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Recht auf Vergessen II – Löschung des Eintrags eines Suchmaschinenbetreibers

Recht auf Vergessen II – Löschung des Eintrags eines Suchmaschinenbetreibers

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Geschäftsführerin G wird 2010 in der NDR-Doku „Fiese Arbeitgeber-Tricks“ ein unfairer Umgang mit einem gekündigten Mitarbeiter vorgeworfen. G hatte dem NDR freiwillig ein Interview gegeben. Bei einer Google-Namenssuche der G wird die Doku 2017 unter den vorderen Treffern angezeigt. G begehrt erfolglos die Entfernung des Links.

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Einordnung des Falls

Recht auf Vergessen II – Löschung des Eintrags eines Suchmaschinenbetreibers

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Neben den Grundrechten des Grundgesetzes findet stets auch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCh) Anwendung.

Nein, das trifft nicht zu!

Innerstaatliches Recht und dessen Anwendung sind nur dann am Maßstab der GrCh zu messen, wenn die „Durchführung von Unionsrecht“ (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GrCh) infrage steht. Wenn aber der Anwendungsbereich der GrCh eröffnet ist, kann es im Einzelfall zu einer gleichzeitigen Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte neben den Grundrechten des GG kommen.
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2. Der vorliegende Fall betrifft aufgrund seines erkennbaren Bezugs zum europäischen Datenschutzrecht die „Durchführung von Unionsrecht“ (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GrCh).

Ja!

BVerfG: Der von G verfolgte Anspruch betreffe Fragen des unionsweit abschließend vereinheitlichten Datenschutzrechts. Die Frage, welche personenbezogenen Daten eine Suchmaschine nachweisen darf, falle in den Anwendungsbereich der DS-GVO bzw. der damaligen Datenschutzrichtlinie 95/46/EG. Sie liege aber - anders in "Recht auf Vergessen I" - nicht im Bereich des sog. Medienprivilegs (Art. 85 Abs. 2 DS-GVO), für dessen Ausgestaltung den Mitgliedstaaten ein Gestaltungsspielraum zusteht, denn die hier infrage stehende Datenverarbeitung des Suchmaschinenbetreibers erfolge nicht zu journalistischen Zwecken (RdNr. 34ff.).

3. Im vollständig unionsrechtlich determinierten Bereich sind grundsätzlich allein die Unionsgrundrechte (GrCh) anwendbar, denn diese haben gegenüber den Grundrechten des GG Anwendungsvorrang.

Genau, so ist das!

Richtig – bei der Anwendung unionsrechtlich vollständig vereinheitlichten Rechts seien laut BVerfG grundsätzlich allein die Unionsgrundrechte maßgeblich. Die Nichtanwendung der deutschen Grundrechte beruhe auf der Anerkennung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (RdNr. 42). In diesem Zusammenhang verweist das BVerfG auf seine ständige Rechtsprechung, nach der die Grundrechte des GG für die Gültigkeitsprüfung unionsrechtlicher Normen ohne Bedeutung seien. Dasselbe gelte nun auch für die Anwendung dieser Normen durch deutsche Gerichte. Dies sei die Konsequenz der Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf die EU (Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG) (RdNr. 44).

4. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gilt ausnahmslos.

Nein, das trifft nicht zu!

BVerfG: Die Grundrechte des GG seien hier zwar nicht anwendbar, aber sie „bleiben dahinterliegend ruhend in Kraft“ und können notfalls mit der Verfassungsbeschwerde „aktiviert“ werden. Das BVerfG behält sich – im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung – vor, bei mangelnder Wirksamkeit des unionsrechtlichen Grundrechtsschutzes doch auf die Grundrechte des GG zurückzugreifen. Im Übrigen blieben auch die weiteren Vorbehalte der Ultra-vires-Kontrolle und der Wahrung der Verfassungsidentität unberührt (RdNr. 47, 49).

5. Beurteilungsmaßstab der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG) sind grundsätzlich nur die Grundrechte des Grundgesetzes.

Ja!

Richtig – innerstaatliches Recht und dessen Anwendung prüft das BVerfG grundsätzlich am Maßstab der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte des Grundgesetzes (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG).

6. Im vollständig unionsrechtlich determinierten Bereich kontrolliert das BVerfG die Rechtsanwendung durch deutsche Stellen am Maßstab der Unionsgrundrechte (GrCh).

Genau, so ist das!

