Zivilrechtliche Nebengebiete

Handelsrecht

Haftung bei Übertragung eines kaufmännischen Unternehmens

Eintritt in bestehendes Unternehmen eines Kaufmanns / Leistung an die entstandene Gesellschaft, § 28 Abs. 1 S. 2 HGB

Eintritt in bestehendes Unternehmen eines Kaufmanns / Leistung an die entstandene Gesellschaft, § 28 Abs. 1 S. 2 HGB

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die A-GmbH gründet mit der B-GmbH die CleverTaxi GmbH & Co. KG. Die A-GmbH bringt ihr Taxi-Unternehmen ein, das von Grund auf modernisiert und umgestaltet werden soll. Die Forderungen der A-GmbH und B-GmbH wurden nicht an die GmbH & Co. KG abgetreten. Die A-GmbH hat gegen Gebrauchtwagenhändler S noch eine Kaufpreisforderung.

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Einordnung des Falls

Eintritt in bestehendes Unternehmen eines Kaufmanns / Leistung an die entstandene Gesellschaft, § 28 Abs. 1 S. 2 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei dem von der „A-GmbH“ betriebenen Taxi-Unternehmen handelt es sich um ein Handelsgeschäft (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Ein Handelsgeschäft ist das Unternehmen eines Kaufmanns (§ 1ff. HGB). Entgegen dem Wortlaut von § 28 Abs. 1 S. 1 HGB ist nach herrschender Meinung nicht nur das Geschäft eines Einzelkaufmanns erfasst. Beispielsweise kann auch eine Personenhandels- oder Kapitalgesellschaft ihr Unternehmen einbringen. Das Taxi-Unternehmen wurde von der A-GmbH betrieben. Diese ist Form-Kaufmann (§ 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG). Es handelt sich um das Unternehmen eines Kaufmanns.
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2. Die A-GmbH und die B-GmbH haben eine Personenhandelsgesellschaft gegründet (§ 28 Abs.1 S. 1 HGB).

Ja!

Personenhandelsgesellschaften sind Personengesellschaften, die auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet sind. Die Gesellschaft kann mit einer natürlichen Person oder einer Gesellschaft gegründet werden. Auch die Verbindung zweier Unternehmen zu einer Personenhandelsgesellschaft fällt unter § 28 HGB. Die CleverTaxi GmbH & Co. KG ist eine Kommanditgesellschaft (KG) bei der eine GmbH persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) ist. Die KG ist eine Personengesellschaft, für die das Betreiben eines Handelsgewerbes Entstehungsvoraussetzung ist (§ 161 Abs. 1 HGB). Die CleverTaxi GmbH & Co. KG ist also eine Personenhandelsgesellschaft, die von der A-GmbH und der B-GmbH neu gegründet wurde.

3. die A-GmbH hat ihr Handelsgeschäft in die CleverTaxi GmbH & Co. KG eingebracht (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB).

Genau, so ist das!

Mit „Eintritt eines Dritten in das Unternehmen“ (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB) ist die Überführung des Unternehmens an die neu gegründete Personenhandelsgesellschaft als Einlage gemeint. Es ist nicht erforderlich, dass das Eigentum am Anlagevermögen des Unternehmers in die Gesellschaft eingebracht wird. Es genügt, dass die tatsächliche Unternehmensträgerschaft auf die Gesellschaft übergeht. Umfasst sind jegliche Formen der Unternehmensübertragung und -überlassung (etwa Pacht (§§ 581ff. BGB) oder Nießbrauch (§§ 1030ff. BGB)). Die A-GmbH hat das Taxi-Unternehmen als Einlage in die neu gegründete CleverTaxi GmbH & Co. KG eingebracht. Dadurch ist die tatsächliche Unternehmensträgerschaft auf die CleverTaxi GmbH & Co. KG übergegangen.

4. Das Taxi-Unternehmen wird durch die CleverTaxi GmbH & Co. KG fortgeführt (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Eine Unternehmensfortführung liegt vor, wenn zumindest der wesentliche Kern des Unternehmens beibehalten wird. Die Haftung nach § 28 Abs. 1 S. 1 HGB basiert nicht auf dem Anschein der Kontinuität des Unternehmens beim Rechtsverkehr (wie bei § 25 Abs. 1 S. 1 HGB), sondern auf dem allgemeinen Interesse an einem Schuldbeitritt der Gesellschaft. Nicht erforderlich ist deshalb, dass das Unternehmen erkennbar und unverändert in der neuen Gesellschaft fortgeführt wird. Die CleverTaxi GmbH & Co. KG hat die Modernisierung und Umgestaltung des ehemaligen Taxi-Unternehmens der A-GmbH zum Gegenstand. Zumindest der Kern des Taxi-Unternehmens wird dafür beibehalten. Die Fortführung des Unternehmens in veränderter Form schadet nicht.

5. Die CleverTaxi GmbH & Co. KG hat einen Anspruch gegen S auf Zahlung des Kaufpreises.

Nein!

