Öffentliches Recht

Staatsorganisations-Recht

Gesetzgebungskompetenzen

Einleitung Gesetzgebungskompetenz - "Erdnussabend II" [F]

Einleitung Gesetzgebungskompetenz - "Erdnussabend II" [F]

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Am berüchtigten „Erdnussabend“ in der Jenaer Kneipe „Die Kneipe“ stellt sich Jurastudentin J auf eine Bierkiste und verkündet eine Vielzahl von spontan erfundenen „Gesetzen“, an die sich alle Menschen in Deutschland fortan halten sollen. Die Mehrheit der Gäste stimmt zu. Besserwisser B hält J nicht für zuständig zum Erlass von Gesetzen.

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Einordnung des Falls

Einleitung Gesetzgebungskompetenz - "Erdnussabend II" [F]

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der siebte Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 70-82 GG) beginnt mit der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern (Art. 70–74 GG).

Ja!

Im Anschluss an die Staatsorgane (Art. 38-69 GG) regelt das Grundgesetz die Staatsfunktionen der Gesetzgebung/Legislative (Art. 70-82 GG), Verwaltung/Exekutive (Art. 83-91 GG) und Rechtsprechung/Judikative (Art. 92-104 GG). Innerhalb des Abschnitts folgen auf die Gesetzgebungskompetenzen Regelungen über das Gesetzgebungsverfahren (Art. 76–82 GG).
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2. Parlamentsgesetze müssen formell verfassungsgemäß sein, um wirksam zu sein.

Genau, so ist das!

Um formell verfassungsgemäß zu sein, müssen Parlamentsgesetze vom zuständigen Gesetzgeber („Gesetzgebungskompetenz“) in dem durch die Verfassung vorgegebenen Verfahren („Gesetzgebungsverfahren“) erlassen werden. Manchmal sind noch weitere Anforderungen hinsichtlich der Form des Gesetzes zu beachten.

3. Ein Parlamentsgesetz, das ohne Gesetzgebungskompetenz erlassen wird, ist wegen des Verstoßes gegen gegen die Art. 70-72 GG formell verfassungswidrig.

Ja, in der Tat!

Die Gesetzgebungskompetenz ist ein Prüfungspunkt der formellen Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Die Gesetzgebungsorgane (beim Bund Bundestag und Bundesrat, in den Ländern meist die Landesparlamente) dürfen nur dann gesetzgeberisch tätig werden, wenn ihr Verband auch die Gesetzgebungskompetenz innehat. Ein bereits erlassenes, aber verfassungswidriges, Gesetz wird vom BVerfG in der Regel für nichtig erklärt (vgl. nur §§ 78 S. 1; 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG). Das heißt, es muss so behandelt werden, als habe es nie existiert. Die drei Staatsgewalten und auch die Bürgerinnen können diese Parlamentsgesetze dann ignorieren. Daneben kann sich das BVerfG auch auf die Feststellung beschränken, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar ist („Unvereinbarerklärung“, vgl. §§ 31 Abs. 2 BVerfGG; 79 Abs. 1 BVerfGG) und/oder an den Gesetzgeber appellieren, eine verfassungskonforme Regelung zu schaffen („Appellentscheidung“.)

4. Die Art. 70-74 GG teilen die Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf.

Nein!

Die Gesetzgebungskompetenzen werden in Art. 70 Abs. 1 GG entweder dem Bund oder den Ländern zugewiesen. Die Gemeinden stellen im Bundestaat streng genommen keine eigene Ebene dar. Sie sind lediglich Teile der Länder und leiten ihre Hoheitsgewalt von ihnen ab. Sie haben dennoch das Recht zur Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG).

5. Hat J die Kompetenz im Sinne der Art. 70-74 GG zum Erlass ihrer eigenen „Gesetze“?

Nein, das ist nicht der Fall!

Um formell verfassungsgemäß zu sein, müssen Parlamentsgesetze vom zuständigen Gesetzgeber („Gesetzgebungskompetenz“) erlassen werden. Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG können nur der Bund oder die Länder gesetzgebungsbefugt sein. J ist weder der Bund noch ein Land und kann daher keine Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 70-74 GG haben.

6. Bei der Prüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit kann auch mit dem Gesetzgebungsverfahren anstelle der Gesetzgebungskompetenzen begonnen werden.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Frage der Gesetzgebungskompetenzen muss am Anfang der Prüfung der formellen Verfassungsmäßigkeit stehen. Die Frage nach der Verbandskompetenz muss nämlich vor der Organkompetenz behandelt werden. Denn durch die Gesetzgebungskompetenzen ist festgelegt, welcher Verband (Bund oder Länder) gesetzgeberisch tätig werden darf. Diese Frage ist der Prüfung, ob die zuständigen Organe (beispielsweise Bundestag und Bundesrat oder das Landesparlament) das jeweilige Verfahren beachtet haben, denklogisch vorgelagert.

7. Wenn die Gesetzgebungskompetenz beim Erlass eines Parlamentsgesetzes gewahrt wurde, folgt daraus auch, dass das Parlamentsgesetz insgesamt verfassungsmäßig ist.

Nein!

Ein Parlamentsgesetz kann trotz der Gesetzgebungskompetenz verfassungswidrig sein. Beispielsweise können Mängel im Gesetzgebungsverfahren (Art. 76-82 GG) auftreten, die das Gesetz auch formell verfassungswidrig werden lassen. Und bei Verstößen gegen materielles Verfassungsrecht ist das Parlamentsgesetz (materiell) verfassungswidrig. Das Vorliegen der Gesetzgebungskompetenz (Art. 70-74 GG) ist also eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit von Parlamentsgesetzen.

8. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Parlamentsgesetzen ist nur in staatsorganisationsrechtlichen Prüfungen relevant.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ob ein Parlamentsgesetz verfassungsgemäß ist oder nicht, ist unabhängig vom Rechtsgebiet für jede Art der Rechtsanwendung relevant. In juristischen Prüfungen werden sie auch in grundrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Prüfungen besonders gerne abgefragt. Allerdings können auch in zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Prüfungsarbeiten entsprechende Fertigkeiten erforderlich sein. Eingriffe in Grundrechte dürfen regelmäßig nur „durch Gesetz“ oder „aufgrund eines Gesetzes“ erfolgen. Und dieses Gesetz muss formell und materiell verfassungsgemäß sein (vgl. das Elfes-Urteil des BVerfG). Außerhalb von staatsorganisationsrechtlichen Klausuren ist die formelle Verfassungsmäßigkeit meistens nicht zentral für den Klausurerfolg. Fehlende oder unzureichende Prüfungen werden aber oft als fehlende Grundlagenkenntnisse betrachtet und entsprechend abgestraft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

16.5.2023, 11:24:47

Ich finde es super, dass ihr Fragen zum logischen Aufbau stellt, da man sich das so viel besser merken kann, wenn man den Aufbau mal hinterfragt.


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