Klagefrist (§ 74 VwGO): Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung - Jahresfrist


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Klassisches Klausurproblem

W wird aufgefordert, seine Gaststätte zu schließen. Seinem Widerspruch hilft die Widerspruchsbehörde nicht ab. Sie stellt ihm den Widerspruchsbescheid zu. In der Rechtsbehelfsbelehrung ist angegeben, W könne gegen diesen Bescheid „innerhalb von vier Wochen schriftlich Klage erheben“. W reicht drei Monate später Klage ein.

Einordnung des Falls

Klagefrist74 VwGO): Fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung - Jahresfrist

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Klagefrist richtet sich nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Ja!

Die Anfechtungsklage ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO). Ist ein Widerspruch nach § 68 VwGO nicht erforderlich, ist die Anfechtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts, der angefochten werden soll, zu erheben (§ 74 Abs. 1 S. 2 VwGO). Die Berechnung der Klageerhebung richtet sich nach § 57 Abs. 2 VwGO, §§ 222 Abs. 1, 224 Abs. 2, Abs. 3, 225f. ZPO, §§ 187ff. BGB. Die Klage ist erhoben, wenn die Klageschrift bei Gericht eingeht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts gegeben wird (vgl. § 81 Abs. 1 VwGO).

2. Da W erst drei Monate nach Zustellung des Widerspruchsbescheids Klage erhoben hat, ist die Klage verfristet und damit unzulässig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft, beginnt die Klagefrist von einem Monat (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht zu laufen. An ihre Stelle tritt die Ausschlussfrist von einem Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO). Die Rechtsbehelfsbelehrung muss unter anderem die einzuhaltenden Formvorschriften und Rechtsbehelfsfristen enthalten, die bei der Klageerhebung zu beachten sind (§ 58 Abs. 1 VwGO). Beides ist hier fehlerhaft: Die Klage kann „schriftlich“ und „zu Protokoll“ erhoben werden (§ 81 Abs. 1 S. 1 und 2 VwGO); auf letzteres wurde W nicht hingewiesen. Die Klagefrist beträgt einen Monat (§ 74 Abs. 1 S. 1 VwGO), nicht vier Wochen. W kann daher innerhalb eines Jahres Klage erheben.

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TR

Tr(u)mpeltier

13.1.2020, 20:21:01

Als weiterer Klausur-Fallstrick zur Rechtsbehelfsbelehrung gibt es noch die Konstellation, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Bekanntgabe (statt Zustellung) abgestellt wurde. Könnte als Inspiration für ein weiteres Fällchen dienen :)

Isabell

Isabell

19.3.2020, 19:12:52

Ohja 😅

TAME

Tamer

11.10.2020, 17:57:36

Ist die Rechtsbehelfsbelehrung nicht auch aus weiteren Gründen unrichtig? Schließlich wurden das Gericht bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist und dessen Sitz ebenfalls nicht angegeben. (58 Abs. 1 VwGO) Oder übersehe ich etwas? :) LG Tamer

Dogu

Dogu

2.12.2023, 17:13:40

Streng genommen passt der Hinweis auf die Form auch nicht. Steht zwar so im Gesetz, aber manche Berufsgruppen müssen ja sogar elektronisch nach 55a VwGO einreichen.

G0D0FM

G0d0fMischief

14.7.2024, 13:41:04

Ich würde noch § 70 II VwGO mitzitieren, da aus diesen hervorgeht, dass für den Widerspruch § 58 II VwGO entsprechend anzuwenden ist.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

16.7.2024, 10:11:38

Hallo @[G0d0fMischief](217996), danke für Deinen Hinweis. Tatsächlich wäre es an dieser Stelle nicht richtig, § 70 Abs. 2 VwGO zu zitieren. Denn: In dem Fall hier geht es nicht um die Einhaltung der Widerspruchsfrist aus § 70 Abs. 1 VwGO, sondern um die Einhaltung der

Klagefrist

aus § 74 Abs. 1 VwGO. Hier braucht man also den Verweis aus § 70 Abs. 2 VwGO nicht, sondern kann (und muss) direkt auf § 58 VwGO zu sprechen kommen. Auf §§ 70 Abs. 1, Abs. 2 VwGO würdest Du zu sprechen kommen, wenn in einem Fall der Ausgangsverwaltungsakt mit falscher Rechtsbehelfsbelehrung ergangen wäre und der Adressat hiergegen Widerspruch einlegen will. Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team.


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