Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG: Ausgleich des Vermögensnachteils


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C will in ihrem Garten ein Tropenhaus errichten. Nachdem Baubehörde B ihr zunächst die erforderliche Baugenehmigung erteilt hat, bemerkt B, dass das Bauvorhaben rechtswidrig ist und nimmt die Genehmigung zurück. C hat bereits Baumaterial gekauft und einen Architekten beauftragt.

Einordnung des Falls

Rücknahme eines begünstigenden VAs: § 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 VwVfG: Ausgleich des Vermögensnachteils

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Baugenehmigung ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Sie kann nur eingeschränkt zurückgenommen werden (§ 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Ein begünstigender Verwaltungsakt liegt vor, wenn dieser ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (§ 48 Abs. 1 S. 2 VwVfG). Will die Behörde einen begünstigenden Verwaltungsakt zurücknehmen, ist das aus Sicht des Adressaten grundsätzlich nachteilig. Die Behörde kann den Verwaltungsakt deswegen nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 48 Abs. 2-4 VwVfG zurücknehmen. Die Baugenehmigung ist für C rechtlich vorteilhaft.

2. Die Zulässigkeit der Rücknahme von Cs Baugenehmigung richtet sich nach § 48 Abs. 2 VwVfG.

Nein!

§ 48 Abs. 2 VwVfG regelt die Rücknahme von Verwaltungsakten, die einmalige oder laufende Geldleistungen oder teilbare Sachleistungen gewähren. Ein Verwaltungsakt, der nicht unter § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG fällt, richtet sich nach § 48 Abs. 3 VwVfG. Die Baugenehmigung gewährt keine Geldleistung oder teilbare Sachleistung. Die Rücknahme richtet sich nach § 48 Abs. 3 VwVfG. § 48 VwVfG ist sehr verständlich ausgestaltet: Nachlesen, statt Auswendiglernen!

3. B kann die Baugenehmigung nur zurücknehmen, wenn das öffentliche Interesse an der Rücknahme das subjektive Interesse der C am Fortbestand der Genehmigung überwiegt.

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 48 Abs. 3 VwVfG regelt nicht das "ob" einer Rücknahme, sondern betrifft die Sekundärebene des Ausgleichs einer Rücknahme. Anders als bei § 48 Abs. 2 VwVfG kann die Behörde einen begünstigenden Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 3 VwVfG ohne weitere Voraussetzungen nach ihrem Ermessen ganz oder teilweise zurücknehmen, selbst wenn auf Seiten des Begünstigten schutzwürdiges Vertrauen besteht. Das bedeutet nicht, dass Aspekte des Vertrauensschutz nicht die die Ermessensentscheidung (§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG) einbezogen werden. Aber anders als im Fall des § 48 Abs. 2 VwVfG wird das Ermessen nicht von vornherein eingeschränkt. Das Ermessen der B ist nicht von vornherein dadurch beschränkt, dass das öffentliche Interesse an der Rücknahme überwiegen muss.

4. C kann einen Antrag auf Ausgleich des Vermögensnachteils stellen, welcher ihr durch den Kauf der Baumaterialien und die Beauftragung des Architekten entstanden ist.

Ja, in der Tat!

Der Rechtsträger der rücknehmenden Behörde muss dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil ausgleichen, den er dadurch erlitten hat, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat (§ 48 Abs. 3 S. 1 VwVfG). Im Rahmen von § 48 Abs. 3 VwVfG schließt das schutzwürdige Vertrauen des Bürgers auf Tatbestandsseite nicht die Rücknahme aus, verpflichtet aber die Behörde zu einem Vermögensausgleich. Der Anspruch ist auf Geldersatz gerichtet. Ersetzt wird das Vertrauensinteresse (Zivilrecht: negatives Interesse), welches durch das Bestandsinteresse (Zivilrecht: positives Interesse) begrenzt ist (§ 48 Abs. 3 S. 3 VwVfG). C hat die Ausgaben getätigt, weil sie auf den Fortbestand der Baugenehmigung vertraut hat.

5. Die Ausgleichspflicht besteht nur, wenn das subjektive Interesse der C das öffentliche Interesse an der Rücknahme der Baugenehmigung überwiegt.

Nein!

Voraussetzung des Anspruchs auf Vermögensausgleich gemäß § 48 Abs. 3 VwVfG ist, dass das Vertrauen des Begünstigten schutzwürdig ist. Das Vertrauen muss daher mit dem öffentlichen Interesse abgewogen werden, dabei gelten nach Systematik die Grundsätze des § 48 Abs. 2 S. 1-3 VwVfG. Allerdings ist nach dem BVerwG mit dem "öffentlichen Interesse" in § 48 Abs. 3 VwVfG das fiskalische Interesse daran gemeint, die Ausgleichszahlungen zu vermeiden. Nicht gemeint ist das öffentliche Interesse an der Rücknahme des Verwaltungsakts, wie es in § 48 Abs. 2 VwVfG normiert ist. Denn darauf kommt es bei § 48 Abs. 3 VwVfG gerade nicht an. Der Vertrauensschutz zugunsten der C muss das öffentliche Interesse daran, die Ausgleichszahlung zu vermeiden, überwiegen.

6. C's Vertrauen auf den Bestand der Baugenehmigung ist schutzwürdig. Sie kann Ersatz für ihre Ausgaben verlangen.

Genau, so ist das!

Es muss - wie bei § 48 Abs. 2 S. 1 VwVfG - geprüft werden, ob der Begünstigte tatsächlich auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und inwieweit dieses Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen (Vermögens-)Interesse schutzwürdig ist. Bei der Abwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Begünstigte sein Vertrauen betätigt hat, also eine Vermögensdisposition getroffen hat. Es sind keine Ausschlussgründe (§ 48 Abs. 2 S. 3 VwVfG) einschlägig. C kann Ersatz für das Architektenhonorar sowie für das Baumaterial (abzüglich eventueller Rückgabeerstattungen) verlangen.

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