Eintritt in bestehendes Unternehmen eines Kaufmanns / Nachhaftung des früheren Inhabers, § 28 Abs. 3 HGB


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Lernplan ZR Handels- und Gesellschaftsrecht (100%)

Modedesignerin A betreibt eine im Handelsregister eingetragene Boutique. B und C erkennen A’s Potential und gründen mit A die ABC-KG, in die A ihr Unternehmen als Einlage einbringt. A möchte sich aus „Geschäftskram“ heraushalten und steigt als Kommanditistin ein. Stofflieferant L hat noch eine Kaufpreisforderung gegen A.

Einordnung des Falls

Eintritt in bestehendes Unternehmen eines Kaufmanns / Nachhaftung des früheren Inhabers, § 28 Abs. 3 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die ABC-KG haftet für die Altverbindlichkeiten aus A‘s früherem Handelsgeschäft (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB).

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Ja!

Wird (1) ein bestehendes Handelsgeschäft (2) bei der Gründung einer Personenhandelsgesellschaft (3) in diese eingebracht und anschließend (4) von ihr fortgeführt, haftet die entstandene Gesellschaft für die Verbindlichkeiten, die im früheren Betrieb des Kaufmanns begründet wurden (§ 28 Abs. 1 S. 1 HGB) (=gesetzlicher Schuldbeitritt), (5) sofern kein Haftungsausschluss greift (§ 28 Abs. 2 HGB). A hat die Kaufmannseigenschaft spätestens mit Handelsregistereintragung erlangt (§§ 2 S.1, 5 HGB). Ihre Boutique ist daher ein Handelsgeschäft, § 28 Abs. 1 S. 1 HGB. Dieses hat A als Einlage bei der Gründung der ABC-KG, einer Personenhandelsgesellschaft (§ 161 Abs. 1 HGB), eingebracht. Ein Haftungsausschluss greift nicht (§ 28 Abs. 2 HGB).

2. A haftet persönlich und unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der ABC-KG (§ 171 Abs. 1 HGB).

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Kommanditist haftet für Gesellschaftsschulden nur bis zur Höhe der im Gesellschaftsvertrag bestimmten Haftsumme. Soweit diese geleistet ist, ist die Haftung ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 HGB). Die Haftsumme ist von der im Verhältnis zu den Gesellschaftern zu leistenden Pflichteinlage zu unterscheiden. Im Normalfall deckt sich die Haftsumme mit der Pflichteinlage. A hat vereinbarungsgemäß ihr Unternehmen als Pflichteinlage in die ABC-KG eingebracht. Mangels abweichender Vereinbarungen ist davon auszugehen, dass der objektive Wert dieser Pflichteinlage zur Zeit ihrer Leistung der Haftsumme entspricht. Demnach ist die „Einlage“ geleistet und A von der persönlichen Haftung ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 HGB).

3. L kann von A Zahlung des Kaufpreises verlangen (§ 433 Abs. 2 BGB).

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Ja, in der Tat!

Neben der neuen Gesellschaft haftet der frühere Inhaber des Unternehmens als Gesamtschuldner (§§ 421ff. BGB) weiter. Der Gläubiger kann die Leistung beliebig von jedem Schuldner verlangen (§ 421 S. 1 BGB). Nimmt der frühere Inhaber in der neuen Gesellschaft die Stellung eines Kommanditisten ein (§§ 171ff. HGB), ist seine Haftung jedoch zeitlich auf fünf Jahre ab Handelsregistereintragung der neuen Gesellschaft begrenzt (§ 26 Abs. 1. S 1 i.V.m. § 28 Abs. 3 S. 1 HGB). Zwar haftet A nicht als Kommanditistin der ABC-KG für die Forderung des L. Der Kaufvertrag wurde aber ursprünglich mit A geschlossen, sodass A als Vertragspartnerin und frühere Inhaberin der Boutique noch fünf Jahre ab Handelsregistereintragung für die Verbindlichkeit haftet.

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JURA

Jurapro

6.7.2023, 16:56:17

Haftet der Kommanditist mit in Höhe der Einlage, wenn Forderungen gegen ihn bestehen?

Charliefux

Charliefux

21.3.2024, 15:58:02

Nach § 171 I HGB haftet der Kommanditist gegenüber Gläubigern der Gesellschaft in Höhe seiner Haftungssumme unmittelbar (S.1). Die Haftung des Kommanditisten ist aber ausgeschlossen, soweit er seine Einlage geleistet hat. (S.2) Das bedeutet, dass er nur in der Höhe haftet, in der er die Einlage noch zu erbringen hat.

MAT

Matschegenga

10.4.2024, 08:51:30

Der Wortlaut des § 28 I 1 HGB sieht die Fortführung der früheren Firma ausdrücklich nicht als Voraussetzung für den gesetzlichen Schuldbeitritt vor. Warum wird das in der Lösung als Voraussetzung gesehen?


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