BVerfG: Die Prüfungskompetenz des BVerfG folge dabei aus dessen Integrationsverantwortung (Art. 23 Abs. 1 GG) in Verbindung mit den grundgesetzlichen Vorschriften über die Aufgaben des BVerfG im Bereich des Grundrechtsschutzes. Das BVerfG könne sich nicht aus der Grundrechtsprüfung zurückziehen, nur weil die Rechtslage vollständig unionsrechtlich determiniert ist, denn es sei dessen Aufgabe, für umfassenden Grundrechtsschutz zu sorgen. Anderenfalls bestehe auch eine Lücke im Grundrechtsschutz, da Grundrechtsverletzungen durch die Fachgerichtsbarkeit nicht vor dem EuGH geltend gemacht werden können (RdNr. 53ff.).

7. In Zukunft können auch die Unionsgrundrechte (GrCh) Prüfungsmaßstab einer Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG) vor dem BVerfG sein.

Ja, in der Tat!

Soweit die Grundrechte des GG durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts verdrängt werden, kontrolliert das BVerfG dessen innerstaatliche Anwendung fortan am Maßstab der GrCh – so verfahren auch andere europäische Verfassungsgerichte. Eine Prüfung am Maßstab der GrCh habe es bislang „nicht ausdrücklich in Erwägung gezogen“ (RdNr. 50f.). Vielmehr urteilte das BVerfG in seiner bisherigen Rspr., unionsrechtlich begründete Rechte könnten nicht mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Aus der Integrationsverantwortung des BVerfG folge aber, dass Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG auf die GrCh entsprechend anwendbar ist (RdNr. 67).

8. Der vorliegende Fall ist vom BVerfG nach den Unionsgrundrechten (GrCh) zu beurteilen.

Ja!

Hier geht es um vollständig unionsrechtlich determiniertes Regelungen des Datenschutzrechts. Damit ist die GrCh in materieller Hinsicht anwendbar (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GrCh). Im vollständig determinierten Bereich verdrängen die Unionsgrundrechte die Grundrechte des GG aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts. In diesen Fällen hat das BVerfG schließlich auch die Prüfungskompetenz, innerstaatliche Rechtsanwendung im Rahmen der Verfassungsbeschwerde am Maßstab der Unionsgrundrechte zu messen (vgl. RdNr. 50).

9. Die Unionsgrundrechte sind vom BVerfG nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen, die auch für die Grundrechte des GG gelten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das BVerfG betont, dass es seine Kontrolle „in enger Kooperation“ mit dem EuGH ausübt und dieser für die letztverbindliche Auslegung des Unionsrechts zuständig ist. Deshalb komme eine Anwendung der GrCh durch das BVerfG nur in Betracht, wenn der EuGH „deren Auslegung bereits geklärt hat oder die anzuwendenden Auslegungsgrundsätze aus sich heraus offenkundig sind“ – anderenfalls seien die Fragen dem EuGH im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 Abs. 3 AEUV) vorzulegen. Mit Blick auf die Einheit des Unionsrechts müsse die Auslegung unmittelbar an der GrCh selbst und der Rechtsprechung der europäischen Gerichte ansetzen (RdNr. 68ff.).

10. Die Grundrechte der GrCh gelten auch in privatrechtlichen Streitigkeiten.

Ja, in der Tat!

G begehrt vorliegend vom Suchmaschinenbetreiber die Entfernung eines Links, sodass es sich um einen privatrechtlichen Rechtsstreit handelt. Dieser beruhte zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung auf §§ 29, 35 BDSG (a.F.). BVerfG: Die GrCh gewährleiste nicht nur Schutz im Staat-Bürger-Verhältnis, sondern auch in privatrechtlichen Streitigkeiten. Zwar könne insoweit keine mittelbare Drittwirkung wie nach deutschem Verfassungsrecht zugrunde gelegt werden. Im Ergebnis komme der GrCh jedoch im Verhältnis zwischen Privaten eine ähnliche Wirkung zu (RdNr. 96f.).

11. G kann sich auf ihre Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 7 GrCh) und auf Schutz personenbezogener Daten (Art. 8 GrCh) berufen.

Ja!

BVerfG: Die Gewährleistungen in Art. 7 und 8 GrCh schützen vor der Verarbeitung personenbezogener Daten und verlangen die „Achtung des Privatlebens“. Sie seien eng aufeinander bezogen und bilden, jedenfalls, soweit es um die Verarbeitung personenbezogener Daten geht, eine „einheitliche Schutzverbürgung“. Dies gelte insbesondere auch für den Schutz Betroffener vor den Nachweisen einer Suchmaschine (RdNr. 99f.).

12. Aufseiten des Suchmaschinenbetreibers ist sein Recht auf unternehmerische Freiheit (Art. 16 GrCh) in die Abwägung einzustellen.

Genau, so ist das!

