Zivilrecht

Kreditsicherungsrecht

Rückgriff des Sicherungsgebers

Rückgriff bei Aufgabe einer parallelen Sicherheit

Rückgriff bei Aufgabe einer parallelen Sicherheit

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bekannter B und die Mutter des S (M) bürgen für S' Forderung gegenüber G. Es kommt zum Zahlungsausfall. Da G nicht S' Familienfrieden gefährden will, entlässt er M aus der Bürgschaft und nimmt nur B in Anspruch. B zahlt.

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Einordnung des Falls

Rückgriff bei Aufgabe einer parallelen Sicherheit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Mitbürgen steht untereinander grundsätzlich ein Regressanspruch zu (§ 774 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Bürgen haften untereinander gesamtschuldnerisch nach § 426 BGB. Hier sieht § 426 BGB zwei Ausgleichsansprüche vor, einen in Abs. 1, der andere in Abs. 2. In Abs. 1 ist ein Anspruch geregelt, der aus dem Innenverhältnis zwischen den Gesamtschuldnern resultiert. Abs. 2 regelt eine Legalzession (cessio legis) der Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner auf den zahlenden Gesamtschuldner. Während Abs. 1 die Innenforderung zwischen den Bürgen betrifft, umfasst Abs. 2 die Außenforderung zwischen Gläubiger und Schuldner. ‌
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2. Kann B von M einen anteiligen Ausgleich verlangen, obwohl G die M aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung entlassen hat?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB kann nur bestehen, wenn die vermeintlichen Ausgleichspflichtigen und der Zahlende zum Zeitpunkt der Zahlung noch Gesamtschuldner sind. Ist dies nicht der Fall, können auch die Regelungen zum Gesamtschuldnerausgleich nicht zur Anwendung kommen. Noch vor der Zahlung durch B hat G die M aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung entlassen. Die Hauptforderung geht aber erst mit Befriedigung (Zahlung) des Gläubigers über (vgl. § 426 Abs. 2 BGB). Auch Abs. 1 greift nicht, da eben kein Gesamtschuldverhältnis (mehr) besteht.

3. Ist der Bürge also im Hinblick auf die Aufgabe paralleler Sicherheiten durch den Gläubiger gänzlich schutzlos?

Nein!

Hat der Gläubiger eine mit der Hauptforderung verbundene Sicherheit aufgegeben und wurde dadurch der Rückgriff des Bürgen vereitelt, erlischt der Bürgschaftsanspruch kraft Gesetzes in der Höhe, in welcher der Bürge aus dem aufgegebenen Recht hätte Rückgriff nehmen können. G hat auf die mit der Hauptforderung verbundene Sicherheit (die Bürgschaft der M) gewollt verzichtet. Hierdurch hat B die Rückgriffsmöglichkeit verloren. Hätte G die Bürgschaft nicht aufgegeben, wäre sie mit der Forderung gegen S übergegangen. B hätte sich aus der Bürgschaft befriedigen können. Bs Verpflichtung verringert sich somit um den Wert der Bürgschaft. Dies ist ohne anderweitige Bestimmungen die Hälfte der insgesamten Verpflichtung (vgl. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB).

4. Indem G die M aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung entlässt, wird auch B in Höhe der Hälfte der Bürgschaftsverpflichtung frei.

Genau, so ist das!

Würde der zahlende Sicherungsgeber in voller Höhe von seiner Zahlungsverpflichtung frei, hätte dies zur Folge, dass der zahlende Sicherungsgeber einen Vorteil gegenüber den anderen Sicherungsgebern hätte. Es würden zu einem Wettlauf der Sicherungsgeber kommen. Denn der zahlende Bürge hätte einen Ausgleichsanspruch in voller Höhe, würde also selbst von seiner Zahlungsverpflichtung frei. Um dies zu verhindern, steht dem zahlenden Bürgen lediglich ein quotaler Anspruch zu, der sich nach der internen Haftungsverteilung richtet. Auch § 776 BGB bewirkt nur, dass der zahlende Sicherungsgeber in Höhe der aufgegebenen Sicherheit frei wird, nicht etwa in voller Höhe. Da anderweitige Bestimmungen nicht bekannt sind, ist davon auszugehen, dass B und M zunächst hälftig hafteten (vgl. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Da B nicht mehr von M einen Ausgleich verlangen kann, wird B stattdessen in Höhe der Hälfte der Bürgschaftsverpflichtung gegenüber G frei (vgl. § 776 S. 1 BGB).

5. B kann von G den überbezahlten Betrag nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB (Leistungskondiktion) verlangen.

Ja, in der Tat!

Es könnte ein Anspruch aus Leistungskondiktion bestehen. Voraussetzung ist, dass der Bereicherungsschuldner (1) etwas (2) durch Leistung des Bereicherungsgläubigers und (3) ohne Rechtsgrund erlangt. B und M waren mangels anderweitiger Vereinbarung hälftig zur Zahlung an G verpflichtet (vgl. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB). G hat durch Leistung des B Geld erlangt. Rechtsgrund dafür war vordergründig die Bürgschaft. Allerdings ist B durch die Aufgabe der Sicherung durch G in der Höhe von der Bürgschaftsverpflichtung frei geworden, in der B gegenüber M ein Regressanspruch zugestanden hätte (§ 776 BGB). In Höhe dieses Werts hat B somit rechtsgrundlos geleistet. Diesen Betrag kann er von G herausverlangen.
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