Einseitiger EVB (vertragswidriger Eigentumsvorbehalt)


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Händler H verkauft K eine Kaffeemaschine und gewährt ihm Ratenzahlung. Nach Übereignung und Übergabe der Maschine übergibt H dem K den Lieferschein, auf dem steht "Lieferung erfolgt unter Eigentumsvorbehalt".

Einordnung des Falls

Einseitiger EVB (vertragswidriger Eigentumsvorbehalt)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ein Eigentumsvorbehalt kann nur vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags vereinbart werden, nicht jedoch (wie hier) danach.

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Nein, das trifft nicht zu!

Der Eigentumsvorbehalt kann auch erst nach Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts vereinbart werden. Da das schuldrechtliche Grundgeschäft die Pflicht zur unbedingten Übereignung enthält, ist die nachträgliche Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts durch die Parteien als grundsätzlich zulässige Vetragsänderung des schuldrechtlichen Geschäfts anzusehen.

2. K hat bereits Eigentum an der Kaffeemaschine erworben.

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Ja!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. H und K haben sich konkludent über den Eigentumsübergang geeinigt. Zu diesem Zeitpunkt bestanden keine Anhaltspunkte, dass H nur bedingt übereignen wollte. H hat K die Kaffeemaschine auch übergeben. H und K waren noch einig. K war auch verfügungsbefugt.

3. H handelt vertragswidrig, indem er versucht, sich einen Eigentumsvorbehalt zu erschleichen.

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Genau, so ist das!

Als vertragswidrigen Eigentumsvorbehalt bezeichnet man die Konstellation, in der der Verkäufer ungeachtet seiner schuldrechlichen Verpflichtung versucht, sich nachträglich einen Eigentumsvorbehalt zu erschleichen. Eine aus dem Empfängerhorizont auf der Grundlage des Vertrages anzusehende unbedingte Einigungserklärung bewirkt mit Annahme durch den Käufer den Eigentumsübergang. Die nachfolgende einseitige Erklärung des H ist wirkungslos.

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Melanie 🐝

Melanie 🐝

3.3.2021, 22:21:57

Viiiiiel besser diese optische Untergliederung!

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

3.3.2021, 23:26:08

Hi Melanie, vielen Dank!

LE

Leo

22.6.2021, 18:04:16

Nach dem Sachverhalt fand die Übereignung hier zweifelsfrei statt. Wenn das nicht so wäre, hätte ich mich gefragt, ob angesichts der Klausel auf dem Lieferschein überhaupt von einem Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe ausgegangen werden kann. Wäre das zu diskutieren?

Ferdinand

Ferdinand

23.6.2021, 12:20:14

Da der Lieferschein erst nach der Übergabe der Kaffeemaschine übergeben worden ist, ist er für die Übereignung der Maschine irrelevant. Angesichts der schuldrechtlichen Vereinbarung der unbedingten Übereignung und mangels abweichender Äußerungen des H ist seine auf die Eigentumsübertragung gerichtete Willenserklärung m. E. nach dem objektiven Empfängerhorizont und Treu und Glauben so auszulegen, dass das Eigentum ohne aufschiebende Bedingung übertragen wird. Ein innerer, „geheimer“ Vorbehalt ist unbeachtlich. Da diese Willenserklärung vor Übergabe nicht angefochten oder widerrufen worden ist, gilt sie weiterhin. Das Einigsein bei Übergabe wäre folglich zu bejahen. M. E. ist das aber in der Klausur durchaus mit den hier dargelegten Überlegungen zu erörtern.

DI

Diaa

28.8.2023, 00:32:31

Wo ist der Unterschied zum vorigen Fall? Wieso ist der nachträglich Eigentumsvorbehalt hier vertragswidrig und im vorigen Fall nicht?

AM

Andeutungstheorie merken

15.9.2023, 18:34:02

Weil der Veräußerer im vorherigen Fall die Vereinbarung eines EVB ausdrücklich nachträglich eingefordert hat. Im hiesigen Fall versucht der Veräußerer, dem Erwerber einen EVB durch die Hintertür in die Schuhe zu schieben. LG


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