Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Allgemeiner Teil
Anforderungen an den Tatentschluss beim versuchten Unterlassungsdelikt
Anforderungen an den Tatentschluss beim versuchten Unterlassungsdelikt
17. Februar 2025
6 Kommentare
4,8 ★ (20.566 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T fährt O unachtsam mit dem Auto an und verletzt O schwer. T denkt, O könne durch ärztliche Hilfe eventuell noch gerettet werden. Er nimmt seinen Tod aber in Kauf und fährt weiter. O stirbt. Bei direkter ärztlicher Hilfe hätte es geringe Überlebenschancen gegeben.
Diesen Fall lösen 85,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Anforderungen an den Tatentschluss beim versuchten Unterlassungsdelikt
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat sich wegen Totschlags strafbar gemacht, indem er O anfuhr (§ 212 Abs. 1 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. T könnte sich aber wegen Tötung durch Unterlassen strafbar gemacht haben, indem er nach dem Unfall mit O keine Rettungshandlung vornahm (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB).
Ja!
3. Hätte T sofort den Notruf gewählt, wäre Os Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeblieben (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. T könnte sich aber wegen versuchter Tötung durch Unterlassen strafbar gemacht haben (§§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
5. In subjektiver Hinsicht (Tatentschluss) genügt es, dass T Vorsatz in Bezug auf die objektiven Merkmale des Totschlags durch Unterlassen (§§ 212 Abs. 1, 13 StGB) hatte.
Nein!
6. Der 5. BGH-Senat nahm bislang einen Tatentschluss hinsichtlich der Quasi-Kausalität nur an, wenn der Täter die Vorstellung hatte, dass die vorgestellte Rettungshandlung den Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindern würde.
Genau, so ist das!
7. Nach ständiger Rechtsprechung des 4. BGH-Senats genügt es dagegen für den Tatentschluss beim versuchten Unterlassungsdelikt, dass der Täter den Eintritt des Rettungserfolgs für möglich hält.
Ja, in der Tat!
8. T handelte mit Tatentschluss hinsichtlich einer versuchten Tötung durch Unterlassen (§§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB).
Ja!
9. Nach herrschender Meinung hat T auch unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Genau, so ist das!
10. T hat sich auch wegen unerlaubtem Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

kithorx
1.10.2023, 23:50:55
Spannender Fall, verständlich aufgearbeitet!

Nora Mommsen
3.10.2023, 15:26:43
Hallo Kithorx, danke für das tolle Feedback! Die Rückmeldung von euch motiviert uns immer ganz besonders :) Beste Grüße und einen schönen Feiertag, Nora - für das Jurafuchs-Team
Unberechtigter Untervermieter
14.12.2023, 08:42:39
mE handelt es sich bei 13 nicht um ein deliktsspezifisches Merkmal. Daher ist die Frage etwas verwirrend

Lukas_Mengestu
19.12.2023, 15:40:47
Hallo Unberechtigter Untervermieter, ich glaube hier ist es zu einer kleinen Verwechslung gekommen. Der
Tatentschlussmuss sich (1) auf alle objektiven
Tatbestandsmerkmaleund (2) auf eventuell vorliegende deliktsspezifische, subjektive
Tatbestandsmerkmalebeziehen. Die zusätzlichen Voraussetzungen des §
13 StGBstellen in der Tat keine deliktsspezifischen subjektiven Merkmale dar (zB
Zueignungsabsichtbeim Diebstahl,
Habgierbeim Mord...), aber objektive
Tatbestandsmerkmalevon unechten Unterlassungsdelikten. Deshalb muss sich im Falle des versuchten Unterlassungsdelikts der
Tatentschlussauch hierauf beziehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
as.mzkw
29.10.2024, 13:13:15
Hätte man im Hinblick auf das Anfahren nicht eine fahrlässige KV prüfen müssen?
lianka
13.1.2025, 18:28:56
wie wäre es in diesem Fall: T fährt O unachtsam mit dem Auto an und verletzt O schwer. T denkt, O könne nicht mehr gerettet werden. Außerdem hat T keine Lust auf die Auseinandersetzung mit der Polizei. Er fährt weiter. O stirbt. Bei direkter ärztlicher Hilfe hätte er überlebt.