende Befugnisse beim Erlass von Gesetzen. Auch in der Weimarer Republik spielte der Volksentscheid eine große Rolle im Gesetzgebungsverfahren (vgl. Art. 73-76 WRV).

3. Das Grundgesetz regelt das Gesetzgebungsverfahren für alle materiellen Bundesgesetze (Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen und Satzungen).

Nein!

Im Gesetzgebungsverfahren werden nur Parlamentsgesetze (= „formelle Gesetze“) verabschiedet. Dies schließt verfassungsändernde Gesetze mit ein (Art. 79 GG). Für den Erlass von Rechtsverordnungen sieht Art. 80 Abs. 1-4 GG ein besonderes Verfahren vor, das sich vom Gesetzgebungsverfahren unterscheidet; für den Erlass von Satzungen und anderen untergesetzlichen Normen ist in der Verfassung kein besonderes Verfahren vorgesehen, sondern lediglich einfachgesetzlich geregelt. Für den Erlass von Rechtsverordnungen und Satzungen bedarf es grundsätzlich einer Grundlage in einem Parlamentsgesetz.

4. Verabschiedet der Bundestag Parlamentsgesetze ganz allein?

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Bundestag ist zwar das zentrale Gesetzgebungsorgan im Gesetzgebungsverfahren, aber nicht das einzige. Die Bundesregierung (Art. 76 Abs. 1 Var. 1 GG, vgl. auch Art. 58 S. 1 GG), der Bundesrat (Art. 76 Abs. 1 Var. 3 GG, Art. 77-78 GG) und der Bundespräsident (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG) sind auch beteiligt. Zudem werden auch auf Landesebene Parlamentsgesetze verabschiedet. Hauptakteur ist dann das jeweilige Landesparlament. Gerade wegen der immensen Bedeutung von Parlamentsgesetzen müssen neben dem Parlament weitere Akteure in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden werden. Dies ist ein Gebot der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) und im Falle der Mitwirkung des Bundesrates auch des Bundesstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG).

5. Der Bundesrat steht im Gesetzgebungsverfahren gleichberechtigt als „zweite Kammer“ neben dem Bundestag.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Zwei-Kammer-System (wie etwa in den USA) zeichnet sich dadurch aus, dass die Volksvertretung aus zwei selbstständigen Beschlussgremien besteht, die für das Zustandekommen eines Gesetzes beide zustimmen müssen, insoweit also weitgehend gleichberechtigt sind. Der Bundesrat hat im Vergleich zum Bundestag schwächer ausgeprägte Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren. Lediglich bei bestimmten Gesetzen - sog. Zustimmungsgesetzen - kommt ihm eine Art „Veto-Recht“ zu.

6. Das Gesetzgebungsverfahren des GG ist mit den Gesetzgebungsverfahren vorheriger Verfassungen Deutschlands vergleichbar.

Ja!

Die Beteiligung der Länder an der Bundesgesetzgebung durch ein Vertretungsorgan der Länder war schon in der Frankfurter Paulskirchenverfassung (1849) angelegt. Für das Grundgesetz wurde besonders an das Gesetzgebungsverfahrens der Weimarer Reichsverfassung (1919) angeknüpft (vgl. Art. 68-78 WRV): Die wesentlichen Verfahrensschritte des Einleitungsverfahrens (Art. 68 Abs. 1; 69 WRV), des Hauptverfahrens (Art. 68 Abs. 2; 74 WRV) und des Abschlussverfahrens (Art. 70-71 WRV) sind den Art. 76-82 GG durchaus ähnlich.

7. Finden sich alle relevanten Vorschriften für die Prüfung des Gesetzgebungsverfahrens in den Art. 76-82 GG?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Regelungen des Grundgesetzes zum Gesetzgebungsverfahren sind in Art. 76-82 GG zu finden. Allerdings müssen auch die Vorschriften der Geschäftsordnungen des Bundestages (§§ 45, 75-86 GO-BT), des Bundesrates (§§ 23-30 GO-BR), der Bundesregierung (§§ 23-31 GO-BReg) und ggf. des Vermittlungsausschusses beachtet werden. Für alle staatsorganisationsrechtlichen Klausuren solltest Du mit den wichtigsten Normen und Strukturen des GG vertraut sein. Wenn es in der Klausur um ein Gesetzgebungsverfahren geht, solltest Du darüber hinaus auch einen groben Überblick über die jeweils einschlägige Geschäftsordnung haben!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🦊²

🦊²

13.3.2022, 17:36:58

Ganz tolle Darstellung! Insbesondere die Querverbindungen haben mir besonders gut gefallen! Weiter so 👍 Liebe Grüße 🦊²

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.3.2022, 11:10:08

Vielen Dank, Fuchs². Das gebe ich gerne an den Autor des Falles weiter :-)

Juraddicted

Juraddicted

8.9.2024, 13:01:59

Haben wir Zugriff auf die zitierten Artikel (sofern sie „unterstrichen“ sind) und wenn ja, „wie“? Bei mir wird nach LogIn Daten gefragt… vielen Dank :)

LELEE

Leo Lee

9.9.2024, 06:15:11

Hallo Juraddicted, vielen Dank für die sehr wichtige Frage! Zur Zeit haben wir leider keine Kooperation mit Beck Online, weshalb die Artikel nicht über unsere Plattform zugänglich sind. D.h., du müsstest dich immer noch mit deinem Uni-Zugang einloggen (diesen gibt es an jeder Uni, an der du eingeschrieben bist), um den Artikel zu lesen! Wir bitten insofern um Verständnis und wünschen dir noch viel Spaß auf Jurafuchs :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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