Öffentliches Recht

Europarecht

Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV

Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (Glücksspielfall)

Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (Glücksspielfall)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

In den Bundesländern besteht ein regionales Monopol auf Glücksspiel. Die Inhaber der staatlichen Monopole bewerben das Glücksspiel intensiv. Für Private ist die Glücksspielvermittlung verboten. Franzose F vermittelt online Glücksspiel an Kunden in Deutschland.

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Einordnung des Falls

Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV (Glücksspielfall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist vorliegend eröffnet.

Ja!

Der sachliche Anwendungsbereich setzt eine Dienstleistung voraus. Die Dienstleistung lässt sich in Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten als selbstständige, vorübergehende Leistungen definieren, die einen entgeltlichen Charakter haben muss. Begünstigte sind Unionsbürger und gem. Art. 62 i.V.m. Art. 54 AEUV Gesellschaften mit Unionsbezug. Ferner ist ein grenzüberschreitender Bezug erforderlich. Die Vermittlung von Glückspiel ist eine selbstständige Tätigkeit mit entgeltlichem Charakter. Durch die Vermittlung von Glücksspielen durch F von Frankreich nach Deutschland ist auch ein grenzüberschreitender Bezug in Form der Korrespondenzdienstleistung gegeben. Der sachliche Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit ist somit eröffnet.
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2. Die Schaffung eines staatlichen Monopols stellt eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit dar.

Genau, so ist das!

Unter den Oberbegriff der Beeinträchtigung fallen die offene und versteckte Diskriminierung. Jede Maßnahme, welche geeignet ist, mittelbar oder unmittelbar, tatsächlich oder potenziell die Ausübung einer Dienstleistung zu beschränken, stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. F wird es durch die Schaffung des Monopols unmöglich gemacht seine Dienstleistungen in Deutschland anzubieten. Die Maßnahme stellt somit eine Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit dar.

3. Der geschriebene Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung ist vorliegend einschlägig.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Begriff der öffentlichen Ordnung ist ein b unbestimmter Rechtsbegriff, der unionsrechtsautonom ausgelegt wird. Unter der öffentlichen Ordnung versteht der EuGH hoheitlich festgelegte Grundregeln, die wesentliche Interessen des Staates berühren. Der EuGH setzt voraus, dass eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der gesellschaftlichen Grundinteressen besteht. Den Mitgliedstaaten verbleibt bei der Auslegung jedoch ein gewisser Beurteilungsspielraum. Zwar unterliegen die Glücksspiele besonders strengen Regelungen und einer genauen behördlichen Kontrolle in den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft. Allerdings besteht kein vollständiges Verbot von Glücksspielen. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass das Verbot von Glücksspiel als gesellschaftliches Grundinteresse und gemeinsamer Konsens der Mitgliedstaaten anzusehen ist. Der geschriebene Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung ist daher nicht einschlägig.

4. Es kommt vorliegend eine Rechtfertigung über zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Betracht.

Ja!

Der EuGH hat in der Rechtssache Gebhard entschieden, dass Beschränkungen über die geschriebenen Rechtfertigungsgründe hinaus dann gerechtfertigt werden können, wenn sie (1) in nichtdiskriminierender Weise anwendbar sind, (2) aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt sind, (3) geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und (4) nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Diese Voraussetzungen werden die sog. Gebhard-Formel genannt. Die Gebhard-Formel ist auch für die Dienstleistungsfreiheit anwendbar. Der Gerichtshof hat anerkannt, dass nationale Vorschriften, die Glücksspiele und Wetten, die sozialschädliche Folgen haben können, gerechtfertigt sein können, die darauf Abzielen, eine Anregung der Nachfrage zu vermeiden und die Ausnutzung der Spielleidenschaft der Menschen zu begrenzen. [RdNr. 75] Dies ist als zwingender Grund des Allgemeininteresses anerkannt.

5. Die Schaffung des staatlichen Monopols ist vorliegend verhältnismäßig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Maßnahme ist dann verhältnismäßig, wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Die Angemessenheit der Maßnahme wird vom EuGH nicht explizit geprüft. Vielmehr wird die Verhältnismäßigkeitsprüfung im engeren Sinne bereits im Rahmen der Erforderlichkeit vorgenommen. Bei so restriktiven Maßnahmen muss insbesondere gewährleistet sein dass der Inhaber des Monopols die verfolgten Ziele tatsächlich erreichen kann und diese in in kohärenter und systematischer Weise verfolgt. Vorliegend führen die Inhaber der staatlichen Monopole intesive Werbekampagnen für das Glücksspiel durch, die das Ziel haben, die Bürger zum Glücksspiel zu ermutigen. Das präventive Ziel der Bekämpfung der Spielsicht wird daher nicht in kohärenter und systematischer Weise verfolgt. Die Schaffung des Monopols ist daher nicht verhältnismäßig und kann nicht durch die ungeschriebenen Gründe gerechtfertigt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BL

Blotgrim

17.7.2023, 22:47:01

Nur zum Verständnis, Beeinträchtigung umfasst lediglich Diskriminierungen oder sind auch Beschränkungen darunter zu fassen? Weil ich dachte dass nur Diskriminierungen damit gemeint sind und habe die Frage ob eine Beeinträchtigung vorliegt, deshalb verneint, da ich hier nur eine Beschränkung gesehen habe


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