Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Besonders schwerer Fall des Diebstahls (§ 243 StGB)

Abwandlung - Verloren gegangener Schlüssel als falscher Schlüssel i.S.v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB

Abwandlung - Verloren gegangener Schlüssel als falscher Schlüssel i.S.v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der schusselige S verliert den Schlüssel zu dem Keller seiner Mietwohnung, in dem seine Modelleisenbahn steht. Bevor dieser den Verlust bemerkt, findet seine Modellbaukonkurrentin M den Schlüssel und verschafft sich damit Zugang zu dem Keller. Dort entwendet sie eine Modelllok des S.

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Einordnung des Falls

Abwandlung - Verloren gegangener Schlüssel als falscher Schlüssel i.S.v. § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M ist in einen umschlossenen Raum eingedrungen (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB).

Ja!

Ein umschlossener Raum ist jedes Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden und das mit Vorrichtungen umgeben ist, die das Eindringen von Unbefugten abwehren sollen. Eindringen ist jedes Betreten des Raums ohne oder gegen den Willen des Berechtigten. Berechtigter ist derjenige, dem die Verfügungsgewalt über den Raum zusteht. Das muss nicht der Eigentümer, sondern kann z. B. auch ein Mieter sein. S ist Mieter einer Wohnung, zu der auch der gegenständliche Keller gehört. Zu eben diesen verschafft sich M Zutritt, ohne dass S davon überhaupt Kenntnis hat.
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2. M hat dafür einen "falschen Schlüssel" verwendet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Schlüssel ist falsch, wenn er zur Tatzeit vom Berechtigten entweder überhaupt nicht oder nicht mehr zum Öffnen des betreffenden Verschlusses bestimmt ("gewidmet") ist. Der Gebrauch eines falschen ist dabei von dem Missbrauch eines richtigen Schlüssels zu unterscheiden. Bei dem Verlust eines richtigen Schlüssels ist in der Regel erst mit dem Entdecken des Verlusts durch den Berechtigten von einer (konkludenten) Entwidmung auszugehen. M hat sich mit dem bei S verlustig gegangenen Schlüssel Zugang zu dem Keller verschafft. Dies geschah allerdings zu einem Zeitpunkt bevor S den Verlust seines Schlüssels überhaupt bemerkt hat. Der Schlüssel war zur Tatzeit also noch zum Öffnen des Kellers bestimmt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MariHa

MariHa

3.7.2022, 21:14:28

Also Strafbarkeit nur nach einfachem Diebstahl?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

8.7.2022, 13:24:52

Hallo MariHa, genau. Mangels Entwidmung des Schlüssels ist es nur ein Missbrauch eines richtigen Schlüssels und kein Fall des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB. Daneben steht ein Hausfriedensbruch. Neben § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB tritt er nach überwiegender Auffassung im Wege der

Konsumtion

zurück. Da letzterer aber nicht erfüllt ist, könnte man den daneben stehen lassen. Insbesondere ist Gewahrsamsinhaber und Hausrechtsinhaber nicht zwingend dieselbe Person, sodass er nicht notwendigerweise mitverwirklicht ist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

nullumcrimen

nullumcrimen

29.5.2024, 11:26:32

Hier wird ja von einer

konkludent

en Entwidmung gesprochen; ist dies jedoch nicht erst der Fall, wenn T weiss, dass O den Verlust mitbekommen hat? Kommt es hier auf die Vorstellung des T oder die tatsächlichen Umstände an?

BigLebowski

BigLebowski

16.6.2024, 16:09:53

Hi! Ich habe das so verstanden, dass es auf den Willen des Berechtigten ankommt, der die

Verfügungsgewalt

(über das Gebäude/den Geschäftsraum/den umschlossenen Raum) hat. Der Schlüssel darf zur Tatzeit vom Berechtigten (sprich: nur vom Berechtigten) nicht, nicht mehr oder noch nicht zum Öffnen bestimmt sein. Hier im Beispiel kommt es darauf an, dass O den Verlust des Schlüssels bemerkt, erst dann wird eine

konkludent

e ("einseitige") Entwidmung des Schlüssels durch den Berechtigten, hier O, angenommen. Davon, dass O den Verlust bemerkt, muss T nichts mitbekommen. Würde dies eine Entwidmung und damit die Falschheit des Schlüssels entfallen lassen, wäre das eine recht seltsame Privilegierung des T.


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