Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2020
Widerruf eines Anwaltsvertrages über eine Prüfungsanfechtung
Widerruf eines Anwaltsvertrages über eine Prüfungsanfechtung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Studentin J will ihre Note anfechten. J konsultiert persönlich den Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), der sie an Kanzlei K vermittelt. Telefonisch erteilt J der K ein Mandat und bezahlt. Tags darauf besprechen J und K in den Kanzleiräumen alle Details. 370 Tage später widerruft J den Vertrag und verlangt ihr Geld zurück.
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Einordnung des Falls
Widerruf eines Anwaltsvertrages über eine Prüfungsanfechtung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Widerrufsrecht der J nach § 312g Abs. 1 BGB setzt voraus, dass K den Anwaltsvertrag als Unternehmerin geschlossen hat (§ 14 Abs. 1 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat den Anwaltsvertrag als Unternehmerin geschlossen (§ 14 Abs. 1 BGB). Dass der Anwaltsberuf ein freier Beruf ist, schließt die Unternehmereigenschaft nicht aus. J steht deshalb ein Widerrufsrecht zu.
Genau, so ist das!
3. Das Widerrufsrecht (§ 312g BGB) setzt einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder Fernabsatzvertrag voraus. Haben J und K einen solchen Außergeschäftsraumvertrag geschlossen?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Wenn der Vertrag zwischen K und J ein Fernabsatzvertrag ist (§ 312c BGB), steht J ein Widerrufsrecht zu (§ 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB).
Ja!
5. Der Vertrag zwischen K und J ist unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen, obwohl J persönlich den AStA kontaktiert und dieser den Kontakt zu K vermittelt hat.
Genau, so ist das!
6. J muss auch die zweite Voraussetzung des Fernabsatzvertrags - das Vorliegen eines organisierten Fernabsatzsystems - darlegen und beweisen, um sich auf ein Widerrufsrecht nach § 312g Abs. 1 Alt. 2 BGB stützen zu können.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Ist die Vermutung eines organisierten Fernabsatzsystems dadurch widerlegt, dass K mit J nach Vertragsschluss in den Kanzleiräumen persönlich die Details der Beratung besprochen hat?
Nein!
8. Ist die Vermutung eines organisierten Fernabsatzsystems widerlegt, wenn sich K auf Grundlage telefonischer Erstberatungsgespräche stets individuell für oder gegen einen Vertragsschluss entscheidet?
Nein, das ist nicht der Fall!
9. Der späte Widerruf der J ist wirksam, wenn K die J nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt hat. J kann dann von K Rückzahlung gezahlter Gebühren verlangen (§ 355 Abs. 3 S. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurabird
30.1.2022, 22:27:41
Ist in der letzten Frage nicht die falsche Norm verlinkt, müsste nicht richtigerweise §356 Abs. 3 S. 1 verlinkt statt, §355 Abs. 3?
Der Paragraf
30.1.2022, 23:18:50
Nein, tatsächlich stimmt 355 III, weil daraus folgt, dass J ihr Geld zurückverlangen kann.
Isabell
5.2.2022, 23:48:10
Anwaltsvertragsrecht läuft im 2. Examen in NRW auch öfter mal. Da ein paar Fälle zu, wäre cool.
Lukas_Mengestu
7.2.2022, 12:38:17
Danke für den Hinweis, Isabell. Da nehmen wir gerne noch ein paar Fälle zu auf. Beste Grüße, Lukas
jenny24
18.4.2023, 11:32:10
Top, Danke. Müsste nicht auch erwogen werden wie sich das Widerrufsrecht zu den Gebührentatbestönden des RVG verhält? Die Gebühr ist ja bereits mit dem Gespräch bei K voll verdient. Gibt es auch keinen Wertersatzanspruch?
CR7
5.5.2023, 17:45:15
Diese Frage habe ich mir tatsächlich auch gestellt. Ich sehe den § 357a BGB, werde aber daraus nicht wirklich schlauer. :D
Jakob G.
3.5.2024, 23:28:12
Das ist meines Erachtens keine Frage des Wertersatzanspruchs, sondern plain and simple § 357 I BGB - Rückgewähr der Leistungen binnen 14 Tagen.
Barbara Salesch
5.6.2024, 23:59:07
Im Originalfall war es so, dass der Anwalt über 200 Mandatsanfragen aus ganz DE im Monat bekommen hat und auch deutschlandweit Werbung geschaltet hat. Da ist ein auf den Fernabsatz ausgelegtes Vertriebs-/Dienstleistungssystem schon eher naheliegend. Ich finde aber in der Aufgabe wird das nicht so recht deutlich, es ist hier ja gar nicht ersichtlich, ob die Anwältin regelmäßig via Telefon Verträge abschließt oder ob es sich hier um eine seltenere Ausnahme handelt, dann wäre das auf Fernabsatz ausgelegte Vertriebs-/Dienstleistungssystem eher fragwürdig. Vielleicht kann man das in der Aufgabe noch deutlicher machen.
Dogu
24.7.2024, 09:39:29
"K hat den Anwaltsvertrag als Unternehmerin geschlossen (§ 14 Abs. 1 BGB). Dass der Anwaltsberuf ein freier Beruf ist, schließt die Unternehmereigenschaft nicht aus. J steht deshalb ein Widerrufsrecht zu." Der letzte Satz ist an dieser Stelle falsch, da die anderen Voraussetzungen erst später geprüft werden. Daher bitte entfernen oder ändern ("steht möglicherweise ein Widerrufsrecht zu").