Vertragsbeendigung

6. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Zum Schutz ihres Computers kauft Verbraucherin V von Unternehmer U eine Antivirensoftware. Bei der Installation stellt sich heraus, dass die Software selbst von Viren befallen ist. V findet das absolut unerhört und möchte mit V und dem Vertrag nichts mehr zu tun haben.

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Einordnung des Falls

Vertragsbeendigung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB ist eröffnet (vgl. § 327 BGB).

Ja!

Es muss der persönliche und sachliche Anwendungsbereich eröffnet sein. Der persönliche Anwendungsbereich setzt einen Verbrauchervertrag voraus (§ 327 Abs. 1 S. 1 BGB). Der sachliche Anwendungsbereich setzt voraus, dass der Unternehmer gegen Zahlung eines Preises ein digitales Produkt bereitstellt. V ist Verbraucherin (vgl. § 13 BGB). U ist Unternehmer. Es liegt ein Verbrauchervertrag vor (§ 310 Abs. 3 BGB). Bei der Antivirensoftware handelt es sich um einen digitalen Inhalt i.S.d. § 327 Abs. 2 S. 1 BGB. Der Anwendungsbereich ist eröffnet.
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2. Die Antivirensoftware wurde bereitgestellt i.S.d. § 327b Abs. 3 BGB.

Genau, so ist das!

Ein digitaler Inhalt ist bereitgestellt, sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist. Laut Sachverhalt hat V die Antivirensoftware bereits installiert. Ihr ist sie also auf jeden Fall bereits zugänglich gemacht worden. Eine Bereitstellung liegt vor.

3. Die Antivirensoftware weicht von den subjektiven Anforderungen ab (§ 327e Abs. 2 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Was unter die subjektiven Anforderungen fällt, beschreibt § 327e Abs. 2 BGB. Dem Sachverhalt lassen sich keine Informationen zu dem vertraglich Vereinbartem entnehmen. Von einem Verstoß gegen die subjektiven Anforderungen ist daher nicht auszugehen.

4. Die Antivirensoftware erfüllt die objektiven Anforderungen (§ 327e Abs. 3 BGB).

Nein!

Was unter die objektiven Anforderungen fällt, beschreibt § 327e Abs. 3 BGB. Ob die Antivirensoftware tatsächlich auch Viren erkennt und bekämpft, ist unbekannt. Jedenfalls weicht eine virenbefallene Antivirensoftware von der üblichen Beschaffenheit, insbesondere der erwartbaren Sicherheit ab (§ 327e Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB). Die Antivirensoftware genügt somit nicht den objektiven Anforderungen. Es liegt ein Mangel vor.

5. V kann Nacherfüllung verlangen (§§ 327i Nr. 1, 327l BGB).

Genau, so ist das!

Die Voraussetzungen der Nacherfüllung sind (1) die Bereitstellung eines (2) digitalen Produkts, welches einen (3) Mangel aufweist und ein (4) Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers. Die Nacherfüllung ist bei objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit ausgeschlossen (§ 327l Abs. 2 S. 1 BGB). Es liegt ein Mangel eines digitalen Produkts nach Bereitstellung vor. V hat keine Nacherfüllung verlangt. Dies müsste sie, falls die eine solche begehrt, noch fordern.

6. Die Vertragsbeendigung setzt immer den Ablauf einer angemessenen Nacherfüllungsfrist voraus (§ 327m BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Voraussetzungen der Vertragsbeendigung sind (1) die Bereitstellung eines (2) digitalen Produkts, welches einen (3) Mangel aufweist, ein (4) Vertragsbeendigungsgrund des Verbrauchers und die (5) Erklärung der Vertragsbeendigung. Da die meisten Vertragsbeendigungsgründe an einen fehlerhaften Ablauf der Nacherfüllung anknüpfen, ist in der Regel auch ein erfolgloser Ablauf einer angemessenen Frist erforderlich. Der Fristablauf ist ausnahmsweise nicht erforderlich bei schwerwiegenden Mängeln (§ 327m Abs. 1 Nr. 4 BGB), wenn der Unternehmer die Nacherfüllung verweigert (§ 327m Abs. 1 Nr. 5 BGB) oder offensichtlich ist, dass er nicht ordnungsgemäß nacherfüllen wird (§ 327m Abs. 1 Nr. 6 BGB).

7. V kann den Vertrag ohne Ablauf einer angemessenen Frist beenden (§ 327m Abs. 1 Nr. 4 BGB).

Ja!

Eine sofortige Vertragsbeendigung ist bei einem schwerwiegenden Mangel möglich (§ 327m Abs. 1 Nr. 4 BGB). Wann ein solch schwerwiegender Mangel vorliegt, ist durch eine Abwägung der widerstreitenden Interesse von Verbraucher und Unternehmer im Einzelfall zu beurteilen. Eine Antivirensoftware hat gerade den Zweck, dass ein Virenbefall der digitalen Umgebung des Verbrauchers verhindert wird. Die von U bereitgestellte Software bewirkt gerade das Gegenteil. V hat zum Ausdruck gebracht, dass sie sich endgültig von Vertrag lösen möchte (Vertragsbeendigungserklärung). Sie kann den Vertrag deshalb sofort beenden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CDE

corpus delicti

9.8.2023, 16:44:31

K findet das unerhört und möchte den vertrag mit V nicht fortführen oder?

LELEE

Leo Lee

10.8.2023, 16:29:54

Hallo corpus delicti, genauso ist es :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

EVA

evanici

27.8.2023, 15:45:26

Wahrscheinlich ist dieses Merkmal auch eher restriktiv auszulegen wie entsprechende Formulierungen in §§ 323 II Nr. 3, 280 III oder 286 II Nr. 4 etc.?

0815jurafuchs

0815jurafuchs

23.4.2024, 11:39:33

Warum wird ein Verstoß gegen subjektive Anforderungen abgelehnt? Gem 327e II 1 Nr.1b BGB sind diese nicht erfüllt, wenn sich das Produkt nicht für die vertraglich vorgesehene Verwendung eignet. Eine Antivirensoftware soll den PC virenfrei halten. Dies ist nicht möglich, wenn bereits das Programm selber mit Viren verseucht ist. Diese würden sich im Fall einer Installation zusammen mit dem Programm auch auf dem PC installieren. Der Zweck der vorgesehenen Verwendung kann daher m. E. nicht erreicht werden. Oder wäre das schon Sachverhaltsquetsche?

TI

Timurso

23.4.2024, 11:53:05

Problematisch ist daran, dass für die "vertraglich vorgesehene Verwendung" die Art der Verwendung tatsächlich explizit Inhalt des Vertrages sein muss. Vergleiche auch die Abgrenzung zur üblichen Verwendung, für die keine besondere Vereinbarung einer Verwendung erforderlich ist. Eine gesonderte Vereinbarung lässt der Sachverhalt vorliegend nicht erkennen.


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