Strafrecht

BT 6: Urkundsdelikte u.a.

Urkundenfälschung (§ 267 StGB)

Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen

Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A ist wegen Diebstahls angeklagt. B soll vor Gericht als Zeugin vernommen werden. A möchte, dass B wahrheitswidrig aussagt, dass sie am Tattag zusammen am See waren. B befolgt dem Wunsch. Ihre Aussage wird akustisch mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen.

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Einordnung des Falls

Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die mündliche Aussage der B vor Gericht ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.

Nein!

Eine menschliche Gedankenerklärung ist die willentliche Entäußerung zur Nachrichtenübermittlung geeigneter und bestimmter Zeichen durch einen Menschen. Sie ist verkörpert, wenn sie eine hinreichend feste Verbindung mit einem körperlichen Gegenstand aufweist und visuell erfassbar ist. Dies fehlt bei mündlichen Gedankenäußerungen. Die Aussage der B enthält einen menschlichen Gedanken. Sie ist als verbale Erklärung jedoch nicht verkörpert.
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2. Die aufgezeichnete Audiodatei der Aussage ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ton- und Bildträger (wie CDs, DVDs) eignen sich zur Fixierung mündlicher Erklärungen. Der gedankliche Inhalt ist aber selbst nicht optisch wahrnehmbar. Auch elektronisch gespeicherte Daten (E-Mails) erscheinen auf dem Bildschirm nicht in dauerhaft verkörperter Form. Die aufgezeichnete Audiodatei ermöglicht nicht, dass der Inhalt optisch-visuell aufgenommen werden kann.

3. Das ausgedruckte Protokoll über die mündliche Verhandlung ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.

Ja, in der Tat!

Bs Aussage wird in das Protokoll über die mündliche Verhandlung einfließen (§ 273 Abs. 2 StPO). Das Hauptverhandlungsprotokoll (§ 271ff. StPO) beinhaltet einen menschlichen Gedanken und ist in Papierform verkörpert (Perpetuierungsfunktion). Das Protokoll erfüllt auch die weiteren Merkmale der Urkunde (Beweis- und Garantiefunktion). B hat indes keine der drei Tathandlungen des § 267 Abs. 1 StGB begangen. Die Urkunde hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hergestellt. Indem B vor Gericht als Zeugin eine falsche Aussage getätigt hat, hat sie sich wegen einer falschen uneidlichen Aussage (§ 153 StGB) strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

NIC

Nick

21.9.2022, 17:28:27

Wäre das dann auch eine mittelbare Falschbeurkundung § 271 StGB?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.9.2022, 10:26:56

Hallo Nick, dies wäre der Fall, wenn es sich bei dem Hauptverhandlungsprotokoll um eine öffentliche Urkunde handelt. Öffentliche Urkunden sind nach der Legaldefinition in § 415 ZPO „Urkunden, die von einer öffentlichen

Behörde

innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnis oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind.“ Einer qualifizierten Beweiswirkung im vorgenannten Sinn liegt nur vor, wenn die Urkunde eine Relevanz für den externen Rechtsverkehr entfaltet, also nicht nur für den internen Dienstbetrieb bestimmt ist. Beim Hauptverhandlungsprotokoll nach §§ 271 ff. StPO statuiert § 274 StPO eine besondere Beweiskraft (nur) für die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens; in Zivilsachen gilt Entsprechendes gemäß §§ 159 ff., 165 ZPO. Im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltene Aussagen von Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Sachverständigen sowie gerichtliche Feststellungen zur Sache werden hingegen ebenso wenig vom öffentlichen Glauben erfasst wie – entsprechend der Situation bei Urteilen – die Identität der erschienenen Personen. Die Beweiskraft erstreckt sich somit nicht auf die Aussage der Zeugin. Eine mittelbare Falschbeurkundung liegt nicht vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

TI

Timurso

5.12.2022, 17:51:35

Darüber hinaus müsste für eine mittelbare Falschbeurkundung auch eine Erklärung in die Urkunde aufgenommen werden, die überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer anderen Person abgegeben worden ist. Vorliegend wird jedoch genau das protokolliert, was gesagt wird. Insofern wäre die Urkunde auch nicht falsch.

JI

Jimmy105

14.8.2024, 12:31:54

Woraus folgt die Begrenzung auf visuell wahrnehmbare Objekte?

JUDI

judith

14.8.2024, 16:15:00

Es muss sich um einer verkörperte Gedankenerklärung handeln (

Perpetuierungsfunktion

).

JI

Jimmy105

16.8.2024, 22:07:05

in Schallplattenrillen sind auch Gedankenerklärungen verkörpert. Diese fallen aber anscheinend nicht darunter... Aus der Verkörperung allein folgt nicht die visuelle wahrnehmbarkeit

JUDI

judith

16.8.2024, 22:35:59

Das Erfordernis der visuellen Wahrnehmbarkeit der Erklärung folgt schon aus der

Perpetuierungsfunktion

. Die Erklärung muss visuell wahrnehmbar sein, da sie sonst nur mittels Hilfsmitteln sichtbar gemacht werden kann (wie zB die Schallplatte nur mit einem Schallplattenspieler)

JI

Jimmy105

17.8.2024, 12:41:59

ja, dann ginge es aber um die unmittelbare wahrnehmbarkeit ohne zwischenakte und hilfsmittel. Kennst du diese Stifte, deren Tinte man nur in Blaulicht lesen kann? visuell wahrnehmbar wäre die schrift, halt nur im speziellen licht. mich überzeugt das leider noch nicht (danke bis hierhin)


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