Ein Anspruch der CleverTaxi GmbH & Co. KG gegen S könnte sich aus einem Kaufvertrag (§ 433 Abs. 2 BGB) oder aus abgetretener Kaufpreisforderung (§§ 433 Abs. 2, 398 S. 2 BGB) ergeben. Die CleverTaxi GmbH & Co. KG hat mit S keinen Kaufvertrag geschlossen, und daher keinen originären Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB). Der Kaufvertrag wurde mit der A-GmbH geschlossen, welche die Forderung nicht an die CleverTaxi GmbH & Co. KG abgetreten hat. Diese hat demnach auch keinen derivativen Anspruch auf Zahlung (§§ 433 Abs. 2, 398 S. 2 BGB). Nach herrschender Meinung bewirkt § 28 Abs. 1 S. 2 HGB wie auch § 25 Abs. 1 S. 2 HGB keinen Forderungsübergang. Nur die befreiende Leistung an die entstandene Gesellschaft soll ermöglicht werden.

6. S kann schuldbefreiend an die CleverTaxi GmbH & Co. KG leisten (§ 362 Abs. 1 BGB i.V.m. § 28 Abs.1 S. 2 HGB).

Genau, so ist das!

Betriebsbezogene Forderungen, deren Rechtsgrund mit dem früheren Inhaber gelegt worden sind gelten den Schuldnern gegenüber als auf die neue Gesellschaft übergegangen (§ 28 Abs. 1 S. 2 HGB). Voraussetzung ist, dass (1) die Forderung nicht tatsächlich abgetreten wurde und (2) das Handelsgeschäft von der neu gegründeten Personenhandelsgesellschaft, in die es eingebracht wurde, fortgeführt wird. Leistet der Schuldner an die Gesellschaft, tritt Erfüllungswirkung ein (§ 362 Abs. 1 BGB i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 2 HGB). Die CleverTaxi GmbH & Co. KG führt das Handelsgeschäft der A-GmbH fort. Die Forderung gegen S stammt aus dem mit der A-GmbH geschlossenen Kaufvertrag (§ 433 BGB) und wurde nicht an die CleverTaxi GmbH & Co. KG abgetreten.

7. S kann schuldbefreiend an die A-GmbH leisten (§ 362 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Schuldnerschutzvorschrift des § 28 Abs. 1 S. 2 HGB bewirkt keinen Forderungsübergang. Die Forderung gilt lediglich den Schuldnern gegenüber als auf die neue Gesellschaft übergegangen, damit diese schuldbefreiend an die Gesellschaft leisten können. Die Schuldner können aber auch an den ehemaligen Inhaber leisten, mit dem der Vertrag begründet wurde. Da die Forderung nicht abgetreten wurde und auch § 28 Abs. 1 S. 2 HGB keinen Forderungsübergang bewirkt, hat die A-GmbH sie nicht verloren und ist noch immer Gläubiger (§ 398 S. 2 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

9.3.2022, 15:38:22

Könntet ihr ein aufbauschema zu den Voraussetzungen von 25 & 28 machen? Sowie eine Aufgabe, die noch darauf eingeht dass es auf die hypothetische Übertragbarkeit der Forderung ankommt, da die Fiktion nicht weitergehen kann als die tatsächliche Abtretung?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 16:23:52

Danke für den Hinweis, nomamo. Das werden wir noch ergänzen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Ranii

Ranii

23.11.2022, 11:01:49

Liegt hier also auch eine Gesamtschuldnerschaft vor wie bei 25 HGB?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

5.12.2022, 13:48:27

Hallo Ranii, danke für deine Frage. Ich bin nicht sicher, ob ich sie richtig verstehe. S ist einziger Schuldner, A -GmbH ist Gläubiger, an die CleverTaxi-GmbH kann aber schuldbefreiend geleistet werden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Johannes Nebe

Johannes Nebe

2.8.2024, 14:27:21

@[Ranii](137616): Man könnte eher an eine Gesamtgläubigerschaft denken, denn wie in § 428 I 1 BGB ist der Schuldner nur einmal zu leisten verpflichtet. Dass man von Gesamtgläubigerschaft nicht spricht und § 428 BGB nicht anführt, liegt daran, dass wegen des fehlenden Forderungsübergangs nicht "jeder die ganze Leistung fordern kann". So erkläre ich es mir jedenfalls.

FL

Flohm

18.7.2023, 17:22:51

Wieso kann S an die CleverTaxi GmbH & Co. KG leisten, auch wenn kein Forderungsübergang vorliegt ?

BASA

Barbara Salesch

18.7.2023, 23:27:38

Das ergibt sich gerade aus § 28 I 2 HGB, es wird gegenüber dem Schuldner fingiert, dass die Forderung auf die Gesellschaft übergegangen wäre, auch wenn sie das tatsächlich nicht ist

Charliefux

Charliefux

21.3.2024, 15:48:17

@[Flohm](210957) das ist eine Schuldnerschutzvorschrift, kein gesetzlicher Forderungsübergang. Die GmbH & Co. KG darf die Leistung auch nicht behalten, sondern muss sich nach §816 II BGB an die A-GmbH herausgeben. Geleistet werden darf hier, damit Erfüllung für den Schuldner eintritt. Ansonsten müsste der Schuldner doppelt zahlen und könnte die erste Zahlung nur nach 812ff. BGB zurückverlangen, dadurch würde er das Insolvenzrisiko der GmbH & Co. KG tragen.


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