Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten
Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG: Ausgleich des Vermögensnachteils
Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG: Ausgleich des Vermögensnachteils
19. Mai 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

C will in ihrem Garten ein Tropenhaus errichten. Nachdem Baubehörde B ihr zunächst die erforderliche Baugenehmigung erteilt hat, bemerkt B, dass das Bauvorhaben rechtswidrig ist und nimmt die Genehmigung zurück. C hat bereits Baumaterial gekauft und einen Architekten beauftragt.
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Einordnung des Falls
Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG: Ausgleich des Vermögensnachteils
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Baugenehmigung ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Sie kann nur eingeschränkt zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Zulässigkeit der Rücknahme von Cs Baugenehmigung richtet sich nach § 48 Abs. 2 VwVfG.
Nein!
3. B kann die Baugenehmigung nur zurücknehmen, wenn das öffentliche Interesse an der Rücknahme das subjektive Interesse der C am Fortbestand der Genehmigung überwiegt.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. C kann einen Antrag auf Ausgleich des Vermögensnachteils stellen, welcher ihr durch den Kauf der Baumaterialien und die Beauftragung des Architekten entstanden ist.
Ja, in der Tat!
5. Die Ausgleichspflicht besteht nur, wenn das subjektive Interesse der C das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Baugenehmigung überwiegt.
Nein!
6. C's Vertrauen auf den Bestand der Baugenehmigung ist schutzwürdig. Sie kann Ersatz für ihre Ausgaben verlangen.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie
23.12.2022, 14:47:24
Was für ein Antrag auf Ersatz wäre das dann? Richtet der sich grundlegend nach 48 III 1 oder müssen da noch Normen hinzuzitiert werden?

antoniasophie
27.11.2023, 09:01:11
Würde mich auch interessieren!
Patrick4219
2.2.2024, 12:51:26
Verweis auf § 48 III 1 VwVfG genügt
Dogu
11.6.2024, 19:28:12
Ich verstehe die Obergrenze in § 48 Abs. 3 Satz 3 VwVfG in diesem Zusammenhang nicht. Was wäre diese hier im konkreten Fall?

K.Attalla
18.4.2025, 14:23:28
Schließe mich der Frage an. Wüsste auch nicht, wie man anhand der Baugenehmigung die Höhe des Ausgleichsanspruch bestimmt. Aufklärung hierzu wäre super!

Tim Gottschalk
3.5.2025, 13:16:31
Hallo @[Dogu](137074) und @[K.Attalla](217236), in diesem Fall wird man das nicht sinnvoll quantifizieren können. Grundsätzlich ist es wie bei der Anfechtung im Zivilrecht, das
positive Interessebildet die Obergrenze für den Ausgleichsanspruch. Angenommen die Baugenehmigung wäre für ein Objekt gewesen, dass der Bauherr vermietet hätte und die Genehmigung wäre auf 5 Jahre befristet gewesen. Und der Bauherr hätte damit 50.000 € an Miete einnehmen können. Dann wären diese 50.000 € das
positive Interesse(also das, was der Bauherr bekommen hätte, wenn die Baugenehmigung Bestand hätte). Und angenommen der Bau hätte 100.000 € gekostet. Das wäre das
negative Interesse, weil er diese 100.000 € nicht ausgegeben hätte, wenn er nicht auf den Bestand der Baugenehmigung vertraut hätte und es stattdessen nie eine wirksame Baugenehmigung gegeben hätte. Wenn der Bauherr wie hier von vornherein Verlust gemacht hätte, soll er diesen Verlust nicht dadurch ausgleichen können, dass jetzt zufällig die Baugenehmigung zurückgenommen wird. Denn dadurch würde er besser gestellt, als er eigentlich gestanden wäre, wenn die Baugenehmigung Bestand gehabt hätte. Ihm werden in diesem Fall also nur die 50.000 € erstattet und die 50.000 € Verlust, die er durch seine eigene Entscheidung herbeigeführt hat, bleiben bestehen. Vorliegend kann man das bei einem Tropenhaus, das auch nicht zwingend einer wirtschaftlichen Nutzung dienen muss, meiner Meinung nach nur schwer bewerten. Ich würde daher vermuten, dass man in der Praxis keine Überschreitung des positiven Interesses annimmt, solange man dafür keine handfesten Anhaltspunkte hat. Schließlich ist es ja auch eher untypisch, dass jemand mehr
Geldin etwas investiert, als es ihm wert ist. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Magnum
4.9.2024, 14:44:58
In welchem Fall würde denn das "fiskalische Interesse" des Staates überwiegen? Wenn eine sehr hohe Ausgleichszahlung zu erwarten ist? Das erscheint ja kein besonders sinnvolles Abgrenzungskriterium zu sein.
Amelie7
11.2.2025, 13:04:49
Interessante Frage! Ein Beispiel fände ich auch interessant

K.Attalla
28.2.2025, 14:14:45
Schließe mich den Anderen an. Würde mir auch ein Beispiel wünschen. :)
AngeD
18.4.2025, 16:31:18
Push

Tim Gottschalk
3.5.2025, 12:50:59
Hallo @[Magnum](172647), @[Amelie7](262107), @[K.Attalla](217236) und @[AngeD](2266), in der Tat ist es kein sinnvolles Abgrenzungskriterium, wie hoch die Ausgleichszahlung ausfällt. Das BVerwG wollte mit der Formulierung meiner Meinung nach nur betonen, dass Aspekte außer Betracht bleiben, die die Rücknahme des Verwaltungsakts selbst betreffen und diese für besonders geboten erscheinen lassen. Das "Ob" der Rücknahme ist also irrelevant. Stattdessen ist nur zu betrachten, ob Gründe für eine Rücknahme ohne Ausgleichszahlung im Vergleich zur Rücknahme mit Ausgleichszahlung vorliegen. Dieses fiskalische Interesse überwiegt insbesondere dann, wenn Gründe des § 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG vorliegen oder der Betroffene selbst für die
Rechtswidrigkeitdes Verwaltungsakts verantwortlich ist. Vergleiche auch BVerwG, Urteil vom 28. 1. 2010 - 3 C 17/09 Rn. 25. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
jc1909
5.1.2025, 09:42:31
Ist es im Rahmen des § 48 III VwVfG nicht umstritten, ob dieser auch Bestandsschutz gewährt? Das wäre in meinen Augen eine sinnvolle Ergänzung zu dieser Aufgabe.

Linne_Karlotta_
25.3.2025, 19:19:53
Hallo jc1909, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team