Frühere Kenntnisnahme des später zugegangenen Widerrufs einer Willenserklärung – Wirksamkeit einer Willenserklärung
[...Wird geladen]
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vermieter V ist von Montag bis Freitag auf Dienstreise. Am Dienstag wirft Postbote P eine Kündigung des Mieters M in Vs Briefkasten. Am Donnerstag wirft P eine Widerrufserklärung des M bei V ein. Nach seiner Rückkehr nimmt V den Widerruf vor der Kündigung zur Kenntnis.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen
unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
...Wird geladen
Einordnung des Falls
Frühere Kenntnisnahme des später zugegangenen Widerrufs einer Willenserklärung – Wirksamkeit einer Willenserklärung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Widerruf ist vor der Kündigung zugegangen. M hat die Kündigung wirksam widerrufen.
Nein, das ist nicht der Fall!
Geht dem Adressaten einer Willenserklärung vor oder gleichzeitig mit ihrem Zugang ein Widerruf zu, so wird die Willenserklärung nicht wirksam. Zugang (Phase 3) liegt bei verkörperten WE vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Die Kündigung ist am Dienstag durch Einwurf zugegangen. An diesem Tag war zu erwarten, dass V seinen Briefkasten leert. Der Widerruf ist erst Donnerstag zugegangen, d.h. nach Zugang der Kündigung. Die Kündigung ist wirksam geworden.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.
Eine Besprechung von:
Jurafuchs kostenlos testen
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Weitere für Dich ausgwählte Fälle
Marcoyayo
28.10.2019, 21:46:04
Und warum soll hier nicht die tatsächliche Kenntnisnahme entscheidet sein ?
Pierre
29.10.2019, 12:00:28
gelöscht
2.11.2019, 17:49:13
Arendt
7.11.2019, 14:27:25
Ciojure
4.12.2019, 13:42:52
Jaassmiiin_
25.12.2019, 15:41:12
Tatsächlich entsteht ja aber kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Erklärung beim Vermieter? mMn sollte die Norm nach Sinn & Zweck daher so ausgelegt werden, dass der Widerruf "rechtzeitig" (Fiktion) zuging.
gelöscht
10.6.2021, 21:45:29
Martin
20.10.2023, 11:20:40
kleinerPadawan
19.3.2023, 07:35:17
Ich denke zu diesem Fall würde sich noch eine Vertiefung bzw. ein bis zwei weitergehende Fragen anbieten.
Würde sich an der Lösung etwas ändern, wenn der Vermieter nach seiner Rückkehr zunächst den Widerruf liest und dann die Kündigung? Oder wird dann weiterhin nur auf den Zugang der Widerrufserklärung abgestellt? Also kann die vorige oder gleichzeitige tatsächliche Kenntnisnahme den verspäteten Zugang ausbessern?
Also ist es für die Lösung relevant dass der V die Kündigung überhaupt nicht mehr liest im Anschluss?
kleinerPadawan
19.3.2023, 07:39:21
Nora Mommsen
20.3.2023, 11:33:51
Weil hier die tatsächliche Kenntnisnahme des Widerrufs erst nach dem Zugang erfolgte. Der Zugang war doch schon während der Abwesenheit des Empfängers vollzogen.
Ich finde das Ergebnis auch nicht eindeutig. Denn die tatsächliche Kenntnisnahme beider Erklärungen erfolgte Gleichzeitig.
Die tatsächliche Kenntnisnahme ist hier irrelevant, da beide Erklärungen bereits vorher, mit ZUGANG wirksam geworden sind. Zugang ist bei den beiden jeweils der Zeitpunkt, an dem der Briefkasten unter normalen Umständen geleert werden würde und damit ist der Widerruf erst nach der Kündigung zugegangen. Die Kündigung ist wirksam und kann nicht durch einen später zugegangenen Widerruf widerrufen werden.
Verstehe ich das so richtig?
Sobald die Phase "Zugang" schon erfüllt ist, braucht es der Phase der "tatsächlichen Kenntnisnahme" nicht mehr. Die tatsächliche Kenntnisnahme ist nur relevant, wenn sie zeitlich vor dem Zugang steht.
Was ist mit tatsächlicher Kenntnisnahme gemeint ? Etwa wenn der Vermieter diese mit seinen eigenen Augen gesehen hat und wirklich davon Kenntnis erlangen konnte ? Und mit Zugang, sobald es in seinem Machtbereich gelangt ist oder sobald er es persönlich in der Hand hält ????? I don’t know 😊
Auch wenn der Zugang des Widerrufs in seiner Abwesenheit erfolgte, so ist die tatsächliche Kenntnisnahme nach $ 242 erst nach dem Ablehnen des Widerrufs zu prüfen.
