Öffentliches Recht

Grundrechte

Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG)

Duldungspflicht beim Betreten von Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

Duldungspflicht beim Betreten von Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

§ 54g UrhG ermöglicht Kontrollbesuche vom Urheber (U) bei denen, die Vervielfältigungsgeräte entgeltlich bereitstellen. L betreibt einen Lohnkopierbetrieb und verweigert wegen Art. 13 Abs. 1 GG den Zugang. Daraufhin erwirkt U eine einstweilige Verfügung, dass L den Besuch dulden muss.

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Einordnung des Falls

Duldungspflicht beim Betreten von Geschäftsräumen – Schutzbereich Art. 13 GG

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die einstweilige Verfügung stellt einen Eingriff dar.

Ja!

Ein Eingriff liegt vor, wenn die Persönlichkeitsentfaltung durch den Beruf durch staatliche Stellen gestört wird. Da hier die Verfügung des Gerichts U dazu ermächtigt, die Räumlichkeiten der L zu betreten, liegt ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG vor.
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2. Auch Geschäftsräume fallen nach BVerfG in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG.

Genau, so ist das!

Nach der weiten Ansicht des BVerfG fallen alle Geschäftsräume in den Schutzbereich des Art. 13 GG. Durch die hohe Bedeutsamkeit der Berufsfreiheit bei der Persönlichkeitsentfaltung müssen auch die Räumlichkeiten, in denen die Arbeit geschieht, geschützt werden. Dritte dürfen grundsätzlich nicht gegen den Willen des Berechtigten eindringen. Die Geschäftsräume der L fallen in den sachlichen Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG. Der sachliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG ist eröffnet.

3. Der Eingriff ist jedoch gerechtfertigt, weil sich in dem Betrieb der L kein Privatleben abspielt und dadurch das Schutzniveau des Art. 13 Abs. 1 GG abgesenkt ist.

Ja, in der Tat!

Durch die weite Auslegung der „Wohnung“ müssen die Anforderungen an die Zulässigkeit von Eingriffen variieren. Dabei ist die Nähe der Örtlichkeiten zur räumlichen Privatsphäre ein entscheidender Faktor. Bei reinen Geschäftsbetrieben ist die Schutzbedürftigkeit je geringer, desto größer ihre Offenheit nach außen ist. Deshalb verstoßen Rechte zum Betreten von Betriebsräumen nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG, wenn ein Gesetz den Zweck und den Umfang des Betretens erkennen lässt und es einem erlaubten Zweck dient. § 54g UrhG ermöglicht hier dem U, das Geschäft der L zum Zweck der Kontrolle zu betreten. Die einstweilige Verfügung ist also gerechtfertigt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TR

Tr(u)mpeltier

7.2.2020, 20:56:07

Die Antwortmöglichkeit "weil hier kein Privatleben stattfindet" ist verkürzt. Der Eingriff ist hier zwar auch gerechtfertigt, weil das Schutzniveau hier mangels privatem Leben abgesenkt ist. Vor allem aber, weil ein gegen stehendes Recht in Form des Art. 14 GG in Form des 54g UrhG mit Art. 13 GG in Ausgleich zu bringen ist. Die bloße fehlende Privatheit allein, rechtfertigt gerade nicht den Eingriff, sonst wären ja nahezu alle Eingriffe in Geschäftsräume gerechtfertigt.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

26.5.2020, 23:51:31

Das stimmt, sollte geändert werden.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2021, 12:10:41

Danke euch beiden, wir haben das nun präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

24.3.2022, 10:46:01

Gibt es eine zur Sphärentheorie vergleichbare Kategorisierung der Rechtfertigungsanforderung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.3.2022, 18:58:27

Hallo QuiGonTim, eine solche Kategorisierung böte letztlich keinen Mehrwert, da die Wohnung immer in die Privatsphäre fällt und zumindest der öffentlich zugängliche Geschäftsraum als Sozialsphäre erachtet werden müsste. Das BVerfG hat für die Rechtfertigung aber 4 Kriterien entwickelt, an denen die Maßnahme zu prüfen ist: 1) besondere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für das Betreten der Räume, 2) dient einem erlaubten Zweck und ist insoweit erforderlich, 3) das Gesetz lässt Gegenstand und Umfang der Besichtigung/Prüfung deutlich erkennen und 4) das Betreten und die Besichtigung ist nur in Zeiten statthaft, in denen die Räume normalerweise für geschäftliche/betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen (vgl. BVerfG NJW 1971, 2299). Hier kommt insoweit das abgestufte Schutzniveau zum Ausdruck, da es bei Einhaltung dieser Kriterien keines Richtervorbehaltes bedarf. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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