Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2019
Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Pferdekauf
Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Pferdekauf
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V bietet K schriftlich an, von ihm Pferd F zu erwerben. Er schickt K aber ein Foto des hochwertigeren Pferdes G. Dieses wird K auch vorgeführt und übergeben. K und V sind sich über den Übergang einig. Im Vertrag wird G aber als F bezeichnet. V ging stets davon aus, dass er F übereignet.
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Einordnung des Falls
Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Pferdekauf
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. V verlangt nach Anfechtung Herausgabe des Pferdes G von K. Dies kann er verlangen, wenn er noch Eigentümer des Pferdes ist.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Anfechtungsgegenstand ist der am Tag der Übergabe geschlossene schuldrechtliche Vertrag.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Eine wirksame Anfechtung setzt insbesondere einen Anfechtungsgrund voraus.
Ja, in der Tat!
4. Die Verwechslung des Pferdes stellt für V einen Irrtum über die Identität des Geschäftsgegenstandes dar (error in objecto).
Ja!
5. Der error in objecto kann einen Inhaltsirrtum darstellen (§ 119 Abs. 1 S. 1 BGB)
Genau, so ist das!
6. Der error in objecto kann ebenfalls einen Eigenschaftsirrtum darstellen (§ 119 Abs. 2 BGB).
Ja, in der Tat!
7. Bei G handelt es sich ausweislich Alter und Stammbaum um ein hochwertigeres Pferd als F. Alter und Stammbaum eines Pferdes sind verkehrswesentliche Eigenschaften (§ 119 Abs. 2 BGB).
Ja!
8. V ist zwar Eigentümer. Aus dem Vertrag ergibt sich jedoch ein Recht zum Besitz an dem Pferd G für K gemäß § 986 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Niro
9.11.2021, 09:38:36
Interessant wäre hier noch die nachfolgende mögliche Anfechtung des schuldrechtlichen Vertrages durch K einzubauen
Lukas_Mengestu
9.11.2021, 10:56:21
Hallo Niro, auf schuldrechtlicher Ebene läuft der Fall gerade umgekehrt. Wenn K also das Pferd F, das er laut Vertrag erworben hat nicht gefällt, so könnte er seinerseits wegen Inhalts- bzw.
Eigenschaftsirrtumden schuldrechtlichen Vertrag anfechten. Wir haben das als Vertiefungshinweis noch mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Onagh
26.12.2021, 16:03:20
Kann es sein, dass die Bezeichnungen V und K im Fall teils falsch gesetzt wurden. Weil auf mich macht der Fall sonst keinen Sinn🤔 bitte entschuldigt mich, falls ich mich da vertan haben sollte🙈
Marilena
27.12.2021, 10:24:26
Guten Morgen Onagh, danke Dir für den Hinweis! Wir haben uns den Fall nochmal angesehen, konnten aber keine Vertauschung oder Ähnliches erkennen. Könntest Du uns eine konkrete Stelle nennen, an der „der Fall sonst keinen Sinn“ macht? Wir möchten das gerne für Dich aufklären. Liebe Grüße Marilena für das Jurafuchs-Team
Philipp Paasch
17.7.2022, 09:38:37
Ich bin auch gespannt. 🙈
Johannes Nebe
22.4.2023, 10:25:49
Zur Anmerkung von Onagh: Ich sehe auch eine Stelle, die zur Verwechslung von V und K einlädt. Der Fall geht los mit: "V bietet K schriftlich an, von ihm Pferd F zu erwerben." Nach normaler Sprachlogik heißt das, dass V von K ein Pferd zu erwerben wünscht. Der erweiterte Infinitiv bezieht sich auf V als Subjekt des Hauptsatzes. Der erste Satz ist also logisch misslungen, und der Leser muss darüber entweder hinweggehen (denn V wird schon der Verkäufer sein ...) oder er muss seine erste Vorstellung im Laufe des Textes mühsam korrigieren.
Philipp Paasch
24.4.2023, 00:58:41
Das Wort "ihm" bezieht sich auf das Subjekt des vorangegangenen Satzes, hier Teilsatzes. Also sagt der Satz, dass K von V angeboten bekommt, von V ein Pferd zu erwerben. Würde es sich auf das Objekt beziehen, müsste dort "jenem" oder "diesem" stehen (als Dativobjekt). So habe ich es zumindest in Latein/Deutsch gelernt.
Johannes Nebe
24.4.2023, 10:20:33
Ja, Philipp, in bezug auf "ihm" kann ich Dir zustimmen. Das zweite Problem ist aber, wer im erweiterten Infinitiv Subjekt sein soll. Das wäre normalerweise V. Wenn es zweideutig ist, ist es auch nicht gut formuliert.
Philipp Paasch
24.4.2023, 10:28:34
Da stimme ich Dir zu.
Philipp Paasch
17.7.2022, 09:42:50
Wenn K ein Bild von Pferd G bekam und auch das Pferd 🐎 G vorgeführt bekommen hat, dann müsste sich seine Willenserklärung für das schuldrechtliche Geschäft auch auf G beziehen. Die Falschbezeichnung im Vertrag als F kann ihn ja gar nicht treffen, da er F nicht kennt. Solange man hier keinen Dissens annimmt, hat er daraus ein Recht zum Besitz, oder verstehe ich da was falsch? 🤔
Nora Mommsen
2.8.2022, 13:46:28
Hallo Philipp Paasch, die Falschbezeichnung ist insofern relevant, dass er ja F meinte im schulrechtlichen Vertrag. Lediglich im Rahmen des dinglichen Geschäfts unterlag er dem Irrtum G sei F. Er wollte aber das Eigentum und Recht zum Besitz am Pferd mit F´´´s Abstammung und Wert erwerben... Die schuldrechtliche Erklärung bezog sich daher auf F. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Johannes Nebe
12.5.2024, 11:36:19
Ich bin hier eher auf der Seite von @Philipp Paasch. Aus der Sicht von K ist die Bezeichnung des Pferdes als F eine
falsa demonstratio, die nicht schadet. Denn G ist alles, was K kennt. Welche Vorstellungen V vom verkauften Pferd hat, geht aus dem Sachverhalt nicht klar hervor, auch wenn in den Erläuterungen behauptet wird, er habe sich geirrt. Wenn V bei der Vorführung dabei gewesen sein sollte, wäre das ein Argument gegen die Annahme, dass V in Bezug auf den schuldrechtlichen Vertrag abweichende Vorstellungen vom verkauften Pferd hatte.
Victoria P.
26.4.2024, 11:06:56
Liebes Jurafuchs-Team! Vorliegend wird dem K ein Recht zum Besitz des Pferdes G versagt, weil im Kaufvertrag ausdrücklich das Pferd F betitelt wird. Er könne sich hieraus also kein Recht zum Besitz an dem Pferd G ableiten. Ich verstehe hier dann aber nicht ganz den Unterschied zu dem Fall, in dem ein Verkäufer sich beim Versand vergriffen hat und aus Versehen eine echte Rolex übereignet hat, obwohl der Kaufvertrag sich auf ein Rolex-Imitat bezog. Hier nahm man aber ein Recht zum Besitz an, da der Verkäufer das Imitat zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit geleistet hat. Um den Besitz kondizieren zu können, hätte man erst die
Tilgungsbestimmunggem. § 119 I BGB analog anfechten müssen, damit die echte Rolex den Bezug zum Kaufvertrag verliert. Könnte mir jemand netterweise den Unterschied in der Begründung erklären? Danke!