Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Rücktritt beim erfolgsqualifizierter Versuch

Rücktritt beim erfolgsqualifizierter Versuch

26. August 2025

6 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

A bedroht O mit einer Pistole, um Os Geldbeutel zu bekommen. Um den Druck zu erhöhen, entsichert A die Waffe. Dabei löst sich ungewollt ein Schuss und O verstirbt. A bereut das Ganze und flieht, ohne etwas wegzunehmen.

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Einordnung des Falls

Rücktritt beim erfolgsqualifizierter Versuch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es liegt nach der Rechtsprechung ein erfolgsqualifizierter Versuch (§§ 249 Abs. 1, 251, 22, 23 Abs. 1 StGB) vor.

Genau, so ist das!

Der Raub ist im Versuch „stecken“ geblieben, aber der Tod ist durch die Handlung eingetreten. Demnach liegt ein Raubversuch mit Todesfolge vor. Auch das Erfordernis der Leichtfertigkeit ist erfüllt, da sich beim Bedrohen mit einer ungesicherten Waffe schnell ein Schuss lösen kann, gerade in stressigen Situationen.
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2. A ist nach dem BGH vom Raub mit Todesfolge zurückgetreten.

Ja, in der Tat!

Der BGH lässt einen Rücktritt auch nach dem Eintritt einer schweren Folge zu, zumindest dann, wenn der Täter diese nicht vorsätzlich herbeigeführt hat. Die vorsätzliche Herbeiführung lässt der BGH offen. Der Raub ist unbeendet, da die Wegnahme einer weiteren Handlung bedürfte. Daher tritt A zurück, wenn sie die weitere Tatausführung aufgibt (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB), was vorliegend der Fall ist. A bereut das Ganze, was ein autonomes Motiv darstellt. Sie handelt freiwillig. In derartigen Fällen solltest Du einen besonderen Blick auf den Fehlschlag und die Freiwilligkeit werfen: Wenn der Täter geschockt ist, kommt ein Fehlschlag in Betracht. Das Gleiche gilt, wenn eine Mitwirkungshandlung des Opfers erforderlich war. Tritt der Täter nur zurück, weil sich das Risiko der Tat erhöht hat, dann kann die Freiwilligkeit ausscheiden.

3. Die Vorinstanz hatte hier einen Rücktritt abgelehnt, da der Täter nichts zur Verhinderung des Erfolgseintrittes getan habe.

Ja!

Damit stellt die Vorinstanz alleine auf den Eintritt des Todes ab, sodass danach kein Rücktritt mehr möglich sein soll. Dies wurde auch in der Literatur teilweise vertreten mit dem Argument, dass die Tat mit dem Eintritt der schweren Folge materiell vollendet sei, da sich das Risiko bereits verwirklicht habe. Der BGH erkennt darin jedoch einen Verstoß gegen das Gesetzlichkeitsprinzip aus Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB, da der Rücktritt von einem Versuch gesetzlich vorgeschrieben sei. Eine Abweichung vom Wortlaut aus Gerechtigkeitserwägungen sei nicht möglich. Tritt der Täter vom Grunddelikt zurück, dann entfällt der Anknüpfungspunkt für eine Qualifikation.

4. A ist daher straffrei.

Nein, das ist nicht der Fall!

Es verbleibt eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB), fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB), Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 StGB), Bedrohung (§ 241 Abs. 1 StGB) und je nach Vorsatz versuchter oder vollendeter Nötigung (§§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB bzw. § 240 Abs. 1 StGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OKA

okalinkk

16.6.2025, 22:52:12

Kann mir jemand sagen, weshalb hier nicht ein Fehlschlag vorliegt? Das Opfer ist doch nun tot. Somit ist die Sache gewahrsamslos. Wie kann der Täter dann noch die Tat vollenden? Er kann doch keinen fremden Gewahrsam mehr brechen?

