Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Mord, § 211 StGB

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T ist verärgert, weil seine Frau F €100 vertrunken hat statt einzukaufen. Er misshandelt sie stundenlang körperlich. Infolge fester Tritte erleidet F eine schwere Kopfverletzung und liegt bewegungslos am Boden. T kauft ein. Anschließend fasst er einen Tötungsvorsatz und ertränkt F in der Badewanne.

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Einordnung des Falls

Quälen mit KV-Vorsatz, erst danach Tötungsvorsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat F "grausam" getötet (§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 2 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Grausam tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung besonders starke Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Entscheidend ist eine in objektiver Hinsicht hochgradig schmerzvolle Tötungsaktion. Ausnahmsweise kann eine Tötung auch grausam sein, wenn der Tod des Opfers nicht im Moment, sondern erst in Sekunden oder Minuten nach dem grausamen Verhalten eintritt (sog. protrahierte Tötung). Dies setzt voraus, dass der Täter von vornherein die Tötung des Opfers beabsichtigt und die vorgezogene Leidenszufügung in diesem Bewusstsein vorgenommen hat. BGH: T habe bei der körperlichen Misshandlung "grausam" gehandelt. Die Körperverletzung sei jedoch beendet gewesen, als T den Tötungsvorsatz gefasst habe (Zäsur). Die von der Körperverletzung separat zu beurteilende Tötung sei nicht grausam gewesen (RdNr. 7).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JURA

Juranus

13.1.2021, 12:19:33

Könnte man Ertränken nicht ebenfalls als grausam bezeichnen, da das Opfer dabei panische Angst (seelisches Leiden) empfindet oder reicht das unstrittig nicht? Ich finde es schwierig, da eine scharfe Grenze zu ziehen.

t o m m y

t o m m y

13.1.2021, 13:05:14

wenn man das ernst nimmt, müsste man doch jedes ersticken/erdrosseln als grausam werten. das wuerde aber den begriff 'grausam' und damit den mordtatbestand etwas entwerten. es muss wohl ueber die angst wa

ehre

nd der toetungshandlung hinaus noch etwas hinzukommen, wie in bghst 32, 382 (lesenswerter sachverhalt). also etwa: gefesseltes opfer, kopftuch demonstrativ vor dessen augen gefaltet, langsam naehern usw. analog beim ertrinken dann vielleicht etwas wie langsam steigendes wasser ohne entkommen. oder wenn es nicht psychische sondern physische qualen sein sollen: auf dem weg zur toetung immer wieder ertränken auftauchen lassen ertränken auftauchen lassen

JURA

Juranus

14.1.2021, 11:27:46

Ich gebe dir recht, dass der Mordtatbestand nicht dahingehend entwertet werden darf, dass alles, was über einen „schnellen und sauberen“ Tod hinausgeht schon als Mord zählt. Es ist aber mE schon fraglich, ob bspw. Erdrosseln und Ertränken gleich zu sehen ist. Beim Erdrosseln tritt ab einem Punkt eine Ohnmacht ein, alles darüber hinaus bekommt das Opfer nicht mit. Ertrinken geschieht regelmäßig dadurch, dass sich die Lunge mit Wasser füllt. Das scheint mir schon ein zusätzlicher Leidens- und Schmerzfaktor zu sein. Zumal sich das Opfer dem gewahr ist. Es scheint mir damit zumindest nicht abwegig, schon Grausamkeit anzunehmen. Zumal auch die Präventionswirkung der hohen Strafan

drohung

für eine weitere Auslegung sprechen könnte.

t o m m y

t o m m y

14.1.2021, 11:52:29

ich hab zwar keine ahnung was der bgh davon hielte, aber in der klausur waere das so begründet sicher sehr gut vertretbar! nur bei der weiten auslegung wegen der hoechsten strafan

drohung

die wir kennen musst du aufpassen - gerade deshalb werden mordmerkmale restriktiv ausgelegt: schwerste tat mit der hoechsten strafe und dem hoechsten unrechtsgehalt (vgl. zum klassiker heimtuecke und verhaeltnismaessigkeit bverfge 45, 187 und bghst 32, 382)

Simon

Simon

8.1.2024, 23:26:15

Ich hätte den SV so interpretiert, dass die Frau im Zeitpunkt des Ertränkens bewusstlos war. Damit wäre sie zur Schmerzempfindung nicht in der Lage, sodass konsequenterweise auch keine Grausamkeit vorliegen kann.

Gigachad1

Gigachad1

9.4.2024, 02:59:16

Ja denke auch. Ansonsten würde man bei einem Minutenlangen Todeskampf beim ertrinken ähnlich wie beim Verbrennen grausam bejahen können

JUL

julius.frotscher

13.10.2024, 18:46:02

In dem Text ist lediglich davon die Rede das F nach der (grausamen) Körperverletzung "bewegungslos" ist. Dies lässt einen Interpretationsspielraum zu, das F schon bei diesem Vorgang tödlich verletzt wurde. Es kann zwar davon ausgegangen werden, dass sie noch am Leben war da T sie später ertränkt (was bei einer Leiche ja nicht wirklich möglich wäre), sofern es allerdings nicht darum geht die Aufmerksamkeit für solche Formulierungen zu schärfen würde ein hinzufügen des Merkmals bewusstlos bzw. eine Ersetzung von bewegungslos durch bewusstlos das Leseverständnis erleichtern und Missverständnissen vorbeugen.


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