Suchterkrankung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Feuerwehrmann F ist alkoholabhängig. Wegen des ständigen Alkoholgenusses und der damit verbundenen Beeinträchtigung seiner Arbeitsleistung kündigt ihm Chef C ordentlich. Eine zuvor von C angebotene Suchttherapie hat F mehrfach strikt abgelehnt. Erst nach Kündigung erklärt sich F zur Therapie bereit. Das KSchG ist anwendbar.
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Einordnung des Falls
Suchterkrankung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Stellt die Alkoholsucht einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund dar?
Nein, das ist nicht der Fall!
Jurastudium und Referendariat.
2. Liegt infolge der Alkoholsucht ein personenbedingter Kündigungsgrund vor?
Ja, in der Tat!
3. Ist die Kündigung unverhältnismäßig und unwirksam, weil F nach Erhalt der Kündigung Therapiebereitschaft zeigt?
Nein!
4. Ist die Kündigung unwirksam, da keine vorherige Abmahnung erfolgt ist?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Philippe
28.8.2022, 11:42:52
Geht man aber davon aus, dass die Therapiebereitschaft ernst gemeint ist, so dürfte es doch einen Anspruch auf Wiedereinstellung geben, weil sich die Prognose im Nachhinein als falsch erwiesen hat, oder sehe ich das falsch?
Lukas_Mengestu
20.9.2022, 12:12:53
Hallo Philippe, sehr guter Hinweis. Verwandelt sich nach Ausspruch der wirksamen krankheitsbedingten Kündigung die negative in eine positive Gesundheitsprognose, so kommt ein Wiedereinstellungsanspruch in Betracht. Hier sind die Hürden aber recht hoch. Der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass von einer positiven Gesundheitsprognose auszugehen ist (BAG NZA 1999, 1328). Diese hohe Schwelle dürfte allein durch das Erklären, nun doch eine Therapie aufnehmen zu wollen, noch nicht erreicht zu sein. Denn die bloße Durchführung der Therapie verspricht ja keineswegs, dass diese letztlich auch Erfolg hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Alicia Helena
7.12.2022, 07:18:30
Woraus ergäbe sich denn ein solcher Wiedereinstellungsanspruch?
Lukas_Mengestu
2.2.2023, 10:46:09
Hallo Alicia, als Anspruchsgrundlage zieht das BAG in der neueren Rspr. § 242 BGB (Treu und Glauben) heran und leitet daraus eine entsprechende Nebenpflicht des Arbeitgebers ab. In der Literatur wird zum Teil auch § 1 Abs. 3 herangezogen. Andere erreichen dasselbe Ziel über die Grundsätze der Vertrauenshaftung, über die nachwirkende Fürsorgepflicht oder den Gleichbehandlungsgrundsatz (Hergenröder, in: MüKo-BGB, 9. A. 2023, KSchG § 1 RdNr. 85 mit weiteren Nachweisen). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team