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Jurafuchs

G's brutaler Diktator lässt Wahlen fälschen. Daraufhin erhebt sich G’s Volk zu einer bewaffneten Rebellion und kontrolliert schnell 70% von G's Territorium. G’s Diktator ruft den Diktator von H zur Hilfe, um die Rebellion militärisch niederzuschlagen. H bombardiert die Rebellen.

Einordnung des Falls

Intervention auf Einladung (Bürgerkrieg)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine verbotene Gewaltanwendung eines Staates auf dem Territorium eines anderen Staates liegt auch dann vor, wenn diese auf Einladung des betroffenen Staates erfolgt.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Intervention auf Einladung ist ein ungeschriebener Tatbestandsausschluss- bzw. Rechtfertigungsgrund für Verstöße gegen das Gewaltverbot. Für die Einordnung als Tatbestandsausschlussgrund spricht, dass es bereits am Merkmal der Zwischenstaatlichkeit fehlt. Dagegen spricht das Recht der Staatenverantwortlichkeit, das die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund einordnet (vgl. Art. 21 Articles of State Responsibility). Einigkeit besteht, dass eine Gewaltanwendung auf dem Territorium eines anderen Staates nicht gegen das Gewaltverbot verstößt, wenn eine Einladung im Sinne eines Gesuchs um militärische Unterstützung vorliegt, die (2) ein dazu befugtes Staatsorgan ausgesprochen hat.

2. An der Befugnis des Diktators von G, militärische Unterstützung gegen die Rebellion bei H anzufragen, bestehen erhebliche Zweifel.

Ja!

Einladungsbefugt ist, wer effektive Herrschaft über das Staatsgebiet ausübt. Wie neuere Staatenpraxis nach Militärcoups in Haiti (1994), Sierra Leone (1997–1998) und der Elfenbeinküste (2010) zeigt, kann fehlende Effektivität durch Legitimitätserwägungen geheilt werden. Bei demokratisch nicht legitimierten Regierungen, die effektive Kontrolle verloren haben, wird die Einladungsbefugnis bezweifelt. Denn ihnen fehlt die Souveränität über ihr Hoheitsgebiet, die ihr die Einladungsbefugnis vermittelt (str.).G's demokratisch nicht legitimierte Regierung hat ihre Gebietskontrolle an einen innerstaatlichen Volksaufstand verloren. Es spricht viel dafür, ihr die Einladungsbefugnis abzusprechen.

3. Das Bombardement der Rebellen von G auf dem Territorium von G durch H zur Unterstützung von G's Diktator verstößt gegen das Gewaltverbot.

Genau, so ist das!

H setzt militärische Mittel auf dem Territorium von G ein. Lässt sich diese Gewaltanwendung als Intervention auf Einladung qualifizieren, liegt kein Verstoß gegen das Gewaltverbot vor. Eine Intervention auf Einladung setzt (1) das Vorliegen einer Einladung im Sinne eines Gesuchs um militärische Unterstützung voraus, die (2) ein dazu befugtes Staatsorgan ausspricht. Das Bombardement erfolgt auf Bitte des nicht mehr demokratisch legitimierten Diktators von G. Mangels Einladungsbefugnis fehlt es an einer wirksamen Einladung und damit an einer wirksamen Rechtfertigung der Gewaltanwendung.

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RAP

Raphaeljura

17.9.2023, 02:43:57

woher kommt denn die Definition, dass nur demokratisch legitimierte Regierungen andere Staaten zu militärischen Aktionen einladen dürfen? Und wenn das so ist, wie wird dann demokratisch legitimiert definiert? Und die Herleitung erscheint einem doch zweifelhaft, wenn viele UN-Mitgliedsstaaten nicht demokratisch legitimiert sind.

Eric

Eric

11.10.2023, 11:48:56

Da hast du etwas falsch verstanden. Entscheidend ist, dass die Regierung im Sinne der Staatsgewalt (government) zur Intervention einlädt, mit anderen Worten die legitime Regierung Wann aber werden andere Staaten zur Intervention eingeladen? Regelmäßig, wenn die (bis dato) amtierende Regierung einen Verlust an Staatsgewalt erfährt. Solange das einladende Organ ein Mindestmaß an Staatsgewalt über das Staatsgebiet (effective control) ausübt, wird man von der legitimen Regierung im Sinne der Intervention by invitation sprechen können. Nicht mehr einladungsberechtigt sind damit puppet regimes, Exilregierungen u.ä. Hierfür ist dann auch zunächst irrelevant, ob die Regierung mit nach nationalem Recht vorgesehenen Mitteln die Macht ergriffen hat, mit anderen Worten es sich um die legale Regierung handelt. Diese Überlegung ergibt sich aus der Souveränität (domaine réservé), die auch durch das Interventionsverbot (principle of non-intervention) geschützt wird. Handelt es sich beim einladenden Organ allerdings um eine demokratisch gewählte, im Sinne des nationalen Rechts auch legale Regierung, geht die Staatenpraxis wohl mittlerweile soweit, dass Anforderungen an effective control (siehe oben) heruntergeschraubt werden: „Today, invitations by freely and fairly elected governments carry a presumption of legal authority. Governments which have been freely and fairly elected under international supervision, or which are universally recognized as having been freely and fairly elected, can arguably preserve their status for the purpose of inviting foreign troops even after having lost almost all effective control.“ (Nolte, Intervention by Invitiation. In: MPEPIL, Rn. 17.) Einer legalen demokratischen Regierung kommt also eine widerlegbare Vermutung zugute hinsichtlich der effective control und damit ihrer Einladungsberechtigung zu Interventionen. Grundsätzlich eine Praxis, die konsequent zu Ende gedacht, auch nicht gegen das principle of non-intervention verstößt – immerhin wird die ursprüngliche Staatsgewalt und damit einladungsberechtigte Regierung geschützt.


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