Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Mord, § 211 StGB

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

6. Juli 2025

15 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist verärgert, weil seine Frau F €100 vertrunken hat, anstatt Lebensmittel einzukaufen. Er misshandelt sie stundenlang körperlich. Infolge fester Tritte erleidet F eine schwere Kopfverletzung und liegt bewusstlos am Boden. T kauft ein. Anschließend fasst er einen Tötungsvorsatz und ertränkt die immer noch bewusstlose F in der Badewanne.

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Einordnung des Falls

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat F „grausam“ getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Grausam tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Entscheidend ist eine in objektiver Hinsicht hochgradig schmerzvolle Tötungsaktion. Ausnahmsweise kann eine Tötung auch grausam sein, wenn der Tod des Opfers nicht im Moment, sondern erst in Sekunden oder Minuten nach dem grausamen Verhalten eintritt (sog. protrahierte Tötung). Dies setzt voraus, dass der Täter von vornherein die Tötung des Opfers beabsichtigt und die vorgezogene Leidenszufügung in diesem Bewusstsein vorgenommen hat. BGH: T habe bei der körperlichen Misshandlung „grausam“ gehandelt. Die Körperverletzung sei jedoch beendet gewesen, als T den Tötungsvorsatz gefasst habe (Zäsur). Die von der Körperverletzung separat zu beurteilende Tötung sei nicht grausam gewesen (RdNr. 7).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Juranus

13.1.2021, 12:19:33

Könnte man Ertränken nicht ebenfalls als grausam bezeichnen, da das Opfer dabei panische Angst (seelisches Leiden) empfindet oder reicht das unstrittig nicht? Ich finde es schwierig, da eine scharfe Grenze zu ziehen.

t o m m y

t o m m y

13.1.2021, 13:05:14

wenn man das ernst nimmt, müsste man doch jedes ersticken/erdrosseln als grausam werten. das wuerde aber den begriff 'grausam' und damit den mordtatbestand etwas entwerten. es muss wohl ueber die angst waehrend der toetungshandlung hinaus noch etwas hinzukommen, wie in bghst 32, 382 (lesenswerter sachverhalt). also etwa: gefesseltes opfer, kopftuch demonstrativ vor dessen augen gefaltet, langsam naehern usw. analog beim ertrinken dann vielleicht etwas wie langsam steigendes wasser ohne entkommen. oder wenn es nicht psychische sondern physische qualen sein sollen: auf dem weg zur toetung immer wieder ertränken auftauchen lassen ertränken auftauchen lassen

JURA

Juranus

14.1.2021, 11:27:46

Ich gebe dir recht, dass der Mordtatbestand nicht dahingehend entwertet werden darf, dass alles, was über einen „schnellen und sauberen“ Tod hinausgeht schon als Mord zählt. Es ist aber mE schon fraglich, ob bspw. Erdrosseln und Ertränken gleich zu sehen ist. Beim Erdrosseln tritt ab einem Punkt eine Ohnmacht ein, alles darüber hinaus bekommt das Opfer nicht mit. Ertrinken geschieht regelmäßig dadurch, dass sich die Lunge mit Wasser füllt. Das scheint mir schon ein zusätzlicher Leidens- und Schmerzfaktor zu sein. Zumal sich das Opfer dem gewahr ist. Es scheint mir damit zumindest nicht abwegig, schon Grausamkeit anzunehmen. Zumal auch die Präventionswirkung der hohen Strafan

drohung

für eine weitere Auslegung sprechen könnte.

t o m m y

t o m m y

14.1.2021, 11:52:29

ich hab zwar keine ahnung was der bgh davon hielte, aber in der klausur waere das so begründet sicher sehr gut vertretbar! nur bei der weiten auslegung wegen der hoechsten strafan

drohung

die wir kennen musst du aufpassen - gerade deshalb werden

mordmerkmale

restriktiv ausgelegt: schwerste tat mit der hoechsten strafe und dem hoechsten unrechtsgehalt (vgl. zum klassiker

heimtuecke

und verhaeltnismaessigkeit bverfge 45, 187 und bghst 32, 382)

Simon

Simon

8.1.2024, 23:26:15

Ich hätte den SV so interpretiert, dass die Frau im Zeitpunkt des Ertränkens bewusstlos war. Damit wäre sie zur Schmerzempfindung nicht in der Lage, sodass konsequenterweise auch keine Grausamkeit vorliegen kann.

Gigachad1

Gigachad1

9.4.2024, 02:59:16

Ja denke auch. Ansonsten würde man bei einem Minutenlangen Todeskampf beim ertrinken ähnlich wie beim Verbrennen grausam bejahen können

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.6.2025, 11:53:13

Hallo @[Juranus](104082), das wird man nicht ganz pauschal beantworten können, denn es kommt eben darauf an, ob das Opfer besonders starke Schmerzen oder Qualen erlitten hat. Ist das Opfer gesund und bei Bewusstsein, wird man Grausamkeit in vielen Fällen gut vertretbar annehmen können, wie @[Gigachad1](241559) andeutet. Ist das Opfer dagegen bewusstlos (wie in unserem Fall), dann nicht (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl 2023, § 211 Rn 10; BeckOK-StGB/Eschelbach, 65. Ed, Stand 1.5.2025, § 211 Rn 65.4, jeweils mwN, auch zur Rspr), wie auch @[Simon](131793) völlig richtig sagt. Steht das Opfer zuletzt zB unter starkem Drogen-/Medikamenteneinfluss, ist aber noch bei Bewusstsein, wird es noch mehr auf den Einzelfall ankommen. Unabhängig davon gibt es sicherlich bestimmte Vorgehensweisen der Tötung, bei denen man bei einem (nicht bewusstlosen oder unter Drogen-/Medikamenteneinfluss stehenden) Opfer Grausamkeit in aller Regel annehmen kann, dazu gehört zB das Verbrennen (jüngst noch BGH NStZ 2025, 223). Ertrinken dürfte tendenziell in eine ähnliche Richtung gehen, allerdings scheint mir das dort schon mehr diskutiert zu werden (s zB LK-StGB/Rissing-van Saan/​Zimmermann, 13. Aufl 2023, § 211 Rn 131) Mit dem Argument der extensiven Auslegung wegen der abschreckenden Wirkung hoher Strafen wäre ich in der Tat vorsichtig, wie wie @[t o m m y](15253) sagt. Mal ganz abgesehen von der rein tatsächlichen Frage, wann und inwieweit sich (potenzielle) Straftäter von hohen Strafen überhaupt abschrecken lassen, müsste man dann umso extensiver auslegen, je höher die Straf

drohung

eines Tatbestands ist. Dogmatisch dürfte tendenziell eher das Gegenteil der Fall sein: Die "Rechtfertigungslast" des Staats ist ja umso größer, je stärker die strafrechtliche Sanktion und je stärker auch der damit verbundene Grundrechtseingriff ausfällt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

15.1.2025, 10:19:55

Dürfte abgesehen von der Subsumtion die Grausamkeit nicht daran scheitern, dass das Opfer von dem Ertrinken garnichts mehr mitbekommen hat? Ähnlich wie in dem Fall mit dem selbstgebauten Nagelbrett

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.6.2025, 10:21:37

Hallo @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842), das wird man jedenfalls sehr gut so vertreten können, denn aus den von Dir genannten Gründen fehlt es ja an starken Schmerzen oder Qualen des Opfers, das von der Tat nichts mehr mitbekommt (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl 2023, § 211 Rn 10; BeckOK-StGB/Eschelbach, 65. Ed, Stand 1.5.2025, § 211 Rn 65.4, jeweils mwN, auch zur Rspr). Mit einem Suchlauf nach "Nagelbrett" habe ich den von Dir gemeinten Fall in unserer Falldatenbank leider nicht gefunden. Angesichts Deiner Schilderung gehe ich aber davon aus, dass das "so passt" und hier kein Widerspruch besteht - sonst melde Dich/meldet Euch gerne nochmal. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

23.6.2025, 10:44:16

Hi @[Sebastian Schmitt](263562), danke für deine Antwort. Hier einmal der Fall für dich, auf welchen ich mich bezogen habe: https://applink.jurafuchs.de/4gAG99cHqUb Das ist der erste Fall in dem Unterkapitel „Grausamkeit 2“ bei den Mordfällen.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

23.6.2025, 10:56:47

Hallo @[Rechtsanwalt B. Trüger](208842), vielen Dank für die Klarstellung. Der andere Fall passt und kann daher so stehen bleiben. Das ist ja quasi der "Ausgangsfall" zu unserem hier, ebenfalls mit Bewusstlosigkeit, nur eben die ohne die zeitliche Streckung und den erst nachträglich gefassten

Tötungsvorsatz

. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team


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