Strafrecht
BT 6: Urkundsdelikte u.a.
Urkundenfälschung (§ 267 StGB)
Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen
Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A ist wegen Diebstahls angeklagt. B soll vor Gericht als Zeugin vernommen werden. A möchte, dass B wahrheitswidrig aussagt, dass sie am Tattag zusammen am See waren. B befolgt dem Wunsch. Ihre Aussage wird akustisch mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und in das Hauptverhandlungsprotokoll aufgenommen.
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Einordnung des Falls
Perpetuierungsfunktion 2: mündliche Äußerungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die mündliche Aussage der B vor Gericht ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die aufgezeichnete Audiodatei der Aussage ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Das ausgedruckte Protokoll über die mündliche Verhandlung ist eine verkörperte menschliche Gedankenerklärung.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nick
21.9.2022, 17:28:27
Wäre das dann auch eine mittelbare Falschbeurkundung § 271 StGB?
Nora Mommsen
23.9.2022, 10:26:56
Hallo Nick, dies wäre der Fall, wenn es sich bei dem Hauptverhandlungsprotokoll um eine öffentliche Urkunde handelt. Öffentliche Urkunden sind nach der Legaldefinition in § 415 ZPO „Urkunden, die von einer öffentlichen
Behördeinnerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnis oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind.“ Einer qualifizierten Beweiswirkung im vorgenannten Sinn liegt nur vor, wenn die Urkunde eine Relevanz für den externen Rechtsverkehr entfaltet, also nicht nur für den internen Dienstbetrieb bestimmt ist. Beim Hauptverhandlungsprotokoll nach §§ 271 ff. StPO s
tatuiert § 274 StPO eine besondere Beweiskraft (nur) für die wesentlichen Förmlichkeiten des Verfahrens; in Zivilsachen gilt Entsprechendes gemäß §§ 159 ff., 165 ZPO. Im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltene Aussagen von Verfahrensbeteiligten, Zeugen und Sachverständigen sowie gerichtliche Feststellungen zur Sache werden hingegen ebenso wenig vom öffentlichen Glauben erfasst wie – entsprechend der Situation bei Urteilen – die Identität der erschienenen Personen. Die Beweiskraft erstreckt sich somit nicht auf die Aussage der Zeugin. Eine mittelbare Falschbeurkundung liegt nicht vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Timurso
5.12.2022, 17:51:35
Darüber hinaus müsste für eine mittelbare Falschbeurkundung auch eine Erklärung in die Urkunde aufgenommen werden, die überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer anderen Person abgegeben worden ist. Vorliegend wird jedoch genau das protokolliert, was gesagt wird. Insofern wäre die Urkunde auch nicht falsch.
Jimmy105
14.8.2024, 12:31:54
Woraus folgt die Begrenzung auf visuell wahrnehmbare Objekte?
judith
14.8.2024, 16:15:00
Es muss sich um einer verkörperte Gedankenerklärung handeln (
Perpetuierungsfunktion).
Jimmy105
16.8.2024, 22:07:05
in Schallplattenrillen sind auch Gedankenerklärungen verkörpert. Diese fallen aber anscheinend nicht darunter... Aus der Verkörperung allein folgt nicht die visuelle wahrnehmbarkeit
judith
16.8.2024, 22:35:59
Das Erfordernis der visuellen Wahrnehmbarkeit der Erklärung folgt schon aus der
Perpetuierungsfunktion. Die Erklärung muss visuell wahrnehmbar sein, da sie sonst nur mittels Hilfsmitteln sichtbar gemacht werden kann (wie zB die Schallplatte nur mit einem Schallplattenspieler)
Jimmy105
17.8.2024, 12:41:59
ja, dann ginge es aber um die unmittelbare wahrnehmbarkeit ohne zwischenakte und hilfsmittel. Kennst du diese Stifte, deren Tinte man nur in Blaulicht lesen kann? visuell wahrnehmbar wäre die schrift, halt nur im speziellen licht. mich überzeugt das leider noch nicht (danke bis hierhin)
agi
19.10.2024, 16:50:21
Die gängige Definition der Urkunde iSd §267 ist: jede verkörperte menschliche Gedankenerklärung, di zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und die ihren Aussteller erkennen lässt. Verkörpert ist eine Urkunde, wenn sie eine hinreichende feste Verbindung mit einem körperlichen Gegenstand hat UND visuell erfassbar ist. Die visuelle VSS ergibt sich aus der Definition. Somit ist zwar eine Schallplatte ein verkörperter Gegenstand, aber die Gedankenerklärung ist nicht sichtbar, sondern nur akustisch wahrnehmbar. Sollte dadurch aber eine Kopie angefertigt werden könnte die Verkörperung evtl. aber vorliegen.