Öffentliches Recht

VwGO

Anfechtungsklage

Klagefrist (§ 74 VwGO): Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung - Jahresfrist

Klagefrist (§ 74 VwGO): Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung - Jahresfrist

23. November 2024

4,8(8.288 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

W wird aufgefordert, seine Gaststätte zu schließen. Seinem Widerspruch hilft die Widerspruchsbehörde nicht ab. Sie stellt ihm den Widerspruchsbescheid zu. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist angegeben, W könne gegen diesen Bescheid „innerhalb von vier Wochen schriftlich Klage erheben“. W reicht drei Monate später Klage ein.

Diesen Fall lösen 82,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Klagefrist74 VwGO): Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung - Jahresfrist

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klagefrist richtet sich nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Ja!

Die Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ist ein Widerspruch nach § 68 VwGO nicht erforderlich, ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, der angefochten werden soll, zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Berechnung der Klageerhebung richtet sich nach § 57 Abs. 2 VwGO, §§ 222 Abs. 1, 224 Abs. 2, Abs. 3, 225f. ZPO, §§ 187ff. BGB. Die Klage ist erhoben, wenn die Klageschrift bei Gericht eingeht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts gegeben wird (vgl. § 81 Abs. 1 VwGO).
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Da W erst drei Monate nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage erhoben hat, ist die Klage verfristet und damit unzulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft, beginnt die Klagefrist von einem Monat (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht zu laufen. An ihre Stelle tritt die Ausschlussfrist von einem Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO). Die Rechtsbehelfsbelehrung muss unter anderem die einzuhaltenden Formvorschriften und Rechtsbehelfsfristen enthalten, die bei der Klageerhebung zu beachten sind (§ 58 Abs. 1 VwGO). Beides ist hier fehlerhaft: Die Klage kann „schriftlich“ und „zu Protokoll“ erhoben werden (§ 81 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO); auf letzteres wurde W nicht hingewiesen. Die Klagefrist beträgt einen Monat (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO), nicht vier Wochen. W kann daher innerhalb eines Jahres Klage erheben.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

TR

Tr(u)mpeltier

13.1.2020, 20:21:01

Als weiterer Klausur-Fallstrick zur Rechtsbehelfsbelehrung gibt es noch die Konstellation, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Bekanntgabe (statt Zustellung) abgestellt wurde. Könnte als Inspiration für ein weiteres Fällchen dienen :)

Isabell

Isabell

19.3.2020, 19:12:52

Ohja 😅

TAME

Tamer

11.10.2020, 17:57:36

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht auch aus weiteren Gründen unrichtig? Schließlich wurden das Gericht bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist und dessen Sitz ebenfalls nicht angegeben. (58 Abs. 1 VwGO) Oder übersehe ich etwas? :) LG Tamer

Dogu

Dogu

2.12.2023, 17:13:40

Streng genommen passt der Hinweis auf die Form auch nicht. Steht zwar so im Gesetz, aber manche Berufsgruppen müssen ja sogar elektronisch nach 55a VwGO einreichen.

G0D0FM

G0d0fMischief

14.7.2024, 13:41:04

Ich würde noch § 70 II VwGO mitzitieren, da aus diesen hervorgeht, dass für den Widerspruch § 58 II VwGO entsprechend anzuwenden ist.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

16.7.2024, 10:11:38

Hallo @[G0d0fMischief](217996), danke für Deinen Hinweis. Tatsächlich wäre es an dieser Stelle nicht richtig, § 70 Abs. 2 VwGO zu zitieren. Denn: In dem Fall hier geht es nicht um die Einhaltung der Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 VwGO, sondern um die Einhaltung der

Klagefrist

aus § 74 Abs. 1 VwGO. Hier braucht man also den Verweis aus § 70 Abs. 2 VwGO nicht, sondern kann (und muss) direkt auf §

58 VwGO

zu sprechen kommen. Auf §§ 70 Abs. 1, Abs. 2 VwGO würdest Du zu sprechen kommen, wenn in einem Fall der Ausgangsverwaltungsakt mit falscher Rechtsbehelfsbelehrung ergangen wäre und der Adressat hiergegen Widerspruch einlegen will. Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team.


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen