+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T fühlt sich von seinem 70-jährigen Vater O verkannt und möchte sich mit einer schmerzvollen Tötung rächen. Er fesselt O an einen Stuhl und fügt ihm mit kochendem Wasser lokale Verbrennungen zu. Danach sticht er 30-mal in den Oberkörper des O. O verblutet.

Einordnung des Falls

Folteraktion

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat O "grausam" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).

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Ja!

Grausam tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Entscheidend ist eine in objektiver Hinsicht hochgradig schmerzvolle Tötungsaktion. Die als grausam zu bewertenden Vorgänge müssen Bestandteil des Tatgeschehens sein, das als Tötung beschrieben wird. Ausnahmsweise kann eine Tötung auch grausam sein, wenn der Tod des Opfers nicht im Moment, sondern erst in Sekunden oder Minuten nach dem grausamen Verhalten eintritt (sog. protrahierte Tötung). Durch Zufügen der Verbrennungen und der 30 Messerstiche hat T dem O außergewöhnliche körperliche und seelische Qualen beschert. Derartige Folteraktionen sind der Inbegriff dieses unrechtssteigernden Verhaltens.

2. T ist nur strafbar wegen Mordes (§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB), wenn sein Vorsatz die Grausamkeit der Tötung umfasst.

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Genau, so ist das!

Der Vorsatz muss sich auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen (Umkehrschluss aus § 16 StGB). "Grausamkeit" ist ein tatbezogenes, objektives Mordmerkmal. Der Täter hat Vorsatz bezüglich der Grausamkeit, wenn er die Umstände kennt und will, die den Leidenszustand des Opfers bedingen. Rspr. und h.M. fordern zudem, dass die Vorgehensweise einer gefühllosen, unbarmherzigen Gesinnung entspringt. Diese ergibt sich regelmäßig bereits aus dem vom Vorsatz getragenen, objektiv grausamen Verhalten. T wollte O schmerzvoll töten und hat sich bewusst dafür entschieden. Er hatte Vorsatz bezüglich der Grausamkeit und eine gefühllose, unbarmherzige Gesinnung.

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SUSA

Susanne

3.5.2023, 20:36:07

Warum zitiert ihr die Gruppe mit? Also 211 II GR. 2 Var. 1 zum Beispiel.. Das ist laut meiner Uni falsch.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.5.2023, 11:45:05

Hallo Susanne, danke dir für die Rückmeldung. Darf ich fragen, an welcher Uni/bei welcher Person du dies gelernt hast? Es ist grundsätzlich üblich die Mordmerkmale in Gruppen zu kategorisieren, da diese auch uneterschiedlich juristische Eigenschaften haben. Der BGH macht die Zitierung nicht einheitlich, aber durchaus auch mit Gruppe. So zum Beispiel: "Es liegt auf der Grundlage des der rechtlichen Würdigung zugrundezulegenden Sachverhalts das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2 Gruppe 1 Variante 4 StGB) vor." zu finden in: BeckRS 2023, 1153, Rn. 30. Es ist also durchaus nicht falsch mit Gruppe zu zitieren. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

SUSA

Susanne

4.5.2023, 11:49:29

Ich bin an der Uni Augsburg und habe einen Professor gefragt. Das die Mordmerkmale in Gruppen getrennt werden haben wir auch so gemacht aber das zitieren eben nicht.. sondern eben 211 II var. 1-10

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat

Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat

17.6.2024, 10:07:43

Meines Wissens sind beide Arten des Zitieren im 1. Examen i.O.


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