@Hanna Meinst Du mit 242, dass man das Ergebnis (Berechnung des Zugangszeitpunkt = Möglichkeit
Kenntniserlangung) aufgrund der tatsächlichem Kenntnisnahme nach 242 korrigieren könnte?
Ich würde wie folgt prüfen:
a) Zugang Kündigungserklärung
Im Machtbereich bereits vor der Rückkehr
b) kein (rechtzeitiger) Widerruf
- Im Machtbereich nicht vor oder mit der Kündigungserklärung. Somit kein Widerruf .
c) Zwischenergebnis
Kündigungserklärung ist zugegangen und wurde nicht widerrufen.
( ... Mietvertrag gekündigt.)
Einen Prüfungspunkt mit der tatsächlichen Kenntnisnahme würde ich gar nicht machen. Logisch gesehen müsste man dies mE nicht ansprechen. Natürlich will es der Klausurersteller hören, deshalb würde ich einen Satz dazu nach der Definition bringen.
Noch weniger schutzwürdig ist hier aber der Mieter, der deutlich nach dem zu erwartenden Zugang den Widerruf erklärt. Der Vermieter ist hier faktisch also eigentlich gar nicht besser gestellt, sondern profitiert nur von den Umständen. Denkt man den Widerruf weg und nimmt an, dem V wäre ein für ihn sehr vorteilhaftes und bis zum nächsten Tag befristetes Angebot zugegangen, hätte V den Nachteil.
Bzgl. Schutzinteresse sehe ich auch so, dass der Widerruf nicht als rechtzeitig angesehen werden kann, da der Vermieter in der Zwischenzeit - wäre er nicht auf Dienstreise gewesen - die Wohnung an einen vieler weiteren Interessenten versprochen haben könnte, die evtl. schon einen Vertrag unterschrieben haben könnten. Besonders in Großstädten gibt es ja eine riesige und meist dringende Nachfrage.
Hallo ihr Lieben,
Ich finde man muss sich da vor Augen halten, wen den eigentlich die Definition vom Zugang im Gegensatz zur tatsächlichen Kenntnisnahme schützt: Nämlich dadurch, dass der Empfänger bei Zugang (ohne tatsächlicher Kenntnisnahme) so gestellt wird, als hätte er die Erklärung zur Kenntnis genommen, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Erklärende keine Möglichkeit hat darauf einzuwirken, dass der Empfänger tatsächlich Kenntnis nimmt, weil die Erklärung sich im Machtbereich des Empfängers befindet. Es wird also zugunsten des Erklärenden dem Verantwortungsbereich des Empfängers zugeordnet, wenn die Erklärung in dem Machtbereich des Empfängers ist, so das mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist und der Empfänger davon Kenntnis nehmen kann. In diesem Fall hat aber ausnahmsweise der Schutz des Erklärenden nicht nötig.
Außerdem finde ich nicht, dass der Empfänger schutzwürdig ist. Denn worauf soll denn sein schutzwürdiges Vertrauen basieren, wenn er nicht einmal von dem Vertrauen begründenden Umstand (also hier der Inhalt der Erklärung) Kenntnis hat? Erst wenn er die Kündigung tatsächlich gelesen hat, kann er logischerweise auf dessen Inhalt vertrauen. Und erst dann nimmt er auch Handlungen vor, die auf diesem Vertrauen basieren (sagt bspw anderen Vermietern zu). Dies ist aber hier nicht der Fall.
Daher schließe ich mich JOK3Rs Meinung an.
LG Martin
Okay - wer lesen kann ist klar im Vorteil. Habe es selbst erkannt. Der V hat hier ja die Widerrufserklärung vor der Kündigung gelesen. Und trotzdem ist die Kündigung im Ergebnis wirksam. Das bedeutet für meine Frage dann wohl auch, dass die tatsächliche frühere Kenntnisnahme der Widerrufserklärung, d.h. vor der ursprünglichen Erklärung, unerheblich ist, sofern diese, wie hier, erst später zugegangen ist. Sorry für die unnötige Frage ;)
Hallo kleinerPadawan, immer her mit den Fragen. Dafür sind wir schließlich da :) Aber umso besser, wenn du sogar selbst noch auf die Antwort gestoßen bist. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
65,3 %