Beurteilung des Verhaltens eines "Abbruchsjägers" bei eBay als rechtsmissbräulich
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
B stellt einen Reifensatz im Wert von €1.701 bei eBay mit einem Startpreis von €1 ein. Er bricht die Auktion ohne Grund vorzeitig ab. Zu diesem Zeitpunkt ist K mit einem Gebot von €201 der Höchstbietende. In frühreren Auktionen hat K bisher alle Artikel, auf die er erfolgreich geboten hat, auch abgenommen. K fordert B zur Herausgabe der Reifen gegen Zahlung von €201 auf. B verweigert dies. K möchte Schadensersatz.
Einordnung des Falls
Beurteilung des Verhaltens eines "Abbruchsjägers" bei eBay als rechtsmissbräulich
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen B einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, wenn ein wirksamer Kaufvertrag vorliegt und B schuldhaft die fällige Leistung nicht erbringt (§§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB).
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Ja!
2. Trotz Abbruchs der Auktion ist ein Kaufvertrag zwischen K und B zustande gekommen.
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Genau, so ist das!
3. Der Schadensersatzanspruch ist ausgeschlossen, wenn K rechtsmissbräuchlich gehandelt hat.
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Ja, in der Tat!
4. Ein Rechtsmissbrauch läge z.B. vor, wenn K so viele Angebote auf verschiedene Artikel abgegeben hat, dass er die Gesamtsumme seiner Gebote nicht bezahlen könnte.
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Nein!
5. Da K bisher alle Artikel, auf die er erfolgreich geboten hat, auch abgenommen hat, scheidet ein Rechtsmissbrauch als "Abbruchjäger" aus.
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Tigerwitsch
4.3.2021, 22:36:23
Ich meine mich zu erinnern, dass man auch zwischen professionellen („bösen“) Abbruchjägern und demjenigen, der einfach ein Schnäppchen machen will, differenzieren könnte. Bei dem letzteren liege kein Rechtsmissbrauch vor. Bei ersteren könnte (Einzelfallabhängig) uU 242 BGB greifen... Liege ich da richtig?

Vulpes
5.3.2021, 07:21:37
Hallo Tigerwitsch ✌️ Da hast du meines Wissens nach absolut Recht. Genau diese Differenzierung wird auch bei der letzten Erklärung vorgenommen. B ist vorliegend nämlich eben kein Abbruchjäger.

Lukas_Mengestu
24.3.2021, 18:16:38
Hallo Tigerwitsch, in der Tat geht der BGH im Grundsatz davon aus, dass der Ebay-Käufer, der lediglich ein Schnäppchen machen will, darauf bestehen kann, dass der Vertrag durchgeführt wird. Insofern führt er auch aus, dass „die Annahme eines Rechtsmissbrauchs […] eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls [erfordert] und […] auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben [müsse]“ (vgl. BGH, Urteil vom 22.5.2019 – VIII ZR 182/17, NJW 2019, 2475). Insofern muss man grds. vorsichtig mit der vorschnellen Annahme eines Rechtsmissbrauches vorgehen. Ein solcher Ausnahmefall könne bei Bietern vorliegen, bei denen „die Absicht von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrags, sondern auf dessen Scheitern gerichtet ist“.

Lukas_Mengestu
24.3.2021, 18:17:01
Also dann, wenn sie „den angebotenen Gegenstand gar nicht erwerben [wollen], sondern [ihr Gebot] auf den Abbruch der Auktion abzielt, um daraufhin Schadensersatzansprüche geltend machen zu können (sog. Abbruchjäger).“ An genau dieser Stelle ist also im Einzelfall zu prüfen, ob eine solche rechtsmissbräuchliche Gesinnung vorliegt und § 242 BGB angewendet werden kann. Die Entscheidung hierüber überträgt der BGH den Tatrichtern der Ausgangsinstanz, wobei er wiederholt betont, dass insofern keine schematische Prüfung vorgenommen werden dürfe, sondern alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen und die Entscheidungen insofern auch nur beschränkt durch ihn selbst überprüfbar sind. Beste Grüße, Lukas – für das Jurafuchs-Team