BEN

benjaminmeister

14.7.2025, 19:06:54

Wahrscheinlich wird man nicht festgestellt haben können, dass das Opfer sofort verstorben ist (nicht jeder Schuss führt ja zum sofortigen Tod). Im Zweifel muss man dann wohl für die Sicht des Täters davon ausgehen, dass das Opfer noch weitergelebt hat und die

Wegnahme

weiterhin aus Tätersicht möglich war (erweitert ja die Rücktrittsmöglichkeiten). Der BGH hat übrigens nicht den Rücktritt bejaht, sondern nur gesagt, dass der Rücktritt jetzt nochmal geprüft werden muss: "d) Die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts setzt allerdings freiwilliges Handeln voraus. Dies läge nicht vor, wenn die Angeklagten infolge eines durch den Schuß und seine Folge ausgelösten Schocks zur Vollendung des Raubes psychisch unfähig geworden wären. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend dargelegt hat, schlösse ein so begründeter emotionaler Zwang die Freiwilligkeit eines Rücktritts aus (vgl. BGH GA 1977, 75, 76; BGH bei Holtz MDR 1986, 271; BGH NStZ 1994, 428; Dreher/Tröndle aaO § 24 Rdn. 6 m.w.Nachw.). Die von der Jugendkammer getroffenen Feststellungen lassen einen freiwilligen Rücktritt aller Angeklagten möglich erscheinen, ergeben dies jedoch nicht zwingend. Der Senat kann die insoweit erforderliche, vom hierzu berufenen Tatrichter aber auf der Grundlage seines unzutreffenden rechtlichen Ausgangspunkts nicht vorgenommene Würdigung der Feststellungen nicht durch eigene Erwägungen ersetzen. Dies gilt hinsichtlich beider Revisionsführer. Zwar wirkt der Rücktritt eines Mittäters nicht ohne weiteres zugunsten der anderen; es kann hierfür jedoch genügen, wenn die Mittäter nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie es jeweils könnten (BGH NStZ 1989, 317; Dreher/Tröndle aaO § 24 Rdn. 15; Eser aaO § 24 Rdn. 112; Lackner/Kühl aaO § 24 Rdn. 25). Die Sache bedarf daher einer erneuten tatrichterlichen Entscheidung." Im JF-Sachverhalt wird zwar angegeben, dass der Täter Reue hat, das reicht aber mMn nicht aus, um daraus zwangsläufig ein (noch) autonomes Motiv=Freiwilligkeit zu bejahen. Auch der dann plötzlich psychisch unfähige Täter wird die Tat ja regelmäßig (besonders) bereuen. Ich fände es besser, wenn man den Sachverhalt in der Aufgabe noch weiter konkretisiert (Wann konnte Tod des Opfers sicher festgestellt werden? Ist Täter psychisch noch fähig die Tat zu vollenden?). Mein Bauchgefühl würde bei so einem Sachverhalt (bei dem eig keine Schüsse auf Menschen abgegeben werden sollte) eher dahin gehen, dass man die Freiwilligkeit ablehnt, weil der Schockmoment regelmäßig enorm hoch sein dürfte und auch die Entdeckungswahrscheinlichkeit regelmäßig ansteigt. Edit: Rengier, BT I, § 9 Rn. 40 stellt in seinem vergleichbaren Beispielsfall die Freiwilligkeit übrigens auch explizit fest (ohne es nur mit "bereut" anzudeuten).

OKA

okalinkk

16.6.2025, 23:05:35

Wenn der Täter das Opfer zuvor mit dem Leben bedroht hätte und zu ihm gesagt hätte „gib die Sache her, sonst erschiesse ich dich“, dann läge mMn nach Rspr eine räuberische Erpressung vor - äusseres Erscheinungsbild WEGGABE. Wenn nun das Opfer vor Schock an einem Herzinfarkt stirbt und der Täter nun davon absieht, die

Geld

börse mitzunehmen, läge dann bzgl des Rücktritts vom erfolgsqualifizierten Versuch ein Fehlschlag vor? Schliesslich hätte das Opfer die Sache ja hergeben müssen. Dies kann es aber nicht mehr, da es tot ist. Ich hätte hier dann einen Fehlschlag angenommen? Wie seht ihr das?

HARD

hardymary

3.8.2025, 11:32:13

in dubio pro reo

: wahrscheinlich muss man annehmen, dass das Opfer zumindest für paar Sekunden noch gelebt hat und somit die Sache noch hätte weggeben können, der Täter aber davon abgesehen hat und zurückgetreten ist. Außerdem sagt ja die Rspr. ja sogar, dass jedes Tun, Dulden und Unterlassen für die räuberische Erpressung ausreichend ist und es eben gerade nicht einer willentlichen

Vermögensverfügung

bedarf.


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