Weisungsunterworfenheit aus tatsächlichen Gründen – Besitzdiener nach § 855 BGB


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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E hebt einen großen Geldbetrag von der Bank ab. Sein Freund F erklärt sich aus Gefälligkeit bereit, die Geldscheine in seiner Tasche bis zur Wohnung des E zu tragen.

Einordnung des Falls

Weisungsunterworfenheit aus tatsächlichen Gründen – Besitzdiener nach § 855 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem F das Geld für E einsteckt, wird er zum Besitzdiener (§ 855 BGB) des E an dem Geld.

Genau, so ist das!

Besitzdiener ist, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat (§ 855 BGB). Ein "ähnliches Verhältnis" kann auch ein tatsächliches Verhältnis sein, wie hier ein Gefälligkeitsverhältnis in Form von freundschaftlicher Mithilfe.OLG Stuttgart: Bei Gefälligkeitshandlungen reiche es aus, wenn der Besitzdiener nur insoweit weisungsgebunden ist, als der Besitzherr jederzeit auf die Sache Zugriff nehmen kann (RdNr. 4).F hat E bis zur Wohnung mit den Geldscheinen in seiner Tasche ständig begleitet. E konnte jederzeit auf das Geld zugreifen.

2. F hat Besitz (§ 854 BGB) an dem Geld erlangt.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Besitzdiener ist kein Besitzer im rechtlichen Sinne. Er hat keine selbständige Besitzposition. Er ist als verlängerter Arm des eigentlichen Besitzers anzusehen.Allein der Weisungsberechtigte (hier: E) ist Besitzer (§ 854 BGB).

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Praetor

Praetor

18.1.2020, 16:44:04

Genau genommen sollte es Geldscheine heißen, Geld ist keine körperliche Sache.

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

22.1.2020, 11:07:32

Hi Praetor, Grüneberg (Palandt, § 245 RdNr. 3) sieht das anders: "Geld im gegenständlichen Sinn (Bargeld) sind Münzen und Banknoten." Dass es hier um Geldscheine geht, ergibt sich uE aus dem Kontext und der Illustration. Wir haben aber - um Missverständnisse zu vermeiden - dennoch den Sachverhalt angepasst.

Henk

Henk

8.3.2020, 08:13:50

Definiert Grüneberg nicht eher: Bargeld = Geld (Gattung) im gegenständlichen Sinne (Artunterschied) Und fügt eine abschließende Enumeration an: Geld = Münzen und Banknoten. ? Dann müsste man ja jedenfalls schreiben: E gibt (impliziert wohl schon gegenständlichen) F Geld im gegenständlichen Sinne? Wenn man es so sieht: Geld = Bargeld (=Def. Im gegenständlichen Sinne) Dann würde ich dies für verfehlt halten. Wir definieren Begriffe im juristischen Sinne bzw. In einem System innerhalb des Rechts (zB. BGB AT). Wir können zwar Begriffe aus anderen Gebieten (zB Soziologie) ins Recht transferieren, aber im gegenständlichen Sinne zu definieren impliziert, dass man auch im nichtkörperlichen Sinne definieren kann und dann bringt die Def. nichts, weil man nicht weiß welche Def. gemeint ist

ZAV

Zavviny

19.9.2020, 15:56:13

fragwürdige Rspr. d.

OLG Stuttgart

. Wieder einmal wird das Gefälligkeitsverhältnis. Ein Verwahrungsvertrag und damit mittelbarer Besitz liegen m.E. nach näher. M.E. zwingend als strittig zu kennzeichnen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

21.9.2020, 10:26:48

Hallo Zavviny, danke für deine Anmerkung. In unserem Sachverhalt steht "aus Gefälligkeit". damit hat F keinen Rechtsbindungswillen und es liegt kein Vertragsverhältnis vor. In der Praxis lässt sich das natürlich nicht so einfach bestimmen, aber bei Fällen im 1. Examen (und bei uns) muss das was im Sachverhalt steht als gegeben angenommen werden.

UNBE

UnbekannterNutzer

18.11.2020, 20:59:21

Soviel ich weiß, kommt es bei der Abgrenzung zwischen Gefälligkeit und Vertrag aber auf eine objektive Betrachtung an. Somit ist es für das Ergebnis irrelevant aus welchen Beweggründen (subjektiv) F das Geld verwahrt, oder übersehe ich da was?

Vulpes

Vulpes

3.1.2021, 13:17:55

Wenn es sich allerdings um einen Gefälligkeitsvertrag iS einrs Auftrags handelt besteht ein Rechtsverhältnis kraft dessen der F dem E den Besitz mittelt. Der Rechtsbimdungswille ist somit entscheidend dafür, ob F

Besitzdiener

oder Besitzmittler ist. @Eigentum verpflichtet: Schliesst der Hinweis "aus Gefälligkeit" den grunds. auch einen Gefälligkeitsvertrag (Auftrag) aus?

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

9.2.2021, 19:47:02

Also ich finde den Sachverhalt hier eindeutig und bin der Meinung, dass ein Verwahrungsvertrag aufgrund der Angaben ausscheidet. Natürlich könnte man einen solchen hier konstruieren, würde dann aber sowohl an der Lebenswirklichkeit als auch am Sachverhalt vorbeiargumentieren. Man darf nicht vergessen dass Gerichte über tatsächliche Lebensvorgänge entscheiden.

Sophix58

Sophix58

11.1.2024, 12:29:03

Huhu, ich hätte hierzu eine kleine Verständnisfrage: ist es bei Gefälligkeitsverhältnissen dann egal, ob ein soziales Abhängigkeitsverhältnis besteht oder nicht? Ich dachte nämlich, dass es für das "ähnliche Verhältnis" iSd. § 855 BGB gerade darauf ankommt.

NI

Niklas

12.4.2024, 16:50:47

Dass der E den F bis zur Wohnung begleitet geht aus dem Sachverhalt nicht hervor. Das sollte eventuell ergänzt werden.

Paulah

Paulah

13.4.2024, 11:59:14

Das steht am Ende des zweiten Satzes.

LELEE

Leo Lee

13.4.2024, 17:01:29

Hallo Niklas, vielen Dank für dein Feedback! Wie Paulah zutreffend anmerkt soll das Ende des zweiten Satzes klarstellen, dass der F (mit dem Geld in der Tasche) den E bis zur Wohnung begleitet. Wir haben auch im Erklärungstext etwas präzisiert, damit keine Missverständnisse bei dessen Lektüre entstehen können! Wir möchten uns vielmals bei dir bedanken dafür, dass du uns dabei hilfst, die App zu perfektionieren und freuen uns auf weitere Feedbacks von dir :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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