BVerfG: Der von Art. 16 GrCh gewährte Schutz umfasse die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben sowie die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb. Hierzu gehöre auch das Angebot von Internet-Suchdiensten. Für die unternehmerische Freiheit folge im Übrigen bereits aus dem Wortlaut „Unternehmen“, dass nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen in dessen Schutzbereich fallen (RdNr. 103f.).

13. Ebenfalls in die Abwägung einzustellen, sind die Meinungsfreiheit der verlinkten Inhalteanbieter (hier des NDR) sowie die Informationsinteressen der Nutzer.

Ja, in der Tat!

BVerfG: „Soweit in einem Rechtsstreit zwischen einem Betroffenen und dem Suchmaschinenbetreiber über eine Auslistung notwendig zugleich über eine in der Auslistung liegende Einschränkung von Grundrechten Dritter mitentschieden wird, sind auch diese in die Prüfung einzubeziehen“. Einem Suchmaschinenbetreiber dürfe nichts aufgegeben werden, was die Grundrechte Dritter verletzt (RdNr. 107). Vorliegend werden die Meinungsfreiheit des Inhaltsanbieters sowie das Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen (Art. 11 GrCh) mit berührt und müssen dementsprechend bei der Abwägung berücksichtigt werden

14. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Grundrechte überwiegen vorliegend die Grundrechte der G (Art. 7 und 8 GrCh).

Nein!

Das BVerfG erkennt zunächst, dass die klassische Unterscheidung in „Sphären“ im Zuge der Digitalisierung an Bedeutung verliert; zwischen Privat- und Sozialsphäre sei angesichts der Auffindbarkeit von Informationen „kaum mehr zu unterscheiden“ (RdNr. 128). Dennoch fällt die Abwägung zulasten der G aus. Maßgeblich sei, dass G damals dem NDR im Zuge der Doku ein Interview gegeben hat und damit „selbst in die Öffentlichkeit getreten“ ist. Es bestehe ein fortdauerndes öffentliches Informationsinteresse an dem Thema, da G nach wie vor als Geschäftsführerin unternehmerisch tätig ist. Der Zeitraum von sieben Jahren sei auch „nicht übermäßig lang“ (RdNr. 134).

15. Die Verfassungsbeschwerde der G ist begründet.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die fachgerichtliche Entscheidung sei laut BVerfG nicht zu beanstanden. Sie habe den Grundrechten der GrCh hinreichend Rechnung getragen und zwischen den widerstreitenden Positionen einen vertretbaren Ausgleich gefunden (vgl. RdNr. 136). Im Übrigen hält das BVerfG fest, dass die Anwendung der Unionsgrundrechte auf den vorliegenden Fall keine Auslegungsfragen aufwerfe und damit eine Vorlage an den EuGH (Art. 267 Abs. 3 AEUV) nicht geboten sei (RdNr. 137).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

🔥1312

🔥1312🔥

23.3.2023, 11:26:33

Könnt ihr vielleicht noch mal erklären, was genau mit Integrationsverantwortung des BVerfG gemeint ist? Hab das leider nicht richtig verstanden.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.3.2023, 12:30:23

Hallo 1312, gerne. Um den Begriff der Integrationsverantwortung zu verstehen, kann man sich zunächst dem Begriff der "Integration" nähern. Integration steht nach Art. 1 II des EU-Vertrags und der Präambel des AEUV zunächst für das immer engere Zusammenwachsen der europäischen Völker in der Union. Dies geschah und geschieht sowohl auf wirtschaftlicher Ebene als auch auf politischer Ebene. Neben der EU und ihrer Organe selbst verpflichtet das natürlich auch die Mitgliedsstaaten. Im Grundgesetz ist diese Integration in Art. 23 GG und Art. 59 GG normiert. Das BVerfG hat daraus die "Integrationsverantwortung" abgeleitet. Diese betrifft aber nicht nur das BVerfG selbst, sondern alle Organe der Bundesrepublik Deutschland. Ist es so etwas verständlicher? Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

2.9.2023, 14:35:50

Lag im vorliegenden Fall ein acte-clair vor, weil sich bezüglich dieser Grundrechte der GRCh keine Auslegungsfragen stellten, und damit dann keine Pflicht zur Vorlage bestand? Und wie sieht es bezüglich anderer Grundrechte der GRCh aus, stellen sich bei diesen generell keine Auslegungsfragen?

DerChristoph

DerChristoph

1.8.2024, 10:40:57

Worin genau besteht der Unterschied zwischen den Recht auf Vergessen Entscheidungen I und II, abgesehen vom Ergebnis. Warum ist das Rechtsgebiet in der Entscheidung I nicht vollständig determiniert, sodass die GrCh keine Anwendung findet, und in der Entscheidung II gerade doch. Beide Entscheidung befassen sich mit dem Datenschutzrecht, beide Konstellationen sind ähnlich gelagert. Den entscheidenden Unterschied kann ich nicht erkennen. Ist er einfach zeitlich bedingt? (Vor und nach DSGVO?)

HAN

Hannah17

25.8.2024, 20:58:01

In Recht auf Vergessen I geht es m.A. nach darum, dass das BVerfG gesagt hat, dass eine Grundrechtsvielfalt besteht, d.h. neben den nationalen Grundrechten aus dem GG, auch die Grundrechte der Grundrechte-Charta Anwendung finden. Und hierbei hat das BVerfG festgestellt, dass wenn Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht, anhand des Maßstabes der nationalen Grundrechte überprüft wird, daneben aber die Wertungen der Charta auch Anwendung finden würden und mit einfließen. Der Unterschied zu

Recht auf Vergessen II

liegt dann darin, dass das BVerfG in Vergessen II festgehalten hat, dass es wenn kein Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten besteht, es selbst am Maßstab der Grundrechte Charta prüft. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde müsste man dann also bei der Beschwerdebefugnis auf diese Rechtsprechung(en) eingehen und schon einmal den „Prüfungsmaßstab vorwegnehmen“. Bzw. müsste Art. 93 I Nr. 4a GG unionrechtskonform ausgelegt werden. Ich habe mir das mit dem Umsetzungsspielraum so erklärt: In Recht auf Vergessen I besteht Umsetzungsspielraum aufgrund der Medienöffnungsklausel, d.h. aufgrund der unterschiedlichen Wertungen und Stellungen der Medien in den einzelnen Mitgliedsstaaten soll den Mitgliedstaaten die rechtliche Ausgestaltung überlassen werden. In

Recht auf Vergessen II

kann sich Google gerade nicht auf diese Medienklausel berufen, weshalb eine vollständige Determinierung vorläge.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

26.8.2024, 16:08:05

Hallo in die Runde, @[DerChristoph](80668) ich verstehe Deine Frage so, dass Dir nicht klar ist, warum das BVerfG bei der Entscheidung „Recht auf Vergessen I“ nicht angenommen hat, dass der Sachverhalt vollständig unionsrechtlich determiniert ist. Dies ergibt sich aus dem konkreten Sachverhalt: Bei Recht auf Vergessen I ging es um eine zivilrechtliche Entscheidung bzgl. einer identifizierenden Berichterstattung durch den SPIEGEL. Das (grundsätzlich vereinheitlichte) Unionsrecht bzgl. des Datenschutzrechts sieht Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten bzgl. der Daten, die u.A. für journalistische Zwecke verarbeitet wurden, vor (damals: Art. 9 DSRL 95/46/EG, nach Einführung der DSGVO: Art. 85 DSGVO). Der Sachverhalt war also gerade nicht vollständig durch das Unionsrecht determiniert, weil bzgl. des SPIEGELS das sog. datenschutzrechtliche Medienprivileg greift. Das BVerfG stellt klar: Da, wo die Regelungen durch den Mitgliedstaat selbst geschaffen werden (wegen des Gestaltungsspielraums) besteht auch unproblematisch die Kompetenz des BVerfG, diese Ausgestaltung an den Grundrechten zu messen (vgl. RdNr. 41ff. des Urteils). Im Rahmen von

Recht auf Vergessen II

lag dem Sachverhalt ein Rechtsstreit mit Google zu Grunde. Diese Suchmaschine kann sich gerade nicht auf das o.g. datenschutzrechtliche Medienprivileg berufen (siehe RdNr. 35ff. des Urteils). Aus diesem Grund war der Sachverhalt unionsrechtlich durch die datenschutzrechtlichen Normen vollständig determiniert. Somit sind, wegen der Anerkennung des Anwendungsvorrangs von Unionsrecht, nicht die nationalen Grundrechte Prüfmaßstab (RdNr. 47). Das BVerfG erklärt sich aber wegen Art. 23 Abs. 1 GG für zuständig, die Einhaltung der Unionsgrundrechte durch deutsche Stellen zu überprüfen (RdNr. 50). Die von Dir angesprochenen unterschiedlichen Ergebnisse folgen also schlicht aus den verschieden gelagerten Sachverhalten. In der Klausur hätte man in der Regel wohl genug Anhaltspunkte dafür, ob der betroffene Sachverhalt unionsrechtliche vollständig determiniert ist oder nicht. Dies ergibt sich meistens aus den entsprechenden unionsrechtlichen Normen, die (hoffentlich) mit der Klausur abgedruckt werden. Ich hoffe, ich konnte die Frage damit beantworten. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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