Verkehrssicherungspflicht im Eingangsbereich eines alten Wohnhauses


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K besucht ihre Tochter und verlässt deren Mietshaus in der Nacht. Dabei bleibt sie mit ihren Absätzen in einem alten Gitterrost hängen und stürzt schwer. Der Rost weist 4 x 7 cm große, rautenförmige Öffnungen auf. Heutzutage sind 3 x 3 cm Quadrate üblich.

Einordnung des Falls

Verkehrssicherungspflicht im Eingangsbereich eines alten Wohnhauses

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Mietvertrag zwischen der Tochter und der Hauseigentümerin entfaltet Schutzwirkung zugunsten von Besuchern.

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Nein, das trifft nicht zu!

Damit die Haftung des Vertragspartners nicht unkalkulierbar wird, stellt die Rspr. strenge Anforderungen an die Einbeziehung Dritter (Leistungsnähe, Einbeziehungsinteresse, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit). Leistungsnähe bedeutet, dass der Dritte den Gefahren des Schuldverhältnisses bestimmungsgemäß ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger. Zudem muss der einbezogene Personenkreis eng umgrenzt und überschaubar sein. Das nimmt die Rspr. i.d.R. für Personen an, die beim Mieter wohnen, nicht jedoch für Besucher und Gäste.

2. Eine Rechtsgutsverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) kann in einem positiven Tun oder auch in einem Unterlassen bestehen.

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Ja!

Ein Unterlassen stellt dann eine Pflichtverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB dar, wenn den Unterlassenden eine Rechtspflicht zum Handeln trifft. Eine solche könnte sich für die Hauseigentümerin aus ihren allgemeinen Verkehrssicherungspflichten ergeben.

3. Die Hauseigentümerin hat ihre allgemeinen Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie versäumt hat, ein dem üblichen Stand der Technik entsprechendes Gitter mit kleinen Öffnungen zu installieren.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Wer eine Gefahrenlage schafft oder andauern lässt, muss die Vorkehrungen treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern. Haftungsbegründend ist eine Gefahrenlage, wenn sich für einen sachkundig Urteilenden die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter Dritter verletzt werden könnten. OLG Schleswig: Die großen Gitteröffnungen hätten die Gefahr, dass ein Damenschuh mit hohem Absatz hängen bleibt, nicht wesentlich erhöht. K hätte am Gitter vorbeigehen oder dieses mit dem Ballen betreten können.

4. Die Hauseigentümerin hat ihre allgemeinen Verkehrssicherungspflichten verletzt, indem sie versäumt hat, eine Beleuchtung über dem Gitter anzubringen.

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Nein, das trifft nicht zu!

OLG Schleswig: Der Bereich vor einer Haustür müsse nicht stets aus Sicherheitsgründen ausgeleuchtet sein. K hätte auch in der Dunkelheit mit einem Gitterrost vor der Haustür rechnen müssen. Zudem sei auch in anderen nicht beleuchteten Bereichen - etwa auf öffentlichen Gehwegen - stets mit Gullys und ähnlichen Öffnungen zu rechnen, die mit hohen Absätzen nicht gefahrlos betreten werden könnten.

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