Klagefrist (§ 74 VwGO): Fristwahrung trotz Klageerhebung bei unzuständigem Gericht
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Behörde X nimmt die Gewerbeerlaubnis der E zurück. Erzürnt erhebt E innerhalb eines Monats Klage vor dem Verwaltungsgericht B. Dies wollte E auch. Zuständig wäre aber Verwaltungsgericht A gewesen. Ist die Klage zulässig?
Einordnung des Falls
Klagefrist (§ 74 VwGO): Fristwahrung trotz Klageerhebung bei unzuständigem Gericht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Streitigkeit ist öffentlich-rechtlich und nichtverfassungsrechtlicher Art. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
2. Das klägerische Begehren der E (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO) ist auf die Aufhebung des Rücknahmebescheids der Behörde X gerichtet.
Ja!
3. E kann geltend machen, durch die Rücknahme der Gewerbeerlaubnis in einem ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte verletzt und mithin klagebefugt zu sein.
Genau, so ist das!
4. Die Klage der E ist verfristet, wenn sie sie nicht innerhalb der Klagefrist erhoben hat (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
5. Durch die Erhebung der Klage beim unzuständigen Gericht gilt die Klage als nicht erhoben. Die Klage der E ist verfristet und damit unzulässig.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Wadim Kusmenko
1.2.2020, 22:44:12
Bei der Frage Nr. 3 gibt es einen Fehler
![Christian Leupold-Wendling](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__lshtholsxkjgqbdyxepjf.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Christian Leupold-Wendling
3.2.2020, 10:36:17
Danke, haben wir korrigiert.
![Isabell](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__lvldgzkokpilthiocvgne.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Isabell
5.2.2020, 09:29:34
Spannend. Ich hätte wetten können, dass ich das im Studium mal anders gelernt habe und immer dachte "das kann nicht richtig sein". Hat sich die Rechtslage in den letzten Jahren dahingehend geändert?
Henk
20.3.2020, 07:52:39
Geht mir genauso. Ursprünglich hatte ich im Kopf, dass maßgeblich der Zeitpunkt ist, zudem das unzuständige Gericht die Klageschrift an das zuständige weitergibt. Genauer: Wenn dem zuständigen Gericht die Klageschrift zugeht. Arg: Klage"erhebung" fordert die Einreichung beim zuständigen Gericht. Später schien es unumstritten so zu sein, dass die Frist gewahrt ist. Arg: Gegenteiliges wäre unvereinbar mit der Rechtschutzgarantie. Gibt aber iwie eine Ausnahme, wenn der Kläger den Adressat nicht für das zuständige Gericht oder so hielt. (Bin mir leider gerade nicht so sicher)
![Isabell](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__lvldgzkokpilthiocvgne.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Isabell
24.3.2020, 20:21:34
Beruhigt mich jetzt aber schon, dass ich nicht die einzige bin, die darüber gestolpert ist.
Hackbart
5.2.2020, 22:03:15
Da hat sich -soweit ich eine der ersten Fragen richtig in Erinnerung habe- ein kleiner Fehler eingeschlichen. Das Begehr des E ist doch nicht auf die Rückname gerichtet, sondern auf die Aufhebung des Rücknahmebescheids oder? Die Antwort auf die Frage, ob E die Rücknahme des Bescheids begehrt, lautet m.E. daher „Nein“. Nur wenn die Frage lauten würde, ob er die Aufhebung des Rücknahmebescheids begehrt, würde ich sie mit „ja“ beantworten.
🦊LEXDEROGANS
27.7.2020, 22:15:03
@Hackbart, m. E. ist mit „Rücknahme des Bescheids“ die „Rücknahme des Bescheids, welcher die Gewerbeerlaubnis zurücknimmt“ gemeint, m. a. W. die Aufhebung des Aufhebungsbescheids. E begehrt also durchaus die Rücknahme dieses Bescheids.
Sven
24.9.2020, 08:25:59
Er begehrt aber nicht die RÜCKNAHME der Rücknahme DURCH DIE BEHÖRDE, sondern die AUFHEBUNG der Rücknahme durch das GERICHT. Denn nur für die Aufhebung der Rücknahme ist die Anfechtungsklage statthaft. Begehrte er hingegen die Rücknahme, so müsste er Verpflichtungsklage erheben. Ein Gericht kann ja nicht selbst etwas “zurücknehmen”, was es nie erlassen hat. In diesem Fall kann das nur die Behörde. Das Gericht kann nur aufheben. Und im Antworttext steht ja auch “die Aufhebung der Rücknahme der Gewerbeerlaubnis”...
🦊LEXDEROGANS
24.9.2020, 23:16:10
@Sven, stimme Ihnen vollkommen zu! Unter dem Gesichtspunkt Klagebegehren im techn. Sinn bitte obigen Kommentar vernachlässigen.
![Hamburger Michel](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar_94893.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Hamburger Michel
22.10.2020, 19:50:56
Ich würde wie Hackbart und Sven auch die Frage umformulieren, denn es geht dort um das klägerische Begehren, das auf Aufhebung des Rücknahmebescheids der Behörde gerichtet ist.
![Hannah B.](/_next/image?url=https%3A%2F%2Fwissen.jurafuchs.de%2Fimage%2F%25252Fassets%25252Fsecure%25252Fusers%25252Favatar__cfwiqdbeuxrlxokyrspyf.jpeg%3Ftype%3Draw&w=3840&q=75)
Hannah B.
4.6.2021, 10:44:17
Hallo! Danke für eure Hinweise. Wir haben den Fall entsprechend angepasst. Liebe Grüße Hannah - für das Jurafuchs-Team
gorkix1907
30.1.2024, 11:10:20
Ja, da bin ich auch etwas verwirrt und habe erstmal im Wolff/Decker, Studienkommentar VwGO/VwVfG, 4. Aufl., §
74 VwGORn. 10f. folgende Abgrenzung gefunden: - Geht die Klage innerhalb offener
Klagefristbei einem unzuständigen Gericht ein, dann ist die
Klagefristgewahrt, wenn der Schriftsatz gerade an dieses Gericht adressiert war (BVerwG, Buchholz 310
§ 74 VwGONr. 13). - Fallen das Gericht, an das die Klage gerichtet war, und das Gericht, bei dem der Klageschriftsatz eingeht, auseinander, ist die
Klagefristnach
§ 74 VwGOnur dann gewahrt, wenn die Klageschrift noch innerhalb der
Klagefristauch beim angerufenen Gericht eingeht (BVerwG, BayVBl. 2002, 611; BVerwG, Buchholz 310
§ 74 VwGONr. 13).