Durchsuchung von Wohnungen

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Bankräuberin B hat nach einem Coup Unterschlupf bei Freund F gefunden. Sie plant ihre Serie von Bankrauben am nächsten Tag fortzusetzen. Polizist P erhält einen Tipp zum Aufenthaltsort von B und durchsucht zusammen mit seiner Kollegin K die Wohnung von F nach B.

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Einordnung des Falls

Durchsuchung von Wohnungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Polizei ist ermächtigt, Wohnungen zur gefahrenabwehrrechtlichen Zwecken zu durchsuchen und zu betreten.

Genau, so ist das!

Die Polizei ist dazu befugt, Wohnungen in verschiedenen Situationen zu durchsuchen oder zu betreten (§ 41 PolG NRW). Eine Wohnungsdurchsuchung ist das planmäßige Suchen staatlicher Stelle in einer Wohnung nach Sachen oder Personen, die der Wohnungsinhaber selbst nicht herausgeben will. Das Betreten ist das körperliche Hineintreten in die Wohnung ohne, dass dabei gezielt nach Sachen oder Personen gesucht wird. Umfasst ist aber die Befugnis, die darin befindlichen Sachen und Personen zu Kenntnis zu nehmen. § 41 PolG NRW enthält zwei verschiedene Befugnis: Zum einen das bloße Betreten der Wohnung, zum anderen das Durchsuchen der Wohnung.
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2. Der Wohnungsbegriff umfasst nur eine Wohnung im engeren Sinne. Neben- oder vergleichbaren Räume sind nicht umfasst.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Wohnungsbegriff ist vor dem Hintergrund von Art. 13 GG zu verstehen und stellt einen Raum privater Lebensgestaltung dar, welcher der Allgemeinheit nicht zugänglich ist. Das PolG NRW konkretisiert den Wohnungsbegriff und zählt neben Wohnräumen auch Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum dazu (§ 41Abs. 1 S. 2 PolG NRW). Das befriedete Besitztums darf nicht im Sinne von § 123 StGB verstanden werden, wonach eine gewisse äußerliche erkennbare Umfriedung erforderlich ist. Vielmehr ist entscheidend, ob der umfriedete Bereich auch einen persönlichen Rückzugsort darstellt und Bestandteil der räumlichen Privatsphäre ist.

3. Die Wohnungsdurchsuchung unterliegt grundsätzlich einem Richtervorbehalt.

Ja!

Vor dem Hintergrund des qualifizierten Gesetzesvorbehalts aus Art. 13 Abs. 2 GG ist von Verfassungs wegen grundsätzlich im Voraus eine richterliche Entscheidung einzuholen (§ 42 Abs. 1 PolG NRW). Ausnahmsweise kann die Polizei die Durchsuchung selbst anordnen, wenn Gefahr in Verzug vorliegt (§ 42 Abs. 1 PolG NRW). Dies ist der Fall, wenn eine Einhaltung des "normalen" Verfahrens das Ziel und die Effektivität der Maßnahme in unzumutbarer Weise vereiteln würde. In der polizeilichen Praxis wurde all zu schnell auf die gesetzliche Ausnahme zurückgegriffen, weshalb das BVerfG die Hürden zur Annahme von Gefahr in Verzug erhöhte. Zum einen steht der Polizei kein Beurteilungsspielraumzu, welcher gerichtlich nicht überprüfbar wäre. Zum anderen muss ein ernsthaftes Bemühen seitens der Polizei vorliegen, ein Gericht zu erreichen. Seitens des Gerichts müssen organisatorische Vorkehrung zur Einrichtung eines Eil- und Notdienste getroffen werden.

4. Neben dem Richtervorbehalt sind keine weiteren speziellen Verfahrensvorschriften zu beachten.

Nein, das ist nicht der Fall!

Das PolG NRW bestimmt noch weitere Verfahrensvorschriften, die neben dem Richtervorbehalt eingehalten werden müssen. Dazu zählt das Anwesenheitsrechts des Wohnungsinhabers (§ 42 Abs. 2 S. 1 PolG NRW). Im Falle der Abwesenheit sind Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen (§ 42 Abs. 2 S. 2 PolG NRW). Der betroffenen Person ist zudem der Grund der Durchsuchung unverzüglich bekanntzugeben (§ 42 Abs. 3 PolG NRW). Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu führen, wovon die betroffene Person eine Abschrift erhalten muss (§ 42 Abs. 4 PolG NRW). Hast Du einen Verfahrensfehler festgestellt, musst du stets an eine mögliche Heilung nach § 45 VwVfG NRW denken. Für eine fehlende Bekanntgabe des Grundes und eine fehlende Abschrift, kommt eine Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW in Betracht.

5. Auf Tatbestandsebene ist das Betreten oder das Durchsuchen zur Abwehr einer abstrakten Gefahr erlaubt.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 41 Abs. 1 PolG NRW definiert klare Eingriffsvoraussetzungen. Eine abstrakte Gefahr reicht nicht aus. Zum einen kann die Polizei Wohnungen betreten oder durchsuchen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich dort Personen befinden, die nach § 10 Abs. 3 PolG NRW vorgeführt oder nach § 35 PolG NRW in Gewahrsam genommen werden dürfen (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW). Zudem ist die Maßnahme zulässig, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich in der Wohnung Sachen befinden, die nach § 35 Nr. 1 PolG NRW sichergestellt werden dürfen (§ 41 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW). Außerdem kann die Polizei die Wohnung betreten oder durchsuchen, wenn von ihr Immissionen ausgehen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer zu einer erheblichen Belästigung der Nachbarschaft führen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW). Zuletzt ist die Maßnahme zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für Sachen von bedeutendem Wert erlaubt (§ 41 Abs. 1 Nr. 4 PolG NRW).

6. Die Durchsuchung oder das Betreten darf zu jeder Tages- und Nachtzeit stattfinden.

Nein!

Als besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitgrundsatzes ist das Betreten und Durchsuchen zu Nachtzeiten grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn das Betreten oder Durchsuchen basiert auf § 41 Abs. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 PolG NRW (§ 41 Abs. 2 PolG NRW). Das Betreten (nicht das Durchsuchen) ist hingegen jederzeit möglich, wenn es der Abwehr einer dringenden Gefahr dient (§ 41 Abs. 3 PoLG NRW). Zudem muss der begründete Verdacht bestehen, dass die Personen in der Wohnung Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben oder gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen oder sich in der Wohnung gesuchte Straftäter verbergen oder die Wohnung der Prostitution dient.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

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PrüfungsProfi

7.11.2024, 09:32:55

Hier muss ich eine Abgrenzung vornehmen, ob es sich um eine präventive oder repressive Maßnahme handelt, oder? Dies richtet sich bei doppelfunktionalen Maßnahmen nach deren Schwerpunkt, wie er sich aus objektiver Sicht ergibt. Hier würde die Durchsuchung vorrangig dazu dienen, die T zu aufzufinden, um die Fortführung der Taten am nächsten Tag zu verhindern? Andererseits kann ich mir rein praktisch vielmehr vorstellen, dass die Strafverfolgung bezweckt wird und die Verhütung weiterer Straftaten bloße Nebenfolge